„Bitterer Nachgeschmack“Lang vakante Direktorstelle am NS-Dokzentrum vor Neubesetzung

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (4)

Claudia Wörmann-Adam und Martin Sölle nehmen den Giesberts-Lewin-Preis für den Verein EL-DE-Haus entgegen. 

Köln – In der letzten Septemberwoche fällt die Entscheidung, wie die vakante Direktionsstelle des NS-Dokumentationszentrums besetzt wird. Das teilte Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, am Donnerstagabend mit und berief sich dabei auf Kulturdezernent Stefan Charles, mit dem er über das Thema gesprochen habe. Anlass für die Ankündigung war die Feier zur Verleihung der Giesberts-Lewin-Preises an den Verein EL-DE-Haus, den Förderverein des Zentrums, im Käthe-Kollwitz-Museum.

EL-DE-Haus zentraler Ort für Erforschung der Kölner NS-Zeit

Obwohl seit langem klar gewesen sei, dass Werner Jung, der die Einrichtung seit 2002 geleitet hatte, im Oktober 2021 in Pension gehen würde, habe es die Stadt „monatelang versäumt, sich frühzeitig um eine geordnete Übergabe zu kümmern“, sagte Wilhelm, ließ aber positive Worte folgen: „Wenn man berücksichtigt, dass es sich beim EL-DE-Haus um einen zentralen Ort handelt, in dem die Kölner NS-Zeit erforscht wird und zahlreiche Kölner Schülerinnen und Schüler einen interaktiven Lernort vorfinden, an dem sie sich mit den Themen Demokratie, Toleranz und plurale Gesellschaft auseinandersetzen können, ist es erfreulich, dass nun für Kontinuität auf dem Direktionsposten gesorgt wird.“ Der Förderverein habe einen „ganz wichtige Rolle“ bei der Neubesetzung gespielt.

Die Stadt hatte das Bewerbungsverfahren, das zum Zeitpunkt von Jungs Ausscheiden bereits lief, ausgesetzt und dies mit einem Ratsbeschluss vom Dezember 2021 begründet. Darin heißt es, dass bei der Entwicklung des Projekts „Historische Mitte“, zu dem dem neben dem Römisch-Germanischen Museum, dem Stadtmuseum und dem jüdischen Museum Miqua das NS-Dokumentationszentrum gehört, „mögliche Synergien“ ausgelotet werden sollten. Ende Mai schließlich schrieb die Stadt die Stelle aus.

„Kampf mit der Stadt Köln“

Wilhelm erinnerte daran, es sei engagierten Bürgen zu verdanken, dass der Stadtrat 1979 entschied, im ehemaligen Zellentrakt des EL-DE-Hauses, das von 1935 bis 1945 als Gestapo-Dienststelle und Gefängnis diente, eine Gedenkstätte einzurichten. Zunächst wurde dafür eine Stelle im Stadtarchiv geschaffen, die Horst Matzerath leitete; er wurde der erste Direktor des 1987 gegründeten NS-Dokumentationszentrums. 1988 entstand der Verein EL-DE-Haus, der laut Wilhelm „sehr entschieden die Ausweitung der Blickrichtung auf die Themenfelder Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ forciert habe.

Als Beispiele für dessen Arbeit nannte Wilhelm die Organisation des Gedenktags am 27. Januar, das von der Projektgruppe „Messelager“ 1988 initiierte und bis 2014 betreute Beuchsprogramm für ehemalige NS-Zwangsarbeiterinnen und -Zwangsarbeiter und das Engagement im Bündnis „Köln stellt sich quer“.

Der „Kampf mit der Stadt Köln“ ziehe sich durch die Geschichte des Vereins, sagte dessen Co-Vorsitzende Claudia Wörmann-Adam. Mit Blick auf die Querelen um die Leitungsposition sagte Co-Vorsitzender Marin Sölle, es bleibe „ein bitterer Nachgeschmack", zumal damit zu rechnen sei, dass die Stelle frühestens Anfang 2023 besetzt werde. „Ein respektvoller Umgang mit dem NS-Dokumentationszentrum, seinen Beschäftigten und dem Förderverein hätte anders ausgesehen.“

Seit 2006 verleiht die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit den Preis. 2012 erhielt ihn Rolly Brings, der die Feier zusammen mit seinem Sohn Benjamin musikalisch begleitete.

KStA abonnieren