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„Bei Männern gibt es meist Hintergedanken“„Female DJ-Workshop“ bietet sicheren Ort für Kölnerinnen am Mischpult

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Der Workshop nur für Frauen und nicht binäre Menschen ist ein safe space und Ort zum Austausch - auch über Erfahrungen mit männlichen DJs.

Um einen der begehrten Plätze beim Kölner „Female DJ Workshop“ am vergangenen Wochenende zu ergattern, hat sich manch eine Teilnehmerin richtig ins Zeug gelegt: Sarah hat als Bewerbung eine Playlist erstellt, deren Songtitel einen Brief an die „Wohngemeinschaft“ im Belgischen Viertel ergeben, die Gastgeber für den Lehrgang ist.

Gemeinsam mit „Music NRW Women“ veranstalten sie diesen Kurs speziell für Flinta-Personen, also für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen. Es soll ein sicherer Ort, ein sogenannter „safe space“, sein. „Frauen und andere marginalisierte Gruppen sind in der Musikindustrie unterrepräsentiert“, sagt Linn Meissner von „Music NRW Women“.

Man stößt auf Barrieren, wenn man in diese Bubble rein möchte. Es ist natürlich auch unbequem für die Männer in der Szene, ihre Privilegien zu hinterfragen.
Jana, Teilnehmerin des „Female DJ-Workshop“

Die Organisation unterstützt Flintas etwa mit dem Aufbau eines Netzwerkes.  „Unser Ansatz ist es, ihnen mehr Sichtbarkeit zu geben und sie weiterzubilden.“ Das sei in Gruppen ohne Männer häufig einfacher, sagt sie. „Es ist oft schwierig reinzukommen, wo die Leute, die da sind, schon immer dort waren.“

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Denn dort, wo Männer in Entscheiderpositionen sitzen, würden eben oftmals auch häufiger Männer als DJs gebucht, so Meissner. Da könnten solch spezielle Workshops helfen. Das findet etwa auch Teilnehmerin Jana: „Man stößt auf Barrieren, wenn man in diese Bubble rein möchte. Es ist natürlich auch unbequem für die Männer in der Szene, ihre Privilegien zu hinterfragen“, sagt sie. Und wenn man doch einen (männlichen) DJ als Lehrer findet, wirke man „wie das Mädchen, das sich an ihn ranschmeißt.“

Diese Erfahrung hat auch Lisa gemacht, die sich von einem Bekannten etwas am DJ-Pult hat zeigen lassen wollen: „Ich wollte von ihm etwas lernen, aber er fand es super, sehr nah an mir stehen zu können – wie es ja auch einfach passiert vor dem Mischpult – und ist mir immer näher auf die Pelle gerückt.“ Das sei ihr sehr unangenehm gewesen, erzählt sie. Und auch Chiara berichtet, dass meist Hintergedanken da sind, wenn man sich als Frau mit einem männlichen DJ trifft. 

Dadurch, dass sich der Workshop explizit an Flintas richte, fühlten sich die Teilnehmerinnen viel eher angesprochen, erzählen sie einstimmig. „Ich wäre von mir aus gar nicht auf die Idee gekommen, einen DJ-Workshop zu machen“, sagt Sarah. Ein Freund habe sie auf den Kurs aufmerksam gemacht. „Ich glaube, ich habe mich so eher getraut, mich anzumelden, weil es ein female-only Workshop ist. Ich hatte die Vorstellung, dass es dann weniger wettbewerbslastig ist und es mehr um den Spaß am Ausprobieren geht.“

Köln: Spaß beim „Female DJ Workshop“ in der Wohngemeinschaft

Bei dem Workshop geht es tatsächlich vor allem darum, in einer sicheren und lockeren Atmosphäre die Basics zu erlernen. Geleitet wird der Kurs von Burcu Tuna, die selbst seit drei Jahren als „DJ Aromateeq“ auflegt. Auch sie hat schnell gemerkt, dass es als Frau schwieriger ist, in der Musikindustrie ernst genommen zu werden, sagt sie.

An diesem Samstag soll all das in den Hintergrund treten. „Mir ist besonders wichtig, den Teilnehmenden Mut zu machen und sie zu empowern“, sagt sie. „Bei Flinta-Personen merke ich oft einen Perfektionismus. Das müssen wir überwinden.“ Der Fokus liege darauf, Spaß zu haben beim Auflegen, die Grundlagen des DJ-ing und die Technik kennenzulernen – etwa erste saubere Übergänge zwischen Songs zu schaffen sowie Soft- und Hardware bedienen zu können.

Burcu Tuna setzt dafür auf Hip-Hop-Instrumentals internationaler und auch lokaler Kölner Künstlerinnen und Künstler. Die Herausforderung für die Teilnehmerinnen: Weder Bass noch Gesang, sofern es welchen gibt, dürfen sich im Übergang überlappen.

Um eine weiche Transition zu schaffen, braucht es auch etwas Musik-Theorie: Durch Klatschen und Schnipsen wird herausgefunden, welchen Takt der Song „The World Is Yours“ von Nas hat (nämlich einen Vier-Viertel-Takt).

Dann dürfen die fünf Teilnehmerinnen selbst ans Pult und ziehen und drehen Regler, drücken Knöpfe und sind sich einig: „Es sind wirklich viele Dinge gleichzeitig.“ Die Koordination sei schwierig, so die einhellige Meinung. Und so gibt es für jeden gelungenen Übergang Unterstützung und Ansporn durch Applaus von denen, die gerade zuschauen.

Der DJ-Workshop findet auch an den folgenden zwei Wochenenden statt. Die Resonanz sei riesig gewesen, so Linn Meissner – die kostenfreien Kurse sind vollständig ausgebucht, die Bewerbungsphase abgeschlossen. Aber Meissner hofft auf weitere Veranstaltungen: „Vielleicht kann man das weiterführen.“

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