Leerstand, Umbau, NeuanfangWie sich Hohe Straße und Schildergasse in Köln verändern

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Five Guys Schlange draußen

Der Burgerladen Five Guys hat auf der Schildergasse eröffnet.

Köln – Die Zahl ist erst einmal erschreckend: 40 Prozent der Einzelhandelsgeschäfte in der Schildergasse und der Hohe Straße stehen entweder leer, werden zwischengenutzt oder gerade umgebaut. Besonders die Hohe Straße ist betroffen. Die Häuserzeilen sehen derzeit ein bisschen so aus wie ein löcheriges, schlechtes Gebiss.

Zuletzt sind noch mehr Leerstände dazugekommen. Die Douglas-Filiale wird geschlossen, weil die Marke ihren stationären Handel verkleinert. Und die insolvente Kette Promod ist schon ausgezogen.

Leerstand seit 2014

Seit längerem steht an der Ecke Brückenstraße die ehemalige Hallhuber-Filiale leer und gar seit 2014 das ehemalige „Silber Becker“-Haus. Und in der Schildergasse hat sich offenbar noch kein Nachmieter für die große Filiale von Karstadt Sports gefunden.

Hohe Straße Umbau

Umgebaut wird das ehemalige Esprit-Haus am Wallrafplatz, hier zieht der Juwelier Wempe ein.

Doch es gibt auch Lichtblicke: Das ehemalige Esprit-Gebäude am Wallrafplatz wird derzeit umgebaut. Hier wird der Juwelier Wempe einziehen und dafür sein bisheriges Domizil an der Ecke Schildergasse verlassen – wohl auch, um näher am Dom-Hotel und seinen kaufkräftigen Gästen zu sein, wenn es denn einmal fertig ist.

Ex-Benetton-Gebäude wird umgebaut

Auch der Interimsstandort der Luxusmarke Louis Vuitton, die vor kurzem in das Blaugold-Haus zurückgezogen ist, wird umgebaut. Hier soll ein „hochwertiger“ Nachmieter kommen.

Während die Zukunft der Ex-Räume von Karstadt Sports auf der Schildergasse ungewiss ist, stehen die Pläne für das Benetton-Haus schräg gegenüber fest: Es wird komplett umgebaut . Die Firma Bauwens richtet hier mit der Düsseldorfer Coinel Development GmbH ein Geschäftshaus mit mehr als 7000 Quadratmetern Mietfläche ein.

Benetton

Das ehemalige Benetton-Haus wird komplett umgebaut.

Die Fassade wird mit Naturstein völlig neugestaltet und wird sich in die Herzogstraße fortsetzen. Dadurch wolle man „eine deutliche Aufwertung des Straßenbilds“ erreichen.

Antoniterquartier wartet auf Eröffnung

Schon in der Sanierung befindet sich der Gebäudekomplex, in dem die Kette Super Dry zuhause ist – weshalb auch der Schriftzug „Liebe Deine Stadt“ von der Dachfläche verschwinden musste. Fertiggestellt und auf seinen Eröffnung wartend ist das Antoniterquartier mit zwei großen Gastronomiebetrieben – unter anderem einer „Extrablatt“-Filiale. Im Innenhof und auch vor der Antoniterkirche soll es wieder Außengastronomie geben.

An der Ecke zum Neumarkt schließlich baut die Sneaker-Firma Snipes, die ihren Sitz in der Schanzenstraße in Mülheim hat, eine Filiale in den ehemaligen Kämpgen-Räumen. Snipes ist schon mit zwei Läden in der City vertreten, vor denen sich wegen des angebotenen Abholservices auch im Lockdown kleine Schlangen bilden. Von der Kölner Traditionsfirma Kämpgen zum hippen, mittlerweile internationalen Sneaker-Laden – augenfälliger könnte der Wandel nicht sein.

Burgerkette eröffnet

Dazu passt auch, dass gegenüber im ehemaligen Domizil von Gerry Weber die US-Burgerkette Five Guys auf zwei Stockwerken eingezogen ist. Eröffnet wurde am 8. März – natürlich zunächst nur als Take-Away.

Es tut sich also etwas. Helmut Schmidt, Vorstandsvorsitzender von Stadtmarketing Köln, sagt: „Köln hat das Potenzial, um gut über die Krise zu kommen und sich zu verändern.“ Doch es sei noch viel zu tun. Zu lange habe man auf Billig-Billig gesetzt. „Das Ergebnis war eine hohe Besucherfrequenz, aber wenig Kaufkraft. Dabei kann Köln vor allem mit Kunst und Kultur punkten, aber das wird kaum vermarktet.“ Die Schaffung einer Via Culturalis, die zwischen dem Dom und der Kirche St. Maria im Kapitol Kulturhighlights miteinander verbindet und dabei auch über die Einkaufsmeilen führt, sei überfällig.

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Die Stadt sei außerdem viel zu unruhig und biete keine Plätze, auf denen man sich aufhalten und genießen kann. „Auf der Schildergasse ist seit 40 Jahren nichts passiert. Manchmal hat man den Eindruck, der Stadt komme es vor allem darauf an, dass genug Platz für den Rosenmontagszug ist.“

Dabei könne man mit relativ einfachen Mitteln zum Beispiel den Wallrafplatz bis hin zum Kolumba-Viertel gestalten, etwa durch Marktstände oder gepflegte Grünanlagen. Dazu lässt Stadtmarketing gerade wieder an der TH Köln Ideen entwickeln.

Schatteninseln, City-Ticket und Food-Festivals

Sarah Wiest studiert „Marktorientierte Unternehmensführung“ an der TH Köln und hat in ihrer 350-seitigen Masterarbeit Chancen und Herausforderungen für das Fortbestehen des stationären Einzelhandels analysiert. Als Praxisbeispiel diente dabei die Kölner City zu der unter anderem die hochfrequentierten Einkaufsstraßen Hohe Straße/Schildergasse zählen. Sie hat dafür unter anderem Interviews mit Einzelhändlern, Immobilieneigentümern und Passanten geführt – und daraus Handlungsempfehlungen entwickelt. „Einige davon sind zeitnah und kostengünstig umzusetzen. Das Potenzial ist auf jeden Fall da“, sagt die 30-Jährige.

Aufenthaltsqualität:

Passanten wünschen sich Sitzgelegenheiten, Schatteninseln und mehr Grün – Wien, als die lebenswerteste Stadt der Welt könnte hier als Vorbild dienen. Auch auf dem Wunschzettel: öffentliche Toiletten.

Parken/Erreichbarkeit:

Eine autofreie Innenstadt würde wesentlich zum Wohlbefinden der Passanten beitragen. Dafür müsste P+R-Plätze und öffentliche Verkehrsmittel attraktiver gestaltet werden. Wiest schlägt unter anderem ein kostenfreies City-Ticket und einen Citybus vor. Für die Rückfahrt zum P+R-Platz sollte ein Kassenbon ab einem bestimmten Einkaufswert als Fahrschein dienen.

Sauberkeit:

Eines der am häufigsten genannten Probleme. Wiest schlägt größere Mülleimer (mit separaten Bereichen für Pfandflaschen), verkürzte Reinigungsintervalle, eine direkte Entfernung von wilder Plakatierung und höhere Bußgelder vor, die wiederum in ein Sauberkeitskonzept investiert werden könnten.

Plätze aufwerten:

Dies kann zum Beispiel durch attraktive Marktstände und Food-Festivals geschehen.

Kölner City-Rundgang:

Durch eine gute Beschilderung mit digitalen Wegweisern sollten die Besucher durch die Stadt geführt werden, dabei sollten Kultureinrichtungen, Einkaufsstraßen und Gastronomie miteinander verbunden werden. Museen und Einzelhändler könnte gemeinsame Themenwochen veranstalten, Schaufenster könnten entsprechend gestaltet werden. Ein einheitliche Kölner-City-App könnte über die Aktionen informieren.

Was hat Zukunft in der City?

Der Einzelhandel hat in der Kölner City gute Chancen, so Wiest. Nach ihrer Auswertung sind es vor allem individuell geführte Boutiquen, Pop-up-Stores, Showrooms und Flagship-Stores, die gefragt sind. Traditionelle Fachgeschäfte werden ihren Platz künftig eher in den Veedeln finden.  

Statt aber auf kurzfristige Lösungen zu setzen, verfolge die Stadt Langzeitprojekte. Und am Ende tue sich nichts. Entscheidend sei auch, dass die Immobilienbesitzer einbezogen werden. Die seien – und das hat sich nach Erfahrung von Branchenkennern auch schon vor der Krise abgezeichnet – zu Mietsenkungen bereit. Was ebenfalls Hoffnung macht: Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage, die Köln Business – die Wirtschaftsförderungs-Tochter der Stadt – zwischen den beiden Lockdowns gemacht hat, bekommen Hohe Straße und Schildergasse immer noch gute Noten von den Passanten.

Die Innenstadtbesucher wünschen sich vor allem einen guten Mix aus Einzelhandel und Gastronomie. 40 Prozent gaben an, auch in die Stadt zu kommen, um in Restaurants und Cafés zu verweilen. Und sich nicht nur durch Geschäfte zu schieben – wie es vor der Pandemie einmal war.

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