„Auf einmal blühen sie auf“Geflüchtete verarbeiten malend den Krieg

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Zwei Männer und eine Frau sitzen an einem Tisch, auf dem Malfarben in einem runden Teller stehen.

Kunsttherapeut Klaus Heilmann (l.) und Kunstlehrer Walter Brandes (r.) leiten den Kurs. Kateryna Velko aus der Ukraine ist von Anfang an dabei.

Kölner Verein Artasyl bietet Geflüchteten kunsttherapeutisches Angebot in der Innenstadt. Das Unterbewusstsein zeige sich in ihren Bilder. 

Alla Korol malt ein Mädchen, das an einem See sitzt. Sie schaut in das Wasser, in dem sich ihr Spiegelbild reflektiert. Daneben schwimmt ein Schwan. „Wie in dem Märchen über das hässliche Entlein“, sagt sie, „Leute sagen, du bist hässlich. Wenn du aber in den Spiegel schaust, sieht du einen schönen Schwan.“ Das Mädchen im Bild sei sie selbst. 

Korol ist wie auch Kateryna Velko aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Im Kurs „Heilsames Malen“ des Kölner Vereins ArtAsyl  malen sie, um zu verarbeiten. Velko habe dort einen Zufluchtsort gefunden: „Hier ist es wie ein Kraftplatz,“ sagt sie, „Ich kann zur Ruhe kommen. In meiner Wohnung habe ich dafür wenig Platz und Möglichkeiten.“

Kölner Verein Artasyl bietet Kurs für „Heilsames Malen“ an

Vor ihrer Flucht machte Velko in der Ukraine ihren Schulabschluss. In Deutschland möchte die 18-Jährige studieren. Dafür besucht sie fast jeden Tag einen Sprachkurs und bereitet sich auf ihre Hochschulzugangsprüfung vor. Dabei hilft ihr auch der Malkurs: „Ich kann hier Deutsch sprechen. Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt“, so Velko.

An einem Tag, als sie schlecht gelaunt war, malte sie ein Bild, das ihr gar nicht gefiel. Sie wollte es wegschmeißen. Doch Kursleiter Klaus Heilmann hielt sie davon ab. Er schlug vor, Teile des Bildes auszuschneiden und daraus ein neues Kunstwerk zu kreieren. So entstand Velkos Lieblingsbild. „Ich sehe, das gefällt mir nicht und am Ende habe ich doch so viel gefunden, was mir gefällt“, sagt sie strahlend. 

Unterbewusste Gefühle, Ängste und Anteile in den Bildern

Heilmann leitet den Kurs ehrenamtlich mit Walter Brandes. Der Kunsttherapeut arbeitete über 20 Jahre in der JVA Köln mit Gefangenen. Brandes ist pensionierter Kunstlehrer und Bildhauer. Die beiden ergänzen sich. Mit humorvollen Sprüche bringt Brandes die Teilnehmer zum Lachen und gibt fachliche Tipps. Heilmann stellt tiefgründige Fragen und begleitet durch emotionale Prozesse. 

„Das Bild kann ein Medium sein, um auf eine andere Gesprächsebene zu kommen. Das Unterbewusstsein setzt sich auf dem Bild ab“, sagt Heilmann, Innere Anteile, Ängste und Gefühle können sich im Bild zeigen und beim Malen auflösen, so Heilmann. Am Anfang und am Ende des Kurses verbringen sie ein paar Minuten in Stille. Die Teilnehmer sitzen in einem Kreis, schließen ihre Augen und kommen zur Ruhe. 

Ich kann hier hinkommen und so sein wie ich bin. Ich male einfach für mich.
Kateryna Velko, Kursteilnehmerin

Im Kurs geben Heilmann und Brandes keine Themen vor. Die entstehen von selbst, so Brandes. Wichtig sei Bewegung, um aus der Antriebslosigkeit oder Gedankenstrudeln rauszukommen, sagt Brandes. Aus diesem Grund bieten sie möglichst viele Werkzeuge an. Pinsel, Spachtel, Schwämme, Scheren, Schruber, Farben. Sie können auch im Stehen oder Gehen arbeiten.

Wenn es sich in den Bildern zeigt, sprechen sie auch über den Krieg. Der Kurs ersetze keine Therapie, schaffe aber einen geschützten Raum, in dem sie offen sein und alles zulassen können. Einmal fing eine Kursteilnehmerin an zu weinen, als sie Fliegerbomben in ihrem Bild malte, erzählt Brandes. „Wir können sie nicht therapieren, das machen sie miteinander“, sagt er. Die beiden sind fast immer da, auch an Feiertagen. „Wie so ein Opa, der immer auf der Bank sitzt“, scherzt Brandes.

„Auf einmal fangen sie an zu blühen. Ehrlich gesagt, ich habe so etwas noch nicht erlebt“, so der Kunstlehrer sichtlich gerührt. Mit der Zeit verändern sich die Farben in ihren Bildern, ihre Gesichtsausdrücke und auch die Kommunikation untereinander. Sie werden lockerer, lachen zusammen, sagt er. Einige kommen einfach, um sich zu unterhalten. „Es ist ein Ort der Kommunikation und des Austausches“, so Heilmann.

Die beiden möchten den Geflüchteten keinen Druck machen, deshalb planen sie auch keine Ausstellungen. Es zähle nicht das Ergebnis, sondern der Prozess. „Es ist schön einen Punkt zu haben, an dem es ist nicht um höher, schneller, weiter geht,“ sagt Brandes. Velko stimmt zu: „Ich kann hier hinkommen und so sein wie ich bin. Ich male einfach für mich.“


Der Kurs findet dienstags von 14 bis 17 Uhr im Werkraum des KIK im Hinterhof, Hamburger Straße 15, 50668 Köln, statt. Der Kurs richtet sich an geflüchtete Erwachsene aus allen Nationen. 

Der Verein bietet auch weitere Angebote an wie Kurse zum Handwerken für geflüchtete Kinder. Mehr Informationen unter: www.artasyl.de

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