Von Betrüger reingelegtKölner Seniorin wirft 33.000 Euro vom Balkon

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Balkon Symbolbild

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Köln – Am Abend des 24. Januar dieses Jahres bekam Ruth K. , die in einer Seniorenresidenz in Ehrenfeld wohnt, einen Anruf von einem Mann, der sich als Polizist ausgab. Man habe „kriminelle Jugendliche“ gefasst und bei ihnen einen Zettel gefunden, auf dem unter anderem ihr Name stehe, machte er der 84-Jährigen weis. Ihr Vermögen sei in Gefahr. Sie solle Fenster und Türen geschlossen halten. Einen Tag später meldete sich der Mann wieder: Ruth K. solle 15.000 Euro von ihrem Konto abheben und zur „sicheren Verwahrung“ der Polizei übergeben.

Prozess falscher Polizist

Der Angeklagte im Gerichtssaal

Die verunsicherte 84-Jährige schenkte dem Mann Glauben. Sie hob den Betrag bei einer Bank in Bergisch Gladbach ab und folgte dann der Anweisung eines Anrufers, das Geld vom Balkon zu werfen. Jemand, den sie nicht sah, nahm es an sich. Wenige Tage darauf bekam Ruth K. (Name geändert) einen weiteren Anruf. Die Bedrohungslage sei unverändert, hörte sie; sie solle weiteres Geld in Sicherheit bringen. Also hob sie 18.000 Euro ab und warf sie ebenfalls vom Balkon.

Angeklagter räumt Vorwürfe ein

Der Mann, der es auch im zweiten Fall abholte, muss sich seit Dienstag vor dem Kölner Landgericht wegen vierfachen Betrugs verantworten. Verteidigerin Ulrike Tasic erklärte, ihr Mandant räume die Vorwürfe ein.

Nähere Angaben zum Tatgeschehen, etwa zur Rolle, die der 26-Jährige aus Bochum in der Betrügerbande spielte, würden folgen, wenn auch der zweite Verteidiger an der Verhandlung teilnehmen könne.

Die Masche der falschen Polizisten

Die Zahl der Fälle, in denen sich Betrüger als Polizisten ausgeben, habe „enorm zugenommen“, sagte am Dienstag ein Kölner Polizeibeamter im Zeugenstand. Aus Deutschland geflohene Straftäter, so genannte Keiler, rufen aus Callcentern, die sich meist in der Türkei befinden, systematisch Leute an, die in der Bundesrepublik leben und Vornamen tragen, die auf ein hohes Alter hindeuten.

Dank spezieller Software ist es möglich, jede beliebige Anruf-Telefonnummer erscheinen zu lassen, zum Bespiel die „110“. Die vermeintlichen Polizisten machen den Senioren Angst und bringen sie so dazu, Wertgegenstände auszuhändigen oder Bargeld abzuheben und zur Abholung in der Nähe des Hauses abzulegen. „Logistiker“ in Deutschland koordinieren das weitere Vorgehen und lenken die „Abholer“ zur Wohnanschrift der Opfer.

„Aufgelöst“ und „total aufgeregt“ sei Ruth K. gewesen, nachdem sie begriffen hatte, dass sie Opfer eines Betrugs geworden war. So schilderte es eine Polizistin vor der 19. Großen Strafkammer. Die 84-Jährige habe befürchtet, „Ärger mit ihrem Sohn“ zu bekommen, dem offenbar ein Teil des Geldes gehörte, und darum gebeten, keinem Nachbarn vom Geschehenen zu erzählen, so sehr habe sie sich geschämt.

Telefonüberwachung bestätigte Verdacht

Weil die Anrufe auf dem Telefon registriert waren, konnten die Ermittler Funkzellendaten erheben. So stießen sie auf ein Handy des Angeklagten. Die Telefonüberwachung bestätigte, dass er einer der Täter war. Denn die Ermittler konnten mithören, wie die nächste Tat eingefädelt wurde. Opfer war diesmal eine 78-jährige Frau, die in Delbrück im Kreis Paderborn wohnt. Sie hatte einem falschen Polizisten am Telefon geglaubt, sie stehe auf der Liste einer rumänischen Einbrecherbande, außerdem sei ein betrügerischer Mitarbeiter ihrer Hausbank festgenommen worden. Deswegen hatte sie ihr Sparbuch aufgelöst und am 8. Februar rund als 28.700 Euro vor ihrer Haustür abgelegt. Als der Angeklagte kam, um das Geld in Abstimmung mit Komplizen abzuholen, wurde er verhaftet.

21.000 Euro in einer Geldkassette

Dank der Auswertung der Funkzellendaten seines Mobiltelefons fanden die Beamten heraus, dass er an einem weiteren Verbrechen beteiligt gewesen war. Nach der gleichen Methode war im Januar eine 81-jährige Frau in Niederzier im Kreis Düren unter Druck gesetzt worden, von einem angeblichen Hauptkommissar. Sie wollte eine Geldkassette mit gut 21.000 Euro vor die Haustür legen, doch ihr Ehemann nahm den Großteil davon heraus, so dass der Angeklagte nur an 3500 Euro kam. Auch dieses Geld brachte er unbekannt gebliebenen Mittätern.

In der Regel bekämen die „Abholer“, die an dieser Form des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs mitwirken, zehn Prozent der Beute, sagte ein Polizeibeamter im Zeugenstand. Für den Prozess sind vier Verhandlungstage vorgesehen. 

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