Nazi-EntgleisungenKölner Johanniter ziehen Konsequenzen – Mitarbeiter freigestellt

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Verfasser Micha Guttmann (l.) und Johanniter-Regionalvorstand Marius Mainzer (r.) stehen vor der Landesgeschäftsstelle NRW des Rettungsdienstes Johanniter e.V.

In der Landesgeschäftstelle NRW des Rettungsdienstes Johanniter e.V. an der Siegburger Straße in Köln haben Verfasser Micha Guttmann (l.) und Johanniter-Regionalvorstand Marius Mainzer (r.) den Bericht zu den Rassismus-Vorwüfen präsentiert.

Zwei Mitarbeitenden der Johanniter Unfallhilfe in Köln können rassistische Motive nachgewiesen werden. So steht es im Abschlussbericht zu den Vorwürfen von Rechtsradikalismus, der am Dienstag vorgestellt wurde.

Das wiederholte Fehlverhalten von einzelnen Mitarbeitern blieb zu lange und zu häufig folgenlos. Zu diesem Schluss kommt das externe Gutachten zu den Rassismusvorwürfen gegen den Rettungsdienst Johanniter Unfallhilfe (JUH) in Köln.

Die Untersuchung der Fälle eines ehemaligen Rettungsdienst-Mitarbeiters der Rettungswache 9 war aufgrund der Berichterstattung in der Tageszeitung „taz“ angestoßen worden. Am Dienstag haben Marius Mainzer vom Regionalvorstand der Johanniter Köln/Leverkusen/Rhein-Erft und Micha Guttmann, Rechtsanwalt und Compliance-Experte bei Guttmann Communications in der Kölner Landesgeschäftsstelle des JUH-Landesverbands Nordrhein-Westfalen in Deutz den Abschlussbericht zu den Vorwürfen von Rechtsradikalismus und Rassismus gegen die JUH-Mitarbeitenden aus dem Jahr 2020 vorgestellt.

Nachgewiesen rassistische Motive – Hitlers Geburtstag im Kalender eingetragen

Gegen zwei Personen haben die Gutachter im Guttmann-Team demnach so viele und so konkrete Hinweise gesammelt, dass sie den Anwälten des bundesweit tätigen gemeinnützigen Vereins der Johanniter „die Einleitung von arbeitsrechtlichen sowie strafrechtlichen Maßnahmen gegen sie dringend empfehlen“, wie im Prüfbericht steht, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Im Raum standen dabei Vorwürfe, wonach auf der Rettungswache der Johanniter in Köln etwa die Geburtstage von Adolf Hitler und anderen Vertretern des NS-Regimes für alle sichtbar und ohne Protest unter der Belegschaft in einen Wandkalender eingetragen worden seien.

Die Landesgeschäftstelle NRW des Rettungsdienstes Johanniter e.V. an der Siegburger Straße in Köln von außen.

Nach der Veröffentlichung des Gutachtens wird die Johanniter nun an der Aufarbeitung der rassistischen Vorfälle arbeiten.

Aus rassistischen Motiven sollen bestimmte Patientinnen und Patienten schlechter behandelt worden sein und und einige Rettungskräfte hätten ihre Nähe zur „Identitären Bewegung“, einer rechtsextremen Organisation, offen und ohne Sanktionsgefahr zur Schau gestellt. Einem ehemaligen Mitarbeiter, der die Probleme rund um die Rettungswache neun angesprochen habe, war dem Bericht zufolge anschließend gekündigt worden.

Aufarbeitung durch „klare Strukturen mit mehr Transparenz" bei der Johanniter

„Wir waren alle erschrocken und erschüttert, denn das Leitbild der Johanniter ist ein christliches, das jede Form von Ausgrenzung und Ungleichbehandlung von hilfebedürftigen Menschen gleich welchen Hintergrunds klar ablehnt“, betont Marius Mainzer nach den Ausführungen des Berichtsverfassers. „Eine Missachtung verurteilen wir auf das Schärfste, aber müssen mit der Aufarbeitung beginnen, die in dem Prüfbericht nur ihren Anfang haben kann“ räumt der Vorstand ein, der die Johanniter der Region seit 2021 leitet.

Um diese Werte von Plakaten an den Wänden in die Köpfe und Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei ihrer Arbeit in Köln aber auch den 14 weiteren Regionalverbänden deutschlandweit zu übertragen, wird der Verein Mainzer zufolge ein Konzept erarbeiten, das mehr Nähe der Führungskräfte zum Alltagsbetrieb in den Rettungswachen vorsieht.

Mehr Wertschätzung für die Tätigkeit der Menschen bei den Johannitern sowie klare Strukturen mit mehr Transparenz und Kommunikationswegen sind weitere Bausteine, die helfen sollen, Fälle wie die vor zwei Jahren künftig zu verhindern. „Ganz auszuschließen ist das Fehlverhalten Einzelner leider nie, aber auch hier wollen wir mit künftig fest eingeplanten Angeboten wie Mediations- und Team-Coachings den Mitarbeitenden die Chance und den Anreiz geben, Probleme zu melden sowie damit umzugehen“, führt Mainzer aus.

Keine Hinweise auf strukturellen Rassismus bei Johanniter

Dass es bei den Johannitern grundsätzlich strukturelle Probleme gebe, die Rechtsradikalismus zuließen, konnten die Verfasser des Prüfberichts indes nicht feststellen. „Vielmehr haben viele Menschen zu lange geschwiegen, weil sie das Problem entweder nicht ernst genommen haben, es nicht erkannt oder auch nicht den nötigen Rückhalt dafür erfahren haben“, sagt Micha Guttmann.

Grundlage für seine Arbeit waren Gespräche mit insgesamt 20 Männern und Frauen bei den Johannitern zu den Vorfällen. Die konnten auch anonym Hinweise geben und Aussagen dazu machen. Außerdem waren Dokumente und Hintergrunde zu den an den im Raum stehenden Vorfällen beteiligten Menschen gesammelt worden. „Wir sind in unserer Arbeit nicht beeinflusst worden“, stellt Guttmann abschließend klar. Alle Angaben seien überdies streng vertraulich behandelt worden.

Anzeige gegen vermeintlich rassistische Straftaten steht noch aus

Nur in den beiden genannten Fällen seien die Hinweise gegen die zwei Personen allerdings so eindeutig und belastend gewesen, dass sie juristisch relevant und zur Einleitung von Verfahren wegen konkreter Straftaten ausreichten, so das Fazit in der vergangene Woche fertiggestellten Untersuchung.

„Die eine Person ist bereits 2021 aus dem Dienst bei den Johannitern ausgeschieden, die zweite haben wir direkt nach Erhalt des Berichts freigestellt“, sagt Marius Mainzer. Ob, wann und in welchem der beiden Fälle die Johanniter Anzeige wegen der vermeintlichen rassistischen die Straftaten erstatten werden, dazu wollte sich der Regionalvorstand am Dienstag nicht äußern.

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