„I’m Losing My Best Years“Kölner „Pusher Tony“ verarbeitet Emotionen in seiner Kunst

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Der Ehrenfelder Künstler Anton Althoff in seinem neuen Atelier in Bickendorf.

Köln – Der Schriftzug „I’m Losing My Best Years“, aufgeklebt auf einer grauen Wand im Kölner Veedel Ehrenfeld, zwischen einem orangenen Fuchs in schwarzer Short, einem Männerkörper im Anzug mit Giraffenkopf und Hörnern und vielen anderen bunten Gestalten. Doch nur der schwarze, unterstrichene Schriftzug auf weißem Papier bleibt auch nach dem Weitergehen im Kopf, wer verliert seine besten Jahre?

Es ist der Ehrenfelder Künstler „Pusher Tony“, der sich mit seiner Kunst an der Wand verewigt hat. Sein Markenzeichen: Eben die schwarzen Schriftzüge auf weißem Papier, mit denen er den Menschen einen Einblick in seine Gefühlswelt gibt und die mittlerweile in ganz Köln zu finden sind. Als interdisziplinär beschreibt Anton Althoff, wie er mit richtigem Namen heißt, seine Kunst. Er ist in vielen Bereichen der Kunst tätig, von T-Shirts bedrucken bis Malen, aber auch kleine Videos produzieren oder Geschichten schreiben.

Kunst-Arbeiten für viele lokale Unternehmen in Köln

„Das ist das Schöne an meiner Kunst, sie ist so vielfältig. Das einzige Limit bin ich selbst“, sagt der 24-Jährige, der sein Hobby aus der Kindheit zum Beruf gemacht hat. In Köln arbeitet er mit vielen lokalen Unternehmen zusammen, hat unter anderem schon Tassen, Postkarten oder Anleitungen für Instant Coffee der Kölner Kaffeerösterei „Van Dyck“ gestaltet, einen großen Skorpion für den Nachtclub „Helios 37“ gezeichnet oder seine Kunst auf die Schaufenster des Keramikladens „ono mao“ in Ehrenfeld geklebt.

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Anton Althoffs Markenzeichen: Die übergroßen Schriftzüge.

Vor knapp fünf Jahren hat er den sehr wiedererkennbaren Stil für sich entdeckt, da war Althoff 19. Davor war er sechs Jahre lang ein klassischer Graffiti-Sprayer, wie er selbst sagt. „Das war mir irgendwann zu einseitig und ich wollte, dass meine Kunst vielfältiger wird“, sagt Althoff. „Und ich konnte auch einfach keine Buchstaben mehr sehen.“

Schwarze Schriftzüge als „Ausdruck der Verzweiflung“

Er begann Motive auf ein weißes DIN A4 Blatt zu zeichnen, diese mit einem Projektor zu vergrößern, mit einem Pinsel und schwarzer Farbe auf ein größeres Papier zu malen und mit Kleister an Wände zu kleben. Erst in Ehrenfeld, dann in ganz Köln. Zeitgleich entdeckte er sein Interesse für den Siebdruck und druckte seine Kunst auch auf Pullover und T-Shirts, die er verkaufte. Die Buchstaben holte er aber relativ schnell wieder in sein Repertoire zurück. „Menschen lieben Sprüche und Statements“, sagt er. „Und ich glaube das ist das, was von meiner Arbeit mittlerweile am sichtbarsten ist.“

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Sichtbar aber eben nicht nur auf den Flächen Kölner Ladenlokale, sondern auch andernorts. Der Schriftzug „I’m Losing My Best Years“ zum Beispiel, der für den 24-Jährigen „ein Ausdruck der Verzweiflung“ war, sagt der junge Künstler im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Seine Schriftzüge hängen in ganz Köln.

Anton Althoff war mitten im aufregenden Leben seiner 20er Jahre, als die Corona-Pandemie die ganze Welt überrollte. Rund 18 Monate später fand sich der Künstler in einem für ihn neuen Leben wieder. „Plötzlich habe ich einen Zeitsprung gemacht, bin Mitte 20 und so hatte ich mir die Jahre eigentlich nicht ausgemalt.“

Der Kölner hatte das Gefühl, dass er Zeit verliert, seine vielleicht beste Zeit. Genau aus solchen Emotionen heraus entstehen dann die für „Pusher Tony“ bekannten Schriftzüge. Damit will er die Gedanken seiner Generation aufs Papier bringen.

Alltag, Emotionen und 1980er als Inspiration

Neben emotionalen Momenten ist der Alltag, wie bei so vielen Künstlern, die Muse von Anton Althoff. Er lauscht Gesprächen, schnappt interessante Sätze und Ausdrücke auf, macht sich überall Notizen von den Eindrücken des Tages. „Das sind dann Phasen, in denen ich lange und viel aufsauge, aber wenig produziere“, sagt der 24-Jährige. Oft seien die Umsetzungen dann ein Flickenteppich aus verschiedenen Emotionen.

Zum Flickenteppich seiner Impulse gehören somit auch die Kunstszene der 1980er Jahre in New York. Aber weniger deren Kunst, sondern vielmehr deren Lebensweisen. „Ich finde zum Beispiel die Arbeitsweise von Andy Warhol sehr interessant. Er hatte einen unglaublichen Drive und ich mag es, wenn man Leute an seiner Kunst partizipieren lassen kann.“ Deswegen organisiere er selbst oft und gerne Kunst-Events.

Skelette und Stuck-Fassaden als neues Projekt von „Pusher Tony“

Anton Althoff sitzt in einem abgenutzten senfgelb-farbigen Sessel in seinem mittlerweile alten Atelier in Zollstock, als er über seine Quellen der Inspiration spricht. Anders denken, gesellschaftliches Verhalten hinterfragen, träumen – all das macht den Ehrenfelder Künstler aus und spiegelt sich auch in seinen Werken wider.

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Mit dem Motiv der liebenden Skelette will der Künstler an die Vergänglichkeit erinnern.

Mitte März ist Althoff spontan umgezogen, in ein neues Atelier in Bickendorf. Dort will er jetzt an weiteren Projekten arbeiten – auch ohne Schriftzüge. Im Fokus seiner Arbeit stehen derzeit auch Skelette, die sogar schon ein Veranstaltungsplakat des Artheaters zierten. „Skelette haben ein böses altes Ego“, sagt Althoff, das fasziniere ihn einfach.

„Mit den liebenden Skeletten die sich umarmen zum Beispiel will ich daran erinnern, dass alles vergänglich ist, die Liebe, Gefühle.“ Ein weiteres Motiv, das es in das Repertoire des 24-Jähigen geschafft hat sind Stuck-Fassaden. Denn die Massentauglichkeit, die seine Schriftzüge mit sich bringen, störe ihn manchmal selbst.

Ganz aufgeben wird er die einprägenden Sätze aber nicht. Ein Neuer hat es schon an viele Kölner Fassaden geschafft: „Deleting My Mental Health To Focus More On Social Media.“ Eine Kritik an die Gesellschaft im Umgang mit Instagram und anderen Sozialen Medien. „Für mich ist Social-Media eine sehr große Hass-Liebe“, sagt Althoff und beschreibt damit seine gegensätzlichen Gefühle, die er in seiner Kunst verarbeitet.

Die Nutzung von Instagram berge für den 24-Jährigen ein zu hohes Suchtpotenzial. „Ich glaube, dass es vielen Menschen besser gehen würde, wenn sie Instagram und Co. weniger konsumieren würden. In meiner Kunst versuche ich damit zu spielen und will den Leuten auch einen kleinen Reminder geben.“

Und vielleicht auch sich selbst, denn das Paradoxe bei Althoff: Auf der einen Seite wird er von den Inhalten auf der Social Media Plattform inspiriert, „aber gleichzeitig geht bei zu viel Inspiration meine Kreativität verloren.“ Aber Instagram zu löschen ist auch keine Möglichkeit, denn er ist, wie so viele andere Künstler, mittlerweile abhängig davon.

Seine meisten Aufträge flattern als Direkt-Nachricht in sein virtuelles Postfach ein. Seine Kunden sehen seine Kunst auf den Kölner Straßen, machen sich ein zweites Bild auf Instagram und schreiben ihm dann. In Zukunft, so hofft er, wird sich das ändern. „Ich möchte ein eigenes Ladenlokal, ohne Internet und Flugblätter verteilen. Meine Kunden könnten mir Briefe schreiben und Aufträge geben.“

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Der Kölner Künstler Anton Althoff will mit seinen Schriftzügen auf gesellschaftliche Themen aufmerksam machen.

Ein Luxus, von dem der 24-Jährige träumt. Zum Teil hat der junge Künstler diese Vision auch schon in seinem Künstlernamen verinnerlicht. Denn Pusher bedeute im Deutschen Händler und Althoff möchte, so sagt er selbst, seine Kunst unters Kölner Volk bringen. „Wenn ich Bilder verkaufe, bringe ich sie meinen Kunden noch persönlich vorbei“, sagt er. Ein bisschen erinnere er sich damit selbst eben an einen Dealer, einen Kunst-Dealer.

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