Wohnung auf Vordermann bringenAufräumen mit der Kölner Marie Kondo

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Jede Menge Töpfe holt Jasmine Dünker (l.) aus den beiden Schubladen. Am Ende bleibt von jeder Größe nur einer.

  • Die Kölnerin Jasmine Dünker ist bei der Aufräum-Ikone Marie Kondo in New York ausgebildet worden ausgebildet worden und coacht ihre Kunden beim Ausmisten. Manchmal findet sie 15 Flaschenöffner in einem Haushalt.
  • Dünker hat die Erfahrung gemacht, dass die Konmari-Methode oft einiges im Leben ins Rollen bringt. Und dass Papiere „ein weibliches Problem-Thema sind“. Nicht selten fließen Tränen beim Aufräumen.
  • Lesen Sie in dieser Geschichte, wie Dünker bei ihren Kunden vorgeht – außerdem erklärt sie die wichtigsten Tricks für gründliches Ausmisten.
  • Aus unserem Archiv.

Köln – „Bleibt er oder geht er?“ Es ist die entscheidende Frage, die Marie-Kondo-Consultant Jasmine Dünker stellt, während sie den „Schneidboy“, einen Retro-Klassiker aus den 1970ern, in der Hand hält.

„Aber der schneidet alles“, hebt die Kundin zur Verteidigungsrede an. „Und? Hat er konkret mal was geschnitten?“ Die Kundin grinst ertappt. „Nein, noch nie. Aber er ist ein Erbstück meiner Oma.“ – „Hast du sonst noch was, das dich an deine Oma erinnert?“ – „Ja, der kleine rote Topf. An dem hänge ich wirklich.“ Damit ist klar: Der Schneidboy geht, der rote Topf bleibt – drittes Marie-Kondo-Prinzip: Behalte nur das, was dich glücklich macht.

Das dritte Konmari-Level: Küche und Bad

Tapfer legt die Kundin den Boy auf den Berg der ausrangierten Küchenaccessoires: Neben Mozzarellaschneider, Berge von Töpfen und Weinausgießer, Brotzeitbrettchen und Tombola-Gewinne vergangener Jahre.

Für Simone Groß (40) ist heute der dritte Konmari-Level dran: Küche und Bad. Begeistert erzählt die Kundin, die sich als „leidenschaftliche Sammlerin“ bezeichnet, von ihren ersten Aufräumerfolgen.

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Nach dem Aufräumen ist wieder mehr Platz in der Küche.

Beim Thema Kleidung hat sie fünf riesige Müllsäcke Klamotten aussortiert und „bis heute kein einziges Stück vermisst“. Alles, was übrig ist, findet sich nach Farben aufgereiht im Schrank. Gefaltet nach dem Marie-Kondo-Prinzip – stehend und alles auf einen Blick. „Ich spüre riesige Erleichterung, seit ich aufräume.“

„Marie-Kondo ist nicht Minimalismus, sondern Reduktion auf das, woran mein Herz wirklich hängt“

Jasmine Dünker ist Betriebswirtin und die erste zertifizierte Marie-Kondo-Beraterin in Deutschland – von der Aufräumpäpstin höchstselbst in New York ausgebildet. Marie Kondo ist auch in Deutschland Kult – für viele Frauen schon seit Erscheinen ihres Buches „Magic Cleaning“, für viele Männer seitdem sie auch auf Netflix Haushalte von Ballast befreit.

Die Kölnerin, reist inzwischen quer durch die Republik, um Kunden dabei zu helfen, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Sie kommt in Haushalte, in denen Schränke und Schubladen überquellen und die Bewohner den Überblick über ihre Habseligkeiten verloren haben. „Manchmal finde ich 15 Flaschenöffner im Haus.“

Dabei räumt sie mit einem Missverständnis auf: „Marie-Kondo ist nicht Minimalismus, sondern Reduktion auf das, woran mein Herz wirklich hängt.“ Millionen Deutsche haben das Buch „Magic Cleaning“ im Regal. Die Regeln sind Schritt für Schritt erklärt: Nach Kategorien aufräumen, alles einzeln in die Hand nehmen, anfangen mit Klamotten, dann die Schwierigkeit steigern: Bücher, CDs und zum Schluss Erinnerungen und Fotos.

Warum eine Aufräumbetreuung?

Wo doch alles so detailliert beschrieben ist, warum brauche ich da einen Aufräumbetreuer? „Weil die Hürde für viele so riesig ist. Manche brauchen jemanden, der den roten Faden vorgibt und einen zwingt dranzubleiben“, erklärt Dünker.

Das Aufräumen sei eine hoch emotionale Angelegenheit. Nicht selten flößen Tränen – schließlich nimmt man sein ganzes Leben in die Hand, das gehört zur Methode. Die Gegenstände erzählen Erinnerungsgeschichten und das Loslassen ist nicht selten Trauerarbeit.

Die Kunden von Dünker sind keineswegs Messie-Haushalte. Es sind oft die Erfolgreichen, die sie buchen. Familien aus dem gehobenen Bildungsbürgertum, oft Mütter, denen im ständigen Spagat zwischen Karriere und Kindern das heimische Chaos und das nie endlose Wegräumen die letzten Kräfte rauben.

„Papiere sind ein weibliches Problem-Thema“

Oder aber Kunden wie die junge Oberärztin, deren Karriere im Krankenhaus alle Energie absorbiert. Energie, die Zuhause fehlt, etwa um die in Jahren zu einem riesigen Berg angewachsene Papierablage anzugehen. „Papiere sind ein weibliches Problem-Thema“, konstatiert Dünker. „Für mich ist gut, auf diese Weise Druck zu erzeugen“, erklärt Simone Groß ihre Motivation. „Inzwischen freue ich mich auf die Termine, weil ich mich danach richtig gut fühle.“

Ein großes Thema vieler Kundinnen sei das schlechte Gewissen: Da hat man diese teure Uhr geschenkt bekommen oder das Service von Rosenthal geerbt, das man weder schön findet noch nutzt. Aber der Gedanke ans Weiterverkaufen weckt das schlechtes Gewissen. Dünker macht klar, dass es die Geste des Schenkers ist, die zählt – und die bleibt.

Die wichtigsten Konmari-Regeln

Regel 1: Nach Kategorien ausmisten

Die meisten versuchen, ihre Wohnung Raum für Raum in den Griff zu kriegen. Die Kondo-Methode lautet: nach Kategorien ausmisten. Kleider, Bücher, Papiere, Kleinkram, Erinnerungsstücke – und zwar in dieser Reihenfolge.

Regel 2: Alles in die Hand nehmen

Alle Sachen einer Kategorie landen auf einem Haufen. Danach wird jedes Stück in die Hand genommen. Dabei soll man sich fragen: Macht der Gegenstand mich glücklich? Brauche ich ihn wirklich?

Regel 3: Vielleicht kommt nie!

Vielleicht passe ich da ja mal wieder rein. Vielleicht lese ich dieses Buch demnächst. Vielleicht kann das jemand von meinen Freunden gebrauchen. Marie Kondo mahnt: Vielleicht kommt nie. Weg damit!

Regel 4: Weg mit dem Kleinscheiß

Kabel, Kartons von Elektrogeräten, Kosmetikproben, Kleingeld, Zeitschriften, Handcremes in jedem Zimmer. Alles weg!

Regel 5: Alles hat seinen festen Ort

Alles, was am Ende bleiben darf, bekommt einen dauerhaften Ort.

„Würdige das Geschenk deiner Oma, bedanke dich und lass es los“, motiviert sie ihre Kundin. Denn zu viele Gegenstände um einen rum führten einen weg von dem, was wichtig ist. „Wenn ich ganz viel Kram habe, bin ich auch innerlich nicht zentriert.“

Dünker hat die Erfahrung gemacht, dass die Methode oft einiges im Leben ins Rollen bringt: „Wer sich bei Gegenständen fragt, ob diese ihn glücklich machen, der fragt sich das nicht selten danach auch grundsätzlicher.“ So wie die Familie, die sie zum Abschluss ihrer Aufräumsitzungen mit der Nachricht überraschte, dass sie die Großstadt Berlin verlässt, um in die Pfalz in ein Mehrgenerationenhaus zu ziehen.

Manchmal hinterlässt ihre Arbeit auch bei ihr einen bleibenden Eindruck: Wie die bei der hochbetagten Dame, die aus ihrem Haus in ein Seniorenheim umziehen musste. „Sie engagierte mich, weil sie sich bewusst von ihrer gegenständlichen Vergangenheit lösen wollte. Sie wollte ihren Kindern keine rappelvolles Haus hinterlassen und selbst klären, was ihr wichtig ist und wem sie was vermachen möchte.“

Da ist die Ausgangsposition ihrer aktuellen Kundin emotional einfacher: Gerade öffnet Klein den Kramschrank in der Küche und stöhnt: „Der ist schrecklich.“ Drinnen tummeln sich Berge von Stiften, Streichholzschachteln und Kleinkram. Dünker ist begeistert: „Das ist eine Super-Hausaufgabe fürs nächste Mal. Zusammen mit dem Medikamentenschrank.“

Der Artikel ist im April 2019 im „Kölner Stadt-Anzeiger” erschienen.

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