Vorwürfe gegen LandgerichtGewalttätiges Kölner Paar trotz Körperverletzung mit Todesfolge nicht in Haft

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Eine Frau versucht, sich vor der Gewalt eines Mannes zu schützen (gestellte Szene).

Ein Paar folterte mit zwei Bekannten im Frühjahr 2020 eine 21-Jährige in Köln-Höhenberg so schwer, dass sie wenig später starb. (gestellte Szene)

In Köln läuft seit 2020 ein Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge gegen ein Paar. In der Zwischenzeit kommt ein Mann in Essen ums Leben, die beiden sind wieder beteiligt. Warum waren sie nicht in Haft?

Der Fall taugte zu einem Justizskandal, wäre er denn so einfach zu deuten. Er wirft Fragen auf zum Vorgehen der Justiz in Köln. Zwei Menschen stehen derzeit in Essen vor Gericht, nachdem ein Mann erstochen wurde. Ein Angeklagter könnte wegen Totschlags verurteilt werden. Gegen beide läuft bereits in Köln ein Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge, bei dem es aber noch nicht zum Prozess kam. Es stellt sich die Frage: Hätte die zweite Straftat verhindert werden können?

Die erste Tat: Ein Paar folterte mit zwei Bekannten im Frühjahr 2020 die 21-jährige Sabrina B. in einer Wohnung in Köln-Höhenberg. Ende April befreite die Polizei die junge Frau nach einem Hinweis. Dabei bot sich den Beamten ein grausiger Anblick: Körper und Gesicht waren mit großflächigen Hämatomen übersät. Tagelang wurde das Opfer von den vier Bekannten geschlagen, getreten, ausgepeitscht und erniedrigt.

Die Beschuldigten blieben auf freiem Fuß

An den Misshandlungen beteiligte sich auch ihr damaliger Freund, der es offenbar nicht verkraftete, dass die junge Frau aus dem Schwarzwald ihn verlassen wollte. Nach ihrer Festnahme legten die Beschuldigten Geständnisse ab.

Mehr als einen Monat später starb das Opfer an multiplem Organversagen. Die Nierenfunktionen fielen aus, auch die Lunge wurde schwer beschädigt. Die Staatsanwaltschaft klagte die vier Personen Ende 2020 wegen Körperverletzung mit Todesfolge an. Allerdings blieben alle Angeschuldigten auf freiem Fuß.

Mann in Essen erstochen

Die zweite Tat: Zwei der vier Angeklagten, Patricia F. (33) und Markus S. (30) (Namen geändert), zogen nach Essen. Dort knüpften F. und S. Kontakte; sie hatten keine eigene Wohnung und kamen bei einem der Saufkumpane unter. Mit weiteren Bekannten traf man sich täglich bei Bier und Schnaps.

Die Clique machte sich den späteren Ermittlungen zufolge einen Spaß daraus, den Wohnungsinhaber mit Schlägen und Tritten zu peinigen. Am 22. Juli 2021 soll er nach erneuten Misshandlungen von einer Frau aus der Gruppe erstochen worden sein.

Für S. kommt Schuldspruch wegen Totschlags infrage

Inzwischen stehen in dem Fall sechs Personen in Essen vor Gericht, darunter auch Patricia F. und Markus S. Von einem Teil liegen Teilgeständnisse vor, die Hauptverdächtige schweigt. Der Vorsitzende Richter erteilte Markus S. einen rechtlichen Hinweis, dass für ihn auch ein Schuldspruch wegen Totschlags infrage käme.

Wie der Sprecher des Essener Landgerichts mitteilte, habe sich im Laufe der Hauptverhandlung der Verdacht ergeben, dass der 30-jährige Angeklagte an dem Tötungsdelikt beteiligt gewesen sein könnte.

Landgericht weist Vorwurf zurück: Kein dringender Tatverdacht

Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage, ob man das neue Verbrechen nicht hätte verhindern können, wenn die Justiz das Kölner Paar bereits nach der ersten Tat im Frühjahr 2020 inhaftiert hätte.

Jan Orth weist diesen Vorwurf zurück. Der Sprecher des Kölner Landgerichts bekundete, dass die Anklage der Staatsanwaltschaft nur von einem hinreichenden Tatverdacht im Fall der getöteten Sabrina B. ausgegangen sei. Für einen Haftbefehlsantrag hätte man aber einen dringenden Tatverdacht annehmen müssen. Doch die Ermittlungen hätten dies nicht hergegeben. „Bis heute ist nicht geklärt, welcher der Angeklagten für welche der Misshandlungen verantwortlich ist“, führt Orth aus.

Prozess hat noch nicht begonnen

Die Angeklagten im Kölner Fall hatten zwar Geständnisse abgelegt. Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft jedoch mit, dass Täter und auch das Opfer im Frühjahr 2020 widersprüchliche Aussagen zu den Geschehnissen gemacht hätten.

Zweieinhalb Jahre nach dem Tod von Sabrina B. hat der Prozess vor dem Kölner Schwurgericht immer noch nicht begonnen. Das habe einen einfachen Grund, so Justizsprecher Orth. „Es handelt sich nicht um eine dringliche Haftsache, deshalb hat die zuständige Strafkammer andere Fälle vorgezogen und dieses Verfahren noch nicht terminiert.“

Dies werde sich aber nun ändern. Im neuen Geschäftsverteilungsplan will das Landgerichtspräsidium nach einer zeitnahen Lösung suchen. Aber eines sei auch klar, konstatierte Orth, „die Belastungslage gerade bei den Schwurgerichtskammern ist äußerst angespannt.“

Das Urteil im Essener Prozess wird am 7. Dezember erwartet.

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