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„Kölner Drogenkrieg“Kronzeuge mit schusssicherer Weste im Zeugenstand

Lesezeit 3 Minuten
In dieser Villa in Rodenkirchen wurde das Paar aus dem Ruhrgebiet festgehalten.

In dieser Villa in Rodenkirchen wurde das Paar aus dem Ruhrgebiet festgehalten.

Der 24-Jährige wurde mit dem Helikopter eingeflogen und sagte zur Geiselnahme in der Rodenkirchener Villa aus.

Die Gewaltspirale des „Kölner Drogenkrieges“ mit Explosionen vor Wohn- und Geschäftshäusern, Entführungen und Raubüberfällen ist auch geprägt durch Intrigen und Verrat innerhalb einer Kalker Bande. In einem der derzeit drei laufenden Strafprozesse vor dem Landgericht sagte am Montag ein ehemaliges Mitglied der Gruppierung und jetziger Kronzeuge aus – und er nannte Ross und Reiter.

Köln: Hohe Sicherheitsvorkehrungen am Landgericht

Am Kölner Justizgebäude herrschte Alarmstufe Rot, wie man es sonst nur von dem Prozess um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach kannte. Polizisten mit Maschinenpistolen sicherten das Gelände und den Saaltrakt. Der Justizparkplatz wurde gesperrt und zum Helikopter-Landeplatz umfunktioniert. Gegen 8 Uhr wurde der Kronzeuge eingeflogen. Der Mann befindet sich in Untersuchungshaft.

Offenbar befürchteten die Behörden einen möglichen Anschlag auf den Zeugen, der in den Kreisen der Kalker Bande als Verräter gilt. Alle Zuschauer, die Saal 112 betreten wollten, wurden akribisch durchsucht; Polizisten kontrollierten und kopierten Ausweise. Als Wachtmeister den Zeugen in den Saal führten, fiel sein gepolsterter Oberkörper auf – der 24-Jährige trug eine schusssichere Weste.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Im Zeugenstand räumte der in Ostheim aufgewachsene Mann ein, im vergangenen Juli an der Geiselnahme eines Pärchens aus dem Ruhrgebiet beteiligt gewesen zu sein – das wurde verdächtigt, Drogen geraubt zu haben. Zwar habe der Mann die Opfer nicht verschleppt. Er habe aber zu einem späteren Zeitpunkt die Villa in Rodenkirchen betreten, in der die Geiseln festgehalten wurden.

Köln: Zeuge gab zu, Geisel mit dem Tod bedroht zu haben

„Ich wurde da hingeschickt“, sagte der 24-Jährige, laut seiner Aussage von einem hochrangigen Mitglied der Kalker Drogenbande. Da habe er noch von nichts gewusst. Als er unbedarft den Keller betreten habe, in dem sich die Geiseln befanden, habe er sich erschrocken. „Die Frau hat mein Gesicht gesehen“, berichtete der Zeuge. Da habe er der Geisel mit Klebeband die Augen zugeklebt.

Der Angeklagte Botan I. mit seiner Verteidigerin Julia Stab beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Der Angeklagte Botan I. mit seiner Verteidigerin Julia Stab beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Der Kronzeuge räumte ein, sich dann an den Misshandlungen beteiligt zu haben. Zwar habe er die männliche Geisel nicht körperlich attackiert – der Mann habe bereits schwer geblutet. Doch habe er diesem noch eine Pistole an den Kopf gehalten und gedroht: „Du wirst gleich Gott sehen.“ Als die entkräftigte Geisel einen Schluck Wasser bekam, habe er noch gesagt: „Du trinkst gerade Gift.“

„Heute weiß ich, dass das auch Gewalt war“, räumte der 24-Jährige ein. Er sei ein Täter in dem Geschehen, ganz klar. Der Mann wurde festgenommen, nachdem eine SEK-Einheit das Anwesen gestürmt hatte – nach einem Hinweis eines weiteren Mittäters, der zuvor geflohen war. In der Untersuchungshaft sitzend packte dann auch der 24-Jährige aus. Er belastete frühere Freunde.

Köln: Kronzeuge benennt Kopf der Kalker Drogenbande

Als Kopf der Kalker Bande benannte der Kronzeuge den ebenfalls in U-Haft sitzenden Sermet A. Den kenne er seit Kindheitstagen. A. habe früh begonnen, Drogen zu verkaufen und sein Geschäft immer erweitert. Eskaliert war der Drogenkrieg nach einer Lieferung von 700 Kilogramm Marihuana, die A. in einer Lagerhalle in Hürth aufbewahrt haben soll. 350 Kilo wurden der Bande gewaltsam geraubt.

Nicht belastet wurde der Angeklagte Botan I., dem Beihilfe vorgeworfen wird. I. soll den Geiselnehmern die Waffen überreicht haben. Zwar kenne er den Mann aus dem Umfeld der Bande, so der Kronzeuge, im aktuellen Geschehen sei er ihm aber nicht aufgefallen. Verteidigerin Julia Stab kündigte eine Einlassung ihres Mandanten an. Der Prozess wird fortgesetzt.