KölschEin Obergäriges für Freidenker

Thomas Böll (v.r.), Günter Zabel und Till Riekenbrauck in der Ubierschänke
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Innenstadt – Es ist noch früh am Vormittag, und die Ubierschänke hat noch nicht geöffnet. Aber Günter Zabel, Thomas Böll und Till Riekenbrauck sind schon da und plaudern. Sie erzählen die Geschichte von ihrer „blonden Erfindung“, dem Böll-Bier, das ein Symbol sei für freiheitliches Denken und das sie jetzt endlich auch einmal in Flaschen abfüllen möchten. Sie erzählen von Haus Balchem, von der Suche nach einer eigenen Braustätte, von Schwierigkeiten mit der Bahntochter Aurelis, vom Ärger mit der Stadt Köln und von der Kneipenszene in der Südstadt überhaupt. „Irre, wie voll es hier manchmal ist“, sagt Günter Zabel.
Der 62-Jährige mit dem langen Zopf, der noch immer mit Begeisterung an die revolutionäre Stollwerck-Besetzung in den 80er Jahren denkt, ist fest verwachsen in der Kölner Kneipenszene. Er ist seit 18 Jahren Inhaber der Ubierschänke, Chef im Alcazar im Belgischen Viertel seit 28 Jahren und im fünften Jahr führt er das Gasthaus Linde im Agnesviertel. Zabel hat die Hoch-Zeiten der Südstadt-Kneipenkultur in den 70er und 80er Jahren erlebt, ebenso wie das Kneipensterben, das im Anschluss folgte. Er ist froh, dass „die Szene jetzt wieder lebendig ist“, wie er sagt. „Wir haben die Kurve gekriegt“, glaubt er.
Die Renovierung von Haus Balchem mit der barocken Fassade verzögert sich voraussichtlich bis Anfang 2015. Die Fertigstellung war ursprünglich für 2012 vorgesehen. Wegen einer „sehr schwierigen und ärgerlichen Zusammenarbeit mit der Stadt“ und wegen der sensiblen Bausubstanz des denkmalgeschützten Hauses sei es zu den kostenintensiven Verzögerungen gekommen, heißt es bei den Investoren. Allein auf die Einrichtung der Baustelle hätten die Bauherren mehr als ein halbes Jahr warten müssen. Acht Wohnungen für die private Nutzung entstehen während des Umbaus. Ins Erdgeschoss zieht die Stadtteil-Bibliothek ein, die dort seit 1970 ihren Sitz hat.
An den Plänen für den Umbau hatten der Architekt Peter Sandleben und die Baufirma Forstbach zuvor mehrere Jahre gearbeitet.
Der Erbauer des Hauses war Heinrich Deutz, er hatte 1676 eine Wirtschaft in dem Gebäude eröffnet. Die oberen Stockwerke dienten als Lager. 1943 wurde das Haus durch eine Fliegerbombe zerstört, 1957 bauten es die Kölner wieder auf und rekonstruierten die Fassade. Lange standen daraufhin die Räume leer, eine Weile beherbergten sie ein Wohnheim.
Die Ubierschänke ist eine traditionelle, urige Kneipe, wo es die hausgemachte Frikadelle für 1,80 Euro gibt und die Bockwurst für zwei Euro. Flachbildschirm-Fernseher, Wimpel von Fortuna Köln, ein- bis zweimal im Monat ein kleines Livekonzert. Generationsübergreifend wird gern Fußball geguckt, gemeinsam wird getrauert, gejubelt und auf jeden Fall gefeiert, manchmal bis fünf Uhr morgens, alles normal also.
Erste Idee vor 10 Jahren
Nicht ganz: Die Besonderheit der Eckkneipe ist ihr Böll-Bier. Die Kölsch-Sorte (1,40 Euro für 0,2 Liter) ist eine Erfindung von fünf Freunden, die schon immer einmal ein eigenes Bier herstellen wollten. Vor ein paar Jahren gründeten sie deshalb die Böll GmbH & Co. KG. Seit mindestens zwei Jahren wird ihr Bier in der Ubierschänke, im Alcazar und in der Linde ausgeschenkt. Es ist ein mildes Kölsch, schmeckt fast ein wenig süß und hat doch eine leicht feinherbe Note. Es sei geschmacklich angesiedelt zwischen Reissdorf und Päffgen, sagen Kenner. „Es hat eine eigene Persönlichkeit“, sagt Günter Zabel.
Die Gründungsmitglieder und Hauptgesellschafter sind Heiner Taubert, Günter Zabel, Stefan Peil, Thomas Böll und der Brauer Dieter Ritter, allesamt Kölner Bierliebhaber und Männer mit ganz unterschiedlichen Berufen. Peil saß für die Grünen noch bis vor kurzem im Rat, Böll ist Geschäftsführer der SPD-Fraktion beim Landschaftsverband Rheinland und Neffe des Schriftstellers und Kölner Ehrenbürgers Heinrich Böll. Zabel ist neben seiner Passion als Kneipier noch Kfz-Sachverständiger – und die treibende Kraft hinter dem Böll-Bier.
Früher habe er sich oft geärgert über die Bier-Preiserhöhungen der großen Brauereien, von denen auch immer die Kneipen betroffen sind. Vor zehn Jahren hatte er mit Stefan Peil erstmals die Idee, ein eigenes Bier zu brauen. Dieter Ritter, der eigentlich Lehrer ist, eignete sich die nötigen Braukenntnisse an. Und so entstand das Böll-Bier, von dem mittlerweile sogar mehrere Sondersorten existieren.
Dieter Ritter tüftelt gern an den Rezepturen. Die jüngste Schöpfung ist ein Helles. „Die Leute mögen unser Bier“, sagen die Böll-Leute, das zeige auch die Nachfrage. Der Traum wäre eine eigene Brauerei mit eigenem Ausschank. Das hatten die Privatbrauer von Anfang im Sinn. Geklappt hat es aber bisher noch nicht. Gebraut wird stattdessen bei Sünner in Kalk, freilich nach Böll’scher Rezeptur.
Suche nach geeigneter Braustätte
Ursprünglich hatten die Kölsch-Experten die Idee, im denkmalgeschützten Haus Balchem an der Severinstraße zu brauen. Thomas Böll, Stefan Peil, Günter Zabel und zwei weitere private Investoren haben die Immobilie vor zehn Jahren von der Stadt in Erbpacht für 99 Jahre übernommen. Eigentümerin bleibt die Stadt. Die Privatleute finanzieren den Umbau und die Restaurierung. „Im 17. Jahrhundert, war dort schon einmal eine Wirtschaft untergebracht“, sagt Thomas Böll. Es wäre wunderbar und sehr passend gewesen, dort erneut eine Brauerei-Gaststätte zu installieren. Das ist jedoch leider nicht möglich, denn in das Erdgeschoss wird nach den Bauarbeiten die Stadtteil-Bibliothek einziehen, Sie besitzt einen langfristigen Mietvertrag. Wegen der Restaurierung ist sie derzeit voraussichtlich noch bis Anfang 2015 ausgelagert.
Aufgeben wollen die fünf Böll-Gesellschafter ihre Suche nach einer geeigneten Braustätte deshalb aber noch lange nicht. Mit einer Halle in Ehrenfeld liebäugeln sie, aber das Gelände gehört der Bahntochter Aurelis. Und die habe ihnen ein „unverschämt teures“ erstes Angebot gemacht, meint Gastronom Zabel. Es soll aber weiter verhandelt und auch nach alternativen Räumen gesucht werden, so Till Riekenbrauck, der ihn beim Tagesgeschäft unterstützt.
„Wir stecken in den Anfängen fest“, sagt Zabel mit Bedauern, geht aber gleichzeitig davon aus, dass es bald klappen wird. „Es kann doch nicht sein, dass wir keinen Ort finden“, meint er. An der Böll GmbH & Co. KG sollen sich dann möglichst viele Anleger beteiligen. Das Interesse sei bisher recht groß gewesen. Dann könnte es das Böll-Obergärige auch in Flaschen geben. Bisher wird es nur auf Anfrage in Fässern und Pittermännchen geliefert. Die Flaschenabfüllung ist bei Bieren, die bei Fremdunternehmen produziert werden, zu teuer.
Der Name des Biers ist übrigens nicht angelehnt an Heinrich Böll. Der eigentliche Pate ist Clemens Böll – vormals Szenewirt in der Südstadt und ebenfalls ein Neffe des Autors. „Clemens war immer auch ein politischer Wirt“, meint Günter Zabel. Böll-Bier sei daher auch ein Synonym für freiheitliches Denken und ein politisches Statement – eher links, betont Zabel. Dass der Schriftzug von Böll-Bier grün gehalten ist, habe aber keinen politischen Hintergrund.
Ubierschänke, Ubierring 19, Telefon 0174-918 78 23 und 0221/ 32 13 82, Haltestelle Ubierring oder Chlodwigplatz. Geöffnet von 11 bis 2 Uhr morgens oder später.