Plötzlich FraktionschefinDie Blitzkarriere einer Kölner Grünenpolitikerin

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 Julie Cazier ist seit kurzem Grünen-Fraktionschefin in der Bezirksvertretung Innenstadt.

Köln – Für ihre politische Blitzkarriere hätte Julie Cazier in manch anderer Partei sicher Jahre Hinterzimmer investieren müssen. Bei ihr ging alles ganz schnell. In der Sitzung am 10. Juni rückt sie für Maj-Britt Sterba als Mitglied der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt nach, am 3. August wählt die BV-Fraktion der Grünen sie zu ihrer Vorsitzenden. Ein Spaziergang mit der Aufsteigerin durch ihr Veedel, die Südstadt, entlang ihrer  neuralgischen Punkte. 

Julie Caziers Wiege stand in der Normandie

Dass sie als Chefin der mit acht von 19 Mitgliedern dominierenden Fraktion in der BV mal eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Kölner City spielen würde, hat man ihr wahrlich nicht an der Wiege gesungen. Die stand nämlich in der Normandie, erzählt Cazier beim Spaziergang durch die Südstadt, wo sie jetzt zu Hause ist.

Cazier ist zehn Jahre alt, als sie 1981 mit ihrer Mutter und deren zweitem Mann in das geteilte Westberlin zieht, wo der Kalte Krieg täglich spürbar ist. Nach dem Abitur studiert sie am renommierten Berliner Otto-Suhr-Institut Politikwissenschaften, erwirbt ein deutsch-französisches Diplom am „Institut d´études politiques de Paris“ in Internationaler Politik und Völkerrecht.

Public Affiars, oder: Kölner Klüngel

Cazier ist weiterhin Französin, die deutsche Staatsbürgerschaft hat sie nicht angenommen. Kann man dann trotzdem ein Mandat haben? „Ja, auf kommunaler Ebene. Und im Europa-Parlament.“ Ihre berufliche Karriere startet sie bei einer kleinen inhabergeführten Unternehmensberatung für Firmen und Verbände. Dort betreibt sie „public affairs“, laut Definition verkürzt also „die strategische Einflussnahme auf politische Entscheidungen“. In Köln nennt man das Klüngel.

Kurzzeitig Verlegerin, heute Politik-Lehrerin

Vor 23 Jahren zieht sie mit ihrem damaligen Mann, einem gebürtigen Rheinländer, in die Südstadt und bekommt zwei Kinder, die heute 19 und 23 Jahre alt sind. Während ihrer Elternzeit entdeckt die heute 49-Jährige ihr Interesse für Bildungsthemen und wagt mit dem Kinder- und Jugendbuch-Verlag „Tintentrinker“ den Sprung in die Selbstständigkeit, realisiert einige Ideen mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk und der Bundeszentrale für politische Bildung. Doch ihre teils anspruchsvollen Projekte wie beispielsweise der grafische Roman („Graphic Novel“) über die Münsteraner Wiedertäufer treffen den Massengeschmack nicht. Cazier gibt den Verlag auf und arbeitet heute  als Lehrerin für Politik.

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Erst seit zwei Jahren Parteimitglied

Vor zweieinhalb Jahren trat Cazier den Grünen bei. „Es reicht nicht, sich etwa wegen der Rechtspopulisten aufzuregen. Es geht jetzt um die Demokratie und die Zukunft des Planeten.“ Aber auch der Feminismus liegt ihr am Herzen. Sie ist sachkundige Einwohnerin im Ratsausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern.

Die Schwachstellen der Südstadt

Und jetzt macht sie Politik vor Ort. Zum Beispiel auf der Severinstraße, deren angedachte Sperrung zwischen dem Kartäuserhof und An St. Magdalenen sie verteidigt. „Politik heißt reden, reden und viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Cazier hält viel von dem Runden Tisch, der sich in Kürze erstmals in dieser Angelegenheit trifft.

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Überall stehen in der Südstadt abgestellte Räder im Weg.

„Wir müssen die Anwohner mitnehmen und Parkplatzprobleme lösen.“ Aber wenn die Erfahrungen gut sind, hält sie auch eine Ausweitung der autofreien Abschnitte für möglich. „Studien in vielen Städten ergaben, dass 90 Prozent der Einzelhandelsumsätze auf Menschen zurückgehen, die nicht mit dem Auto kommen.“

Weg mit den Bussen, her mit den Radwegen

Auf dem Chlodwigplatz müssten die Busse verschwinden. Die BV sei sich in der Sache einig, aber die Verwaltung blockiere die Verlegung der Buslinien. Auch dass man vom Chlodwigplatz mit dem Rad nicht direkt auf die Merowingerstraße fahren kann, „geht gar nicht“. Caziers Herzensangelegenheit für die kommende Zeit sind Fahrräder. Nicht die rollenden, es geht um die stehenden. Die nämlich sollten verschwinden von den Fußgänger-Allee-Wegen auf der Volksgarten-, der Roland- und der Teutoburger Straße. Von den Bürgersteigen sowieso.

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Öde Maternusstraße.

„Das Chaos in der Südstadt verstetigt sich, wir müssen endlich damit beginnen, den Platz für Autos, Radfahrer und Fußgänger neu und gerecht aufzuteilen.“ „Furchtbar“ findet Cazier die Maternusstraße. „Kein Baum. Alles viel zu eng. Autos, die auf den Bürgersteigen parken.“ Eines weiß die neue starke Frau in der BV Innenstadt aber auch: „In der Südstadt lebt man sehr privilegiert.“

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