Tödlicher Unfall in KölnWer ist der Unfallfahrer von Deutz – und warum sitzt er nicht in Haft?

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Mit einem Zollstock vermessen Polizisten den sichergestellten Mercedes AMG nach dem tödlichen Unfall in Köln-Deutz am 7. Januar

Polizisten vermessen den sichergestellten Mercedes AMG nach dem tödlichen Unfall in Köln-Deutz am 7. Januar

War der 21-Jährige bei dem tödlichen Unfall zu schnell? Warum ist er auf freiem Fuß? Welche Strafe erwartet ihn? Fragen und Antworten zum Fall.

Nach dem tödlichen Unfall mit Fahrerflucht auf der Siegburger Straße in Köln-Deutz am 7. Januar hat sich am Montag ein Anwalt bei der Polizei gemeldet. Er gab an, sein Mandant sei der Fahrer des Unfallwagens und habe am Steuer gesessen.

Die Polizei war dem Beschuldigten allerdings ohnehin schon dicht auf den Fersen, hatte dank der Unfallspuren am Ort, Bildern aus Überwachungskameras und der Recherche in einschlägigen Tuner-Foren im Internet das in Frage kommende Automodell bereits stark eingegrenzt und den Fahrer im Visier.

Trotzdem bleiben noch viele Fragen: Wer ist der Fahrer? Wie genau hat sich der Unfall zugetragen, durch den ein 62-jähriger Fußgänger starb? Wieso sitzt der junge Autofahrer nicht in Untersuchungshaft? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall.

Was ist bisher über den mutmaßlichen Unfallverursacher bekannt?

Der 21-jährige Kölner soll vor dem Unfall schon zweimal wegen Handynutzung am Steuer aufgefallen sein, in einem Fall soll er dabei einen Radfahrer geschnitten haben. Schwerwiegendere Straftaten oder Verkehrsverstöße sind der Polizei darüber hinaus nicht bekannt. Wie es heißt, soll der 21-Jährige der so genannten Tuner- und Poserszene angehören, die sich unter anderem am Tanzbrunnen in Deutz und auf der Alfred-Schütte-Allee in Poll trifft. Den durch den Unfall schwer beschädigten Wagen fand die Polizei in einer Garage in Mülheim. Wie es heißt, soll der 510 PS starke Mercedes C-Klasse AMG auf den Vater des 21-Jährigen zugelassen sein. 

Was wirft die Staatsanwaltschaft dem 21-Jährigen vor?

Fahrlässige Tötung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm maximal fünf Jahre Haft. Eine Gefängnisstrafe könnte auch zur Bewährung ausgesetzt werden.

War der 21-Jährige bei dem Unfall zu schnell unterwegs?

Für die spätere Strafzumessung ist das die womöglich entscheidende Frage – neben der Frage, ob der Mann möglicherweise durch einen Blick auf sein Handy abgelenkt gewesen sein könnte. Letzteres ist zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation, beides untersucht die Polizei noch. Von einem „Raser-Unfall“ zu sprechen, wäre jedenfalls verfrüht, warnen Ermittler.

Mit gelber und blauer Sprühfarbe hat die Polizei die Unfallstelle auf der Siegburger Straße markiert.

Spurensicherung und Vermessungen an der Unfallstelle in Köln-Deutz

Unter anderem anhand der Beschädigungen am Mercedes, der Verletzungen des Opfers und der Unfallspuren auf der Straße prüfen die Polizei und ein externer Gutachter derzeit, welche Geschwindigkeit das Auto beim Zusammenprall hatte. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gibt es auch Augenzeugen des Unfalls. Sie wurden bereits vernommen. Über den Inhalt der Aussagen will die Staatsanwaltschaft aber noch keine Angaben machen. „Wir  wollen zuerst alle Erkenntnisse zusammenführen“, teilt Sprecher Christoph Hebbecker mit.

Warum ist der Beschuldigte noch auf freiem Fuß?

Der 21-Jährige wurde bislang weder vorläufig festgenommen noch gibt es einen Haftbefehl gegen ihn. Für beides lägen die juristischen Voraussetzungen nicht vor, sagt Hebbecker. Für den Erlass eines Untersuchungshaftbefehls müssen grundsätzlich drei Kriterien erfüllt sein: ein dringender Tatverdacht, ein Haftgrund (also Wiederholungs-, Verdunklungs- oder Fluchtgefahr) und die Verhältnismäßigkeit.

Der dringende Tatverdacht sei in diesem Fall gegeben, sagt Hebbecker. Ein Haftgrund aber sei nicht zu erkennen. Das Risiko der Verdunklung, also etwa das Vernichten von Beweismitteln oder eine Einflussnahme auf Zeugen, sehen die Ermittler nicht. Das Auto wurde sichergestellt und alle Spuren am Unfallort akribisch aufgenommen. Eine Flucht sei nach Angaben von Hebbecker auch nicht zu erwarten: Der 21-Jährige habe in Köln einen festen Wohnsitz, er habe sich freiwillig gestellt und die Tat eingeräumt – auch wenn der Fahndungsdruck hoch gewesen sei. Außerdem sei der Fluchtanreiz bei einer Höchststrafe von fünf Jahren nicht besonders hoch.

Auch eine konkrete Wiederholungsgefahr sieht die Behörde nicht. Der genaue Unfallhergang sei zwar noch unklar, es handele sich aber nach derzeitigen Erkenntnissen um ein fahrlässiges und kein vorsätzliches Delikt. Sein Auto musste der Beschuldigte abgeben.

Kann sich diese Bewertung noch ändern?

Ja. Zum Beispiel wenn die Polizei feststellen sollte, dass der Beschuldigte konkrete Vorbereitungen träfe, um unterzutauchen und sich dem Gerichtsprozess zu entziehen. Oder wenn sich bei den Ermittlungen herausstellen sollte, dass es sich möglicherweise doch um eine vorsätzliche Tat gehandelt haben könnte.

Dann müsste der 21-Jährige mit einer wesentlich höheren Strafe rechnen, was auch den Anreiz zur Flucht erhöhen könnte. In beiden Fällen könnte die Staatsanwaltschaft dann einen Haftbefehl bei Gericht beantragen. Für beide Szenarien gebe es bislang jedoch keine Anhaltspunkte, betont Hebbecker.

Wie geht es nun für den 21-Jährigen weiter?

Die Polizei oder die Staatsanwaltschaft wird ihn demnächst zur Vernehmung vorladen. Dieser Vorladung kann, muss der Beschuldigte aber nicht folgen. Es steht ihm frei, Angaben zu dem Unfall zu machen, mündlich oder schriftlich, persönlich oder über seinen Anwalt, er darf aber auch schweigen. Sein Verteidiger hat nun zunächst einmal Akteneinsicht beantragt.

Muss der Beschuldigte irgendwelche Auflagen erfüllen?

Nein. Eine regelmäßige Meldepflicht bei der Polizei zum Beispiel gäbe es nur, wenn auch ein Haftbefehl existierte. Dieser könnte dann gegen Auflagen wie eben eine Meldepflicht außer Vollzug gesetzt werden. Seinen Führerschein hat der Mann bislang auch noch nicht abgegeben. Es ist aber zu erwarten, dass die Ermittlungsbehörden dies demnächst anordnen werden.

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