Ein „Knast im Knast“So lebt Reemtsma-Entführer Thomas Drach im Hochsicherheitstrakt der JVA Köln

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Das Bildzeigt Thomas Drach beim Beginn des Hauptverfahrens vor der großen Strafkammer am Landgericht Köln im Februar 2022.

Thomas Drach beim Beginn des Hauptverfahrens vor der großen Strafkammer am Landgericht Köln im Februar 2022.

In Haus 4 des Gefängnisses in Köln-Ossendorf sitzen besonders gefährliche oder gefährdete Straftäter ein. Ein JVA-Beamter berichtet.

Jedes Mal, wenn Thomas Drach morgens aus dem Gefängnis zum Gericht gebracht wird, heißt es in der gesamten JVA in Ossendorf: „Flursperre.“ Das bedeutet: Alle 1200 Häftlinge müssen in ihrer Zelle oder an ihrem Arbeitsplatz bleiben, während mehrere Bedienstete den derzeit wohl prominentesten Gefangenen im Klingelpütz aus dem Hochsicherheitstrakt in Haus 4 zu einem anderen Hafthaus innerhalb der Anstalt bringen. Dort wird er von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei übernommen, zu einem Hubschrauber gebracht und zum Landgericht geflogen.

Auf den Fluren des Gefängnisses darf sich während seiner Ausführung niemand aufhalten, Angestellte ausgenommen. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, um einen Befreiungsversuch zu verhindern oder auch einen Angriff auf den 62-Jährigen durch einen Mitinsassen. „Sobald Drach im Hubschrauber sitzt, kommt das Signal 'Flursperre aufgehoben'“, berichtet ein JVA-Beamter, „dann ist alles wieder normal“ – ehe Drach am Nachmittag zurückkehrt und die Gänge erneut gesperrt werden, bis der mutmaßliche Geldtransport-Räuber und frühere Reemtsma-Entführer wieder in seiner Einzelzelle sitzt.

Das Bild zeigt die Fassade des Gefängnisses in Köln-Ossendorf.

In Haus 4 des Gefängnisses in Köln-Ossendorf sitzen besonders gefährliche oder gefährdete Straftäter ein.

Thomas Drach in der JVA Köln: Zugang zum Hochsicherheitstrakt nur mit speziellen Schlüsseln

73-Mal ging das bisher so, an jedem einzelnen Prozesstag. Erst kürzlich wurden 28 weitere Verhandlungstage terminiert, ein Ende ist nicht absehbar. In der JVA sind die Flursperren längst Routine. „Das dauert jedes Mal fünf Minuten, die Abläufe in der Anstalt stört das nicht“, sagt der stellvertretende Leiter des Klingelpütz, Ralf Peters. Doch wie lebt es sich im Hochsicherheitstrakt? Wo liegt der Unterschied zu einem normalen Hafthaus? Und wer landet überhaupt in Haus 4?

Schon der Zugang zu dem besonders gesicherten Bereich signalisiert: Irgendetwas ist hier anders – das sagt der JVA-Beamte, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum Gespräch traf und der nicht mit seinem Namen in der Zeitung stehen möchte. Der Weg ins Haus 4 führe durch eine Schleuse mit massiven Stahltüren auf beiden Seiten, erzählt er. Alles sei videoüberwacht. Das Schließsystem unterscheide sich von den übrigen Schlössern in der JVA. Weitere Einzelheiten sollen hier nicht verraten werden, nur so viel: „Man braucht spezielle Schlüssel, um in Haus 4 zu gelangen“, erzählt der Beamte.

Haus 4 macht einfach erstmal Eindruck, auch auf die anderen Gefangenen.
Bediensteter aus der JVA Köln

„Sobald ich aus der Schleuse durch bin, ist mir komisch. Ich bin hellwach, konzentrierter. Dabei ist das hier ja alles sehr sicher.“ Die wenigsten Gefangenen im Hochsicherheitstrakt seien aggressiv, sagt der Beamte. „Im Gegenteil, die meisten verhalten sich ruhig. Die Gefahr ist gering.“ Aber: „Haus 4 macht einfach erstmal Eindruck, auch auf die anderen Gefangenen.“ Wer dort untergebracht sei, werde von allen beäugt. „Denn der sitzt da ja nicht ohne Grund.“

Als eines von sechs der insgesamt 43 Gefängnisse in NRW verfügt die Kölner Anstalt über einen Hochsicherheitstrakt. Auf zwei Etagen gebe es ungefähr 40 Haftplätze, alles Einzelzellen, berichtet der Beamte. RAF-Terroristen wie Gudrun Ensslin und Andreas Baader haben hier gesessen, der Serienmörder Jürgen Bartsch (1946-1976), NSU-Terroristin Beate Zschäpe oder zuletzt vorübergehend der Boxer Felix Sturm. Längst nicht alle Insassen gelten als hochgefährlich. Viele sind zu ihrem eigenen Schutz in Haus 4 untergebracht – oder um den Anstaltsfrieden zu wahren, zum Beispiel um Streit und Provokationen mit anderen Häftlingen zu vermeiden.

Köln: Thomas Drach verletzte sich beim Gefängnis-Kick

Einen „Knast im Knast“ nennt der Beamte Haus 4. Die Häftlinge dürften prinzipiell fast alles, was andere Gefangene auch dürften, sagt Vize-Anstaltschef Peters – nur eben innerhalb des besonders abgeriegelten Hochsicherheitstrakts. Dort – und nicht im allgemeinen Besuchsraum der JVA – empfangen sie Besucher, sie dürfen mit anderen Haus-4-Insassen Fußball spielen, gemeinsam kochen und einen eigenen Kraftraum benutzen.

Auch Thomas Drach spielt gelegentlich Fußball. Zuletzt war er durch ein Foul eines Mithäftlings kurzzeitig transportunfähig, eine Brustprellung. Die Verhandlung gegen ihn konnte nicht wie vorgesehen fortgesetzt werden.

Die besonderen Sicherheitsvorkehrungen brächten den Insassen von Haus 4 aber auch Vorteile, berichtet der Beamte. „Wir sind da ja mit mehr Kollegen für weniger Gefangene zuständig, dadurch baut man eine engere Bindung zu den Häftlingen auf.“ Wegen des höheren Personalschlüssels würden zudem Anträge der Häftlinge oft schneller bearbeitet als das in anderen Hafthäusern mit mehr Gefangenen und weniger Bediensteten möglich sei.

Die tägliche Freistunde in Haus 4 findet auf einem von den übrigen Hafthäusern abgeschotteten Hof statt. Der sei aber in Köln nicht – wie in manch anderen deutschen Gefängnissen – mit einem Netz überspannt, um potenzielle Befreiungsaktionen mit einem Hubschrauber zu unterbinden, sagt Ralf Peters.

Nur wer als besonders gewalttätig oder besonders gefährdet gilt, wird in Haus 4 isoliert von den anderen untergebracht. Er darf dann keine Freizeitaktivitäten besuchen und muss die Freistunden allein verbringen. Der JVA-Bedienstete erinnert sich an einen Geiselnehmer, der wegen seiner Angriffe auf Justizbeamte berüchtigt war. „Bevor er seine Zelle verlassen durfte, musste er seine Hände und auch seine Füße durch eine Öffnung in der Tür rausstrecken, damit wir sie fesseln konnten. Die Handfesseln wurden dazu noch an einem Bauchgurt fixiert.“ Der Mann, so sagt es der Beamte, gilt in JVA-Kreisen bis heute als der „gefährlichste Verbrecher Deutschlands“. Der 64-Jährige sitzt inzwischen in einem Hochsicherheitsgefängnis in Ostdeutschland.

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