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SamentauschbörseUmschlagplatz für Gartenfreunde

Lesezeit 4 Minuten

Tomatenpäpstin Adelheid Coirazza ist mit den Samen von 300 Sorten auf der Börse zu Gast.

Ehrenfeld/Innenstadt – Katinka ist weiß und wächst nicht so hoch. Ein junger Mann interessiert sich für sie. „Nimm du sie. Wir können dann später tauschen“, sagt ein zweiter. Er kann dafür die schwarze Sarah anbieten.

Die Rede ist von Tomatensorten. Die beiden sind bei der Samentauschbörse in den Räumen des Vereins für Arbeit und Qualifizierung (eva) in Ehrenfeld und stehen am Stand von Adelheid Coirazza. Die Lehrerin der Lise-Meitner-Gesamtschule in Köln-Porz zieht mit ihren Schülern Tomatenpflanzen aus aller Welt, historische Sorten und Raritäten. Unter dem Projekttitel „Tomatenadel“ kämpfen sie für Artenvielfalt. Zur Börse hat sie Samen von insgesamt 300 Tomatensorten dabei. Sie stecken in einem Meer aus feinsäuberlich beschrifteten Filmdöschen.

Vor dem Stand sind Fotos von verschiedenen Tomatenpflanzen zu sehen. Die jeweiligen Namen stehen daneben: Yellow Submarine sieht ebenso aus wie der Name verspricht, wie ein gelbes U-Boot. Die robuste Wildtomate Fuzzy Wuzzy eigne sich prima als Anfängertomate für Kinder.

Mit Fragen bombadiert

„Nein die schlesische Himbeere ist nicht besonders kälteresistent. Sie kommt zwar ursprünglich aus Polen, war aber zwischenzeitlich in den USA“, erläutert die Tomatenexpertin. Die Besucher der Samentauschbörse bombardieren sie mit Fragen. „Adelheid Coirazza ist die Tomatenpäpstin“, sagt Jessica Steinhoff. Sie zieht Tomaten auf ihrem Dachgarten. „Letztes Jahr hatte ich eine ganz schlechte Ernte. Jetzt möchte ich wissen, was ich falsch gemacht habe“.

An der Tomatensorte, da ist sich Coirazza sicher, liege es auf jeden Fall nicht. „Da muss man einfach hoffen, dass das Wetter mitspielt“, erklärt die Fachfrau. Denn wer Tomaten zieht, braucht viel Sonne und ein wenig Leidenschaft. Leicht kann das Wetter die Ernte verhageln.

Das Netzwerk Urbanes Grün Köln (NUGK) veranstaltet die Samenbörse regelmäßig, aus einem ganz bestimmten Grund: „Saatgut ist Kulturgut. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben und hat sich regional angepasst“, so steht es auf der Homepage des Netzwerks. Im Handel finde man eher Hybrid-Saatgut, das seine Qualitäten oft nicht weiter vererbe oder gar nicht keime und deswegen immer wieder neu beschafft werden müsse, ist dort weiter zu lesen. „Mehr als 75 Prozent aller Kulturpflanzen aus dem Jahr 1900 sind laut Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO heute unwiederbringlich verschwunden“, beklagt Birgit Scherer vom NUGK. „Wir möchten die Pflanzenvielfalt erhalten“, betont Mitstreiterin Ute Becker.

Das Netzwerk Urbanes Grün Köln (NUGK) im Haus der Architektur Köln (hdak) ist ein Zusammenschluss von folgenden Initiativen und Akteuren: Neuland e.V., Obsthain Grüner Weg – Gemeinschaftsgarten in Ehrenfeld, Pflanzstelle, Gartenglück-Buchheim, Gartenglück-Hochkirchen und dem Gartenglück-Weiden. Sie verfolgen gemeinsame Ziele wie Naturschutz und Erhaltung der Arten, die Begrünung des Stadtgebiets und städtische Agrikultur.

http://www.nugk.de

In gleicher Mission ist auch Martin Meusel vom Bund für Umwelt und Naturschutz bei der Pflanzenbörse unterwegs. Einen großen Pappkarton trägt er wie einen Bauchladen vor sich, prallvoll gefüllt mit kleinen Papiertütchen, in denen Pflanzensamen stecken. Meusel möchte bei der Tauschbörse gerne viele Samen unter das Volk bringen. „Das ist autochthones Saatgut, also von Pflanzen, die in der Kölner Bucht heimisch sind“, erzählt er. Er möchte zu ihrer Erhaltung beitragen und hat eine Seltenheit dabei: „Das sind Samen von der Schwanenblume, der Staude des Jahres 2014. Sie ist besonders gefährdet“, so Meusel stolz.

Heimische Bohne besser angepasst

Schlicht Bohnenkerne sind am Stand des Vereins Neuland zu haben. Doch sie sind etwas besonderes, nämlich sehr alte Sorten. „Die Bohne von Oma Erna aus dem eigenen Garten ist ein genetischer Schatz und viel mehr wert als jede Supermarkt-Bohne. Sie ist der heimischen Region deutlich besser angepasst“, schwärmt Britta Eschmann von der Rheinischen Gartenarche, ein Projekt des Neuland e.V. Mit Raimund Günstig ist sie auf der Suche nach Paten für die altmodischen Bohnen. Wer eine Samenpatenschaft übernimmt, muss sie nicht kaufen oder tauschen, sondern erhält sie umsonst gegen die Verpflichtung, die Pflanze zu ziehen und auf Nachfrage wieder Samen zu spenden.

Wolfram Kunick, Gärtnerei-Inhaber im Ruhestand, hat Samen einer äußerst wunderlichen Pflanze mitgebracht, wie eine Zeichnung des Künstlers Leonardo Da Vinci verrät, die ebenfalls auf seinem Stand ausliegt. Sie zeigt buschige Zweige mit kleinen Kügelchen daran, wie sie sich auch im Glas daneben befinden. „Das ist Hiobstränengras. Daraus wurden früher Rosenkränze gemacht“, sagt Kunick. Agathe Jankowksi verliebt sich sofort in das seltsame Gewächs.

Dafür spendiert sie Wolfram Kunick Samen von der Riesensonnenblume. Die leuchtet sehr schön gelb, wächst richtig hoch und eignet sich allerbestens für das Hobby der jungen Ethologin: Sie betreibt Guerilla Gardening und bepflanzt gerne Beete an öffentlichen, sonst oftmals sehr grauen und tristen Plätzen.