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MietmarktVerdrängung befürchtet

Lesezeit 4 Minuten

Der Anno-Riegel war einst Teil der Stollwerck-Schokoladenfabrik. Der Großteil des Werks wurde durch Häuser mit Sozial- und Eigentumswohnungen ersetzt.

Innenstadt – Der Mieter, der aus einem der Hauseingänge tritt, hält ein Schreiben mit dem roten Logo der Stadt in der Hand. Er wohnt in einer der noch verbliebenen Sozialwohnungen im Rundbau gegenüber der Bottmühle. Vor kurzem hat der Eigentümer des Hauses gewechselt. Mit dem Schreiben, das er und seine Frau vor zwei Wochen erhalten haben, werden alle Bewohner informiert, dass auch der neue Eigentümer die Miete nicht erhöhen darf. Wie lange die Mietpreisbindung noch gilt, weiß der Mann nicht. „Um diese Sachen kümmert sich meine Frau“, sagt er. Mit seinen Nachbarn habe er wenig Kontakt.

Die Häuserzeile entstand 1987 durch den Umbau eines Teils der alten Stollwerck-Schokoladenfabrik und einen Neubau. Die Firma verlagerte die Produktion der Süßwaren auf die andere Rheinseite, und der Großteil der Fabrik konnte abgebrochen werden. Stattdessen baute man dringend benötigte Wohnhäuser – mitten in der Stadt. Das gesamte Viertel wurde in den 1980er Jahren umgekrempelt. Durch das Nebeneinander von Sozialwohnungen, Miet- und Eigentumswohnungen erhoffte man sich eine gemischte Bewohnerschaft. Bis heute finden sich die meisten Sozialwohnungen der Innenstadt im Severinsviertel (903) – mehr als ein Drittel aller öffentlich geförderten Wohnungen im Bezirk. Weil aber die Mietpreisbindung vieler Wohnungen in den vergangenen Jahren ausgelaufen ist, hat sich ihre Zahl stark reduziert. Gab es 2004 noch 3695 Sozialwohnungen in der Innenstadt, sind es heute gut ein Drittel weniger.

Mietpreisbindung fällt weg

Derzeit deutet wenig darauf hin, dass ihre Zahl in naher Zukunft wieder steigen könnte. Aus einer Statistik, die das Wohnungsamt vor kurzem der Bezirksvertretung Innenstadt vorlegte, geht hervor, dass bis 2022 die Mietpreisbindung für mindestens weitere 299 Wohnungen wegfallen wird (siehe Grafik). In der Innenstadt sind im Moment keine Pläne für neue Sozialwohnungen bekannt, heißt es in der Mitteilung. Die SPD-Fraktion hatte um die Daten gebeten.

Eine andere Bewohnerin des Rundbaus wohnt erst seit fünf Jahren im Stollwerck-Quartier. Früher waren die Mieten auch in ihrem Haus begrenzt, die Mieter brauchten einen Wohnberechtigungsschein. „Mein Partner und ich sind berufstätig“, sagt sie, „die Miete können wir uns leisten“. Der Eigentümer sei eine Privatperson, kümmere sich jedoch kaum. Den blauen Sockel an der Rückseite des Hauses habe sie mit den Nachbarn in Eigenregie gestrichen.

Wenn die Mietpreisbindung endet, dürfen die Vermieter schrittweise die Miete an die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt anpassen. Zwar hat der Rat mit großer Mehrheit beschlossen, dass in Baugebieten mit 25 Wohnungen und mehr 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum entstehen muss. Für die Innenstadt ist das sogenannte Kooperative Baulandmodell, das diese und andere Instrumente enthält und für bezahlbare Wohnungen sorgen soll, jedoch fast wirkungslos.

„Wir haben wenig Möglichkeiten, öffentlich geförderte Wohnungen für den Bezirk zu schaffen“, sagt Maria Kröger, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik. Sie hofft, dass durch die Schließung von Baulücken, das Aufstocken von Häusern und den Ausbau von Dachgeschossen ausreichend Wohnraum entsteht, um den Markt insgesamt zu entlasten.

Die Quote der öffentlich geförderten Wohnungen lag nach den Zahlen von 2012 bei 2,5 Prozent für den gesamten Bezirk Innenstadt. Von den Stadtteilen des Bezirks verzeichnet die Altstadt-Süd mit 5,6 Prozent den höchsten Anteil an Sozialwohnungen. Für die übrigen Stadtteile liegt der Wert zwischen 1,4 und 1,9 Prozent, für Köln insgesamt bei 7,5 Prozent. (phh)

Ihre Kollegin Anne-Luise Müller vom Stadtplanungsamt sieht die Lage ähnlich: „Wir haben fast keine Brachflächen mehr in der Innenstadt. Sie ist schon kompakt bebaut“, sagt sie. Zum einen kämen nur noch wenige Grundstücke für Großprojekte in Frage: Der Deutzer Hafen und Teile des Grundstücks der Fachhochschule seien unter Umständen noch geeignet für Bauvorhaben mit mehr als 25 Wohnungen. Zum anderen sei die Vorgabe nur wirksam, wenn ein Wohngebiet neu ausgewiesen werden müsse. In der Innenstadt bestehe jedoch zumeist schon geltendes Baurecht.

Amtsleiterin Müller sieht im hohen Anteil von Genossenschaftswohnungen einen wichtigen Faktor, der die Verdrängung von Geringverdienern, Alleinerziehenden und sozial schwachen Einwohnern aus dem Zentrum verhindert. „Ich sehe im Moment keine Entmischung“, sagt sie. Müller und Kröger verweisen jeweils auf die Pläne für das Gebiet des heutigen Großmarktes und seine Umgebung. Dort, wo der Grüngürtel bis an den Rhein verlängert wird, sollen bis 2025 1300 Wohnungen entstehen, ein Teil davon öffentlich gefördert – und unmittelbar angrenzend an die Innenstadt.