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Veedelsspaziergang mit Paul BöhmMit Architektengespür durch die Kölner Südstadt

Lesezeit 6 Minuten

Architekt Paul Böhm wuchs in Köln-Weiß auf, lebte in Wien und New York, bevor er sich in der Südstadt niederließ

Innenstadt – Wir treffen uns im „Café Dialog“. „Endlich mal ein griechisches Restaurant, das nicht Poseidon, Sokrates oder Delphi heißt. Außerdem ist die Küche weit entfernt von Gyros mit Tsatziki und Krautsalat“, sagt Paul Böhm. Die griechische Taverne ist sein Lieblingsgrieche. Schräg gegenüber liegt das „Massimo“, ein Italiener, der eigentlich nur ein Imbiss ist mit eng gestellten Tischen. „Dort geht es familiär zu, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.“

Erdgeschoss zum Heulen

Empfehlungen von prominenten Kölnern werden immer gern gelesen, aber ein Gang durch die Südstadt mit einem renommierten Architekten sollte auch die Chance bieten, ein Kölner Veedel mit den Augen eines Fachmanns zu betrachten.

„Das Haus rechts vom Massimo ist eine Katastrophe: Oben eine schöne Fassade und das Erdgeschoss zum Heulen. Diese Fliesen, dieses gesichtslose Ladenlokal. Da hat jemand nicht viel Sinn fürs Ganze gehabt. Sehr beliebt in Köln sind leider auch Garagen, die die gesamte Hausfront einnehmen. Bausünden, die aber problemlos behoben werden könnten. Die Stadt müsste nur die Verpflichtung aufheben, dass Hausbesitzer Parkraum schaffen müssen. Statt der Garagen könnten sich dort Läden, Werkstätten oder Künstlerateliers einmieten.“ Böhm bleibt vor dem Schaufenster „Antik-Möbel“ in der Alteburger Straße stehen: „Allein der Blick in so eine Werkstatt, das hat Flair, macht neugierig.“

Wo Paul Böhm bereits gelebt hat und warum er nicht mehr in sein Heimat-Veedel zurückkehren konnte, lesen Sie im nächsten Abschnitt.

Paul Böhm wohnt seit 22 Jahren in der Südstadt, aufgewachsen ist er in Weiß, unmittelbar am Rhein. Sein Arbeitsplatz liegt in Marienburg, im Haus seiner Großeltern. „Nach dem Studium in Berlin und Wien habe ich ein Jahr in New York gelebt. Danach zurück nach Weiß, zurück in die Peripherie – das wäre nicht gegangen.“

Böhm, 1959 in Köln geboren, ist eines von vier Kindern des Architekten und Pitzker-Preisträgers Gottfried Böhm. Zu seinen bekanntesten Bauten in Köln zählt die Pfarrkirche St.Theodor in Vingst und die Zentral Moschee in Ehrenfeld. Er ist verheiratet mit der Mode Designerin Heike Deus-Böhm und hat zwei erwachsene Kinder.

In der Südstadt fehlt ein Wochenmarkt

Vom Ubierring geht es Richtung Chlodwigplatz. Böhm erzählt, dass er früher regelmäßig zum Großmarkt an der Bonner Straße fuhr und dort kistenweise Orangen, Äpfel und frisches Gemüse einkaufte. Damals wie heute fehle in der Südstadt ein vernünftiger Wochenmarkt. „Vor der Severinstorburg müsste was passieren. Architektonisch ist der Platz im Übrigen eine Wüste.“ Es sei immer leicht zu lästern und zu schimpfen, man könne auch durchaus mal loben.

„Toll finde ich, dass der Chlodwigplatz sich völlig unerwartet zu einem belebten Ort entwickelt hat. Meistens hängt so eine plötzliche Vitalität von ganz wenigen Dingen und Personen ab. Die beiden neuen Kneipen, Café Kult und Meister Gerhard, geben den Pulsschlag an.“ Die Bonner Straße scheint nach dem jahrelangen Baustellenchaos wieder aus dem Koma zu erwachen. Die Bürgersteige sind voll, das kulinarische Angebot ist bunt – asiatisch, türkisch, italienisch, österreichisch.

Ob Paul Böhm wirklich Kölsch verstehen und sprechen kann, lesen Sie im nächsten Abschnitt.

„Das Veedel ist vielfältig, alle Schichten sind vertreten, ob Intellektuelle, Arbeiter, Ausländer oder Eingeborene. Auch wenn ich das kölsche Idiom sprechen und verstehen kann, passiert es, dass ich so manches Gespräch nicht auf Anhieb verstehe. Hier gibt es noch Kölsch in Reinform“, sagt der Kölner Architekt und entschuldigt sich fast für seine nächste Meckerei. „Die Bonner Straße hat nach dem Bau gewonnen, aber die Bäume, die da gepflanzt wurden, die sind spiddelig und viel zu klein.“

Handwerker wertgeschätzt

In der Darmstädter Straße stoppt Böhm vor dem Haus mit der Nummer 7. Das alte Handwerkswappen verrät, dass sich hinter den schummrigen Schaufenstern eine Schuhmacherei befindet. „Ein echter Handwerksbetrieb, reiner Schuhmacher, ohne Schlüsseldienst, Handytaschen oder sonstige Dinge.“ Der Bistrotisch samt Sonnenschirm auf dem Bürgersteig erweckt den Eindruck, dass man hier auf die Reparatur eines gebrochenen Absatzes gemütlich warten kann.

Welches kleine Bistro Böhm gerne besucht, lesen Sie im nächsten Abschnitt.

Böhm ist schon vorgegangen und verschwindet in dem kleinen Bistro „Á la Tarte“. „Hier gibt es den besten Kuchen von Köln, der Zitronenkuchen ist immer super. Er schmeckt, wie ich es aus meinem Elternhaus kenne, einmalig in Köln, vielleicht auch in Deutschland.“ Der bislang sehr zurückhaltende Paul Böhm kommt aus dem Schwärmen nicht heraus: „Man kann die Kuchen auch auf die Hand mitnehmen, aber es ist toll, hier zu sitzen, die Räume sind wunderschön, mit alten, freigelegten Deckenmalereien und antiken Fliesen, sehr schlicht eingerichtet, fast puristisch.“

Offenheit als Erfolgsrezept

Die Besitzerin, Marion Malaka, steht seit dreieinhalb Jahren in der Küche und backt täglich zehn, am Wochenende bis zu 30 verschiedene Kuchen. „Ich rühre alles selbst hier in der Küche und backe die Kuchen in zwei alten Öfen, offen und sichtbar für den Kunden.“ Wir erreichen jetzt einen der zahlreichen Kreisverkehre in der Südstadt.

An der Ecke Alteburger, Teutoburger, Darmstädter Straße liegt der Blumenladen von Reinhard Kreuser. Obwohl Paul Böhm hier regelmäßig einkauft, weiß der Blumenhändler nicht, wer dieser Mann mit der runden Brille wirklich ist. Dabei lief über den Architekten der Kölner Moschee und seine Familie kürzlich der Dokumentarfilm „Die Böhms – Geschichte einer Architektenfamilie“ über die Kinoleinwand.

Der Preis der Berühmtheit

Böhm nimmt es mit Humor. „Vor dem Ärger mit der Ditib und der damit verbundenen Presse lebte ich weitgehend inkognito in der Südstadt. Als die Sache mit der Moschee hochkochte, da wurde ich beim Italiener schon angesprochen, wie es jetzt mit dem Bau weiter ginge. Ich glaube, so viel Anonymität wäre in Weiß nicht möglich.“

Warum Paul Böhm Mittelwege gerne mag, lesen Sie im nächsten Abschnitt.

Geliebter Mittelweg

Wir gehen durch die Teutoburger Straße in Richtung Römerpark. „Ich finde diese Straßen, in denen es einen Mittelgehweg gibt, sehr großstädtisch. Im Zuge der Stadterweiterung im 19. Jahrhundert hat Josef Stübben die wichtigen Straßen immer mit diesem grünen Mittelweg versehen. Das hat eine unheimliche Qualität. Das sollten die heutigen Stadtplaner sich zum Vorbild nehmen.“

300 Meter weiter das Eierplätzchen. Ein Oval, hier treffen gleich sechs Straßen aufeinander. „Das ist eigentlich das Zentrum der Südstadt. Im Sommer spielt hier spontan die Eierplätzchen-Band, eine lockere Verbindung von Musikern. Schade nur, dass die Mitte des Platzes von einer schrecklichen Lampe mit dem Charme der DDR-Grenzanlagen verunstaltet wird. Ein Unding. Das wäre doch ein idealer Platz für einen Brunnen.“

Café Dialog

Alteburger Straße 26

Massimo Rosticceria

Alteburger Straße 41

Schuhmacherei Cordes

Darmstädter Straße 7

A la Tarte

Darmstädter Straße 19

Flowerpoint

Alteburger Straße 54

Wir spazieren jetzt durch den Römerpark vorbei an dem imposanten Bauwerk der Fachhochschule, wo Böhm Professor an der Fakultät für Architektur ist, in Richtung Südbrücke „Der Rhein ist für mich das Herz von Köln. Der Fluss macht aus der Stadt etwas Besonderes. Der Dom ist zwar durch seine Monumentalität ein Hingucker und markiert die Mitte der Stadt. Aber eigentlich ist er kein besonders hochwertiges Beispiel gotischer Architektur. Groß St. Martin und St. Gereon finde ich architektonisch interessanter. St. Severin, quasi meine Veedelskirche, ist leider unsensibel kaputt saniert worden, vielleicht gelingt es im zweiten Anlauf besser.“

Keine Kritik an Moschee

Bei so viel Kritik drängt sich geradezu die Frage nach dem Standort der Moschee auf, die Böhm gebaut hat. „Aus meiner Sicht passt es. Sie steht an der Straße und nicht auf der Wiese. Die Mantelbebauung orientiert sich an der Umgebung, an der Höhe der Gebäude der Venloer Straße. Das städtebauliche Prinzip ist, dass das Gewebe der Stadt eine einheitliche Struktur haben soll, wobei die Bauten mit gemeinschaftlichen Nutzungen daraus wie Diamanten als Sonderbauten herausstechen sollen: Das sind der Gebetsraum mit den Minaretten.“