Museum in der Kölner AltstadtPuppen-Praxis lockt Kunden aus ganz Europa

Joyce Merlet (r.)Aber repariert Puppen von Kunden aus ganz Europa.
Copyright: Arton Krasniqi
- Joyce Merlets „Museum der Puppengeschichte“ in der Kölner Altstadt bietet Besuchern eine Reise in eine Zeit, in der Kinder sich noch nicht mit Computerspielen beschäftigen konnten.
- Die Inhaberin hat einen kuriosen Fundus an historischem Spielzeug angesammelt.
- Kundschaft kommt sogar aus dem Ausland, um Puppen reparieren zu lassen.
Köln – Regale, bis oben vollgestopft mit Puppen. Glasvitrinen, gefüllt mit Hunderten Spielfiguren und Plüschtiere, aus denen die Füllung quillt: Wer Joyce Merlets „Museum der Puppengeschichte“ in der Altstadt-Straße Unter Goldschmied betritt, taucht ein in eine Zeit, in der es noch keine Computer und Spielekonsolen gab. In der Kinder mit Zinnsoldaten und Käthe-Kruse-Puppen spielten statt Fifa und League of Legends.
Spielen die Kinder heute tatsächlich anders als früher? „Nein, die kleinen Kinder nicht“, sagt Joyce Merlet. Wenn sie nicht mit Puppen spielten, dann mit Plüschtieren. Aber: „Kinder kennen keine Märchen mehr.“ Sie würden die Figuren von Rotkäppchen, Schneewittchen und Co. nicht erkennen.
Auffällige Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen
Kinder schauten heute lieber Anime-Serien im Fernsehen, glaubt die 74-Jährige. Oder verbringen ihre Zeit mit Computerspielen, wie eine Studie der Krankenkasse DAK Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen zeigt. Rund 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren spielen regelmäßig Computerspiele wie Fortnite, Fifa und Minecraft.

Joyce Merlet (r.) hat in ihrem Laden in der Altstadt Spielzeug aus unterschiedlichen Epochen gesammelt.
Copyright: Arton Krasniqi
Auffällig ist dabei der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen: 90 Prozent der Jungen zocken gern, aber nur 50 Prozent der Mädchen. Auf Ratgeberseiten werden aber auch schon Apps für Kinder ab drei Jahren empfohlen. Dass der Nachwuchs auf den Smartphones und Tablets seiner Eltern herumpatscht, ist kein seltenes Bild mehr.
Kunden aus ganz Europa
Joyce Merlets Kundinnen und Kunden beweisen aber immer wieder, dass es auch anders geht. Sie kommen aus ganz Europa zu ihr, um ihre Puppen reparieren zu lassen. Rosemie Kempener (69) hat heute vier Puppen mitgebracht, die sie und ihre Schwester als Kinder geschenkt bekamen. „Die Kinder spielen immer noch damit“, sagt sie und meint damit ihre Enkelinnen. „Die holen sich die alten Sachen ja raus.“ Aber damit soll jetzt Schluss sein. „Jetzt werden die fertiggemacht, gut angezogen, und dann bleiben die sitzen.“ Ob es wirklich dabei bleibt, darauf will sie sich dann doch nicht festlegen.
Eigentlich wohnt Rosemie Kempener in London, aber sie verbindet den Besuch bei ihrer Familie in Bergheim mit einem Gang in die Puppenklinik. Puppe Edeltraut fehlen Haare und Augen, bei den anderen müssen die Gliedmaßen befestigt werden. Joyce Merlet notiert, was sie ausbessern muss.
„Was ramponiert ist, bespielt ist, was keinen Wert hat – das gefällt mir“
Ein Blick in den Nacken der Puppe verrät ihre Modellnummer. Manche Puppen sind so alt, dass es für sie keine Ersatzteile mehr gibt. Joyce Merlet kramt in ihrem Fundus an Augen herum und hat zufällig die passenden für Edeltraut da.
Hinten links in der Ecke des Geschäfts steht zwischen Regalen und Pappkartons voller nackter Puppenkörper der Arbeitstisch von Joyce Merlet und ihren Kolleginnen. Es riecht nach Reinigungsmittel, ein Puppenbein und eine Zahnbürste liegen auf dem Tisch herum. „Was ramponiert ist, bespielt ist, was keinen Wert hat – das gefällt mir“, sagt Joyce Merlet. Sie hält einen Plüschhund hoch, der fast auseinanderfällt. Von ihren Reparaturen soll später nichts zu sehen sein. „Das Wichtigste ist, dass der Kunde es wiedererkennt.“
In ihrem Geschäft hat sie etwa 2000 Puppen untergebracht. Die gebürtige Französin sammelt sie, seit sie 18 ist. Ihre älteste Puppe ist 200 Jahre alt, viele der Exponate wurden vor 1900 hergestellt. Sie sammelt auch „Spielzeuge aus der Not“, wie sie sie nennt: Puppen, die nach dem Krieg selbst zusammengeflickt wurden.
Und solche mit einer außergewöhnlichen Geschichte, wie die lebensgroße Wachsfigur eines Babys, die früher für Nonnen gemacht wurde, damit sie ihre Muttergefühle ausleben konnten. Aber auch Barbies, Mickey Mouse und Super Mario finden sich in ihren Regalen. Eine Lieblingspuppe habe sie nicht, sagt sie. Bei einem kleinen Teddy kann sie ihre Zuneigung dann aber doch nicht verstecken. „Das ist mein Pfiffi“, sagt sie lächelnd und schmiegt ihn an ihre Wange.