LehrerMit Tigersprung ins Filmgeschäft

Hennen vor der Rheinlandhalle in Ehrenfeld, in der Albert Richter früher Bahnradrennen fuhr.
Copyright: Esch
- Wendel Hennen erfüllte sich einen Traum und arbeitete als Co-Produzent – Leben und Sterben der Radsportlegende Albert Richter
Ehrenfeld/Sülz – Drehbuchautor. Das war sein Traumberuf. Wendel Hennen hatte auch eine Idee, wie er einer werden könnte. Er schrieb sich an der Uni für Deutsch und Geschichte ein und plante nach dem Abschluss, eine berufsbegleitende Ausbildung an der Internationalen Filmschule Köln zu absolvieren, damals noch ein kleiner Verein. Gegen Ende seines Studiums beschloss das Land NRW allerdings, sie in eine Hochschule umzuwandeln – und das Fach Film mit Schwerpunkt Drehbuch in einen sechssemestrigen Studiengang.
Studiert hatte Hennen zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits lange genug, fanden seine Eltern und Hennen selbst auch. Er sattelte um auf Lehramt. Bereut habe er diese Entscheidung nie, erzählt der Sülzer in dem Ehrenfelder Café, das nahe bei seiner Arbeitsstelle, dem Albertus-Magnus-Gymnasium in Ehrenfeld, liegt. Er sei gerne Lehrer, sagt er. Aber wenn er von dem ersten Film erzählt, an dem er gerade mitgewirkt hat, ist sie doch spürbar, die Faszination für das künstlerische Medium und seine Ausdrucksmöglichkeiten.
„Tigersprung“ ist ein Dokumentarfilm über den Kölner Radsportler Albert Richter und hat am 30. Mai Premiere. Wendel Hennen ist Co-Produzent – und größter Fan des Projekts. Er sei viel mehr als ein gewöhnlicher Dokumentarfilm, mehr als die x-te Nazigeschichte, schwärmt er. Bemerkenswert sei, wie er gemacht ist, die Handschrift des Künstler Boaz Kaizmann, seine visuelle Gestaltung, die ein wenig an einen Schwarz-Weiß-Comic erinnere und eine ganz eigene Ästhetik besitze.

Die Filmaufnahmen sind so verfremdet, dass sie an einen Schwarz-Weiß-Comic erinnern und einen besonderen ästhetischen Reiz haben.
Copyright: Esch
Hennen bekam zufällig die Gelegenheit, sich daran zu beteiligen. Einer der drei Filmemacher, der Ehrenfelder Arzt und Autor Peter Rosenthal, ist ein Bekannter des Lehrers. Er hatte die Idee zu dem Film. „Rosenthal ist bei seinen Recherchen irgendwann über Albert Richter gestolpert und die Geschichte hat ihn nicht mehr losgelassen“, erzählt Hennen. Schließlich war der ehemalige Viertelsbewohner nicht nur in sportlicher Hinsicht ein Vorbild. Albert Richter war 1932 Weltmeister der Amateure im Bahnradsport. Als Profi wurde er zwischen 1933 und 1939 siebenfacher Deutscher Meister und zweimal Vizeweltmeister. Und er widersetzte sich den Nazis, weigerte sich ein Trikot mit Hakenkreuzen zu tragen und zeigte bei Siegerehrungen keinen Hitlergruß.
Er hatte einen besonderen Grund für den Widerstand: „Richter war sauer, weil sein Mentor und Trainer und väterlicher Freund Ernst Berliner wegen der Nazis das Land verlassen musste“, erzählt Hennen. Seine Abneigung gegenüber dem Regime war unübersehbar, auch für dessen Handlanger. Schließlich wurde er dabei erwischt, wie er Devisen in die Schweiz schmuggelte, um einem dorthin geflohenem jüdischen Freund zu helfen. Wahrscheinlich wurde er verraten. Richter wurde 1939 in Lörrach erschossen.
Berliner überlebte den Holocaust und reiste schließlich aus den USA nach Köln, um zu recherchieren, wie sein Freund ums Leben gekommen war. Berliners Recherchen bilden einen wichtigen Teil des unkonventionellen Films von Rosenthal, Kaizmann und dem Drehbuchautor Marcus Seibert. Die Filmförderung NRW erklärte sich bereit, das Projekt finanziell zu unterstützen, unter der Bedingung, dass das Filmteam eine gewisse Summe selbst auftrieb. Es initiierte ein Crowdfunding. Auf unterschiedliche Weise konnten Teilnehmer das Projekt unterstützen.

Albert Richter (Mitte) wird Zweiter in London am 26. März 1937. Sieger ist der Jeffs Scherens (l.).
Copyright: imago/United Archives International
Für 500 Euro konnte man als Coproduzent einsteigen, erhielt ein Mitspracherecht und war in den weiteren kreativen Prozess eingebunden. Es war Hennens Chance, die er ergriff, und ein großes Erlebnis. „Der Gestaltungsprozess war spannend, Entscheidungen zu treffen, beispielsweise, ob es zu der stark verfremdeten visuellen Gestaltungsebene auch eine Computerstimme gibt oder doch lieber eine menschliche.“ Die Wahl fiel auf die menschliche Stimme, um das Werk nicht zu sperrig werden zu lassen.
Zahlreiche Originalaufnahmen wurden verwendet, beispielsweise von Radweltmeisterschaften. Viel drehe sich um den Radsport und die Tricks, die Richter verwendet hat, um zu siegen, wie beispielsweise den Tigersprung, schildert Hennen. „Das war seine Art, sich bis kurz vor dem Ende des Rennens vom Gegner unbemerkt in seinem Windschatten zu halten und dann mit einem Kraftakt auf den letzten Metern an ihm vorbeizuziehen.“ Aber lernen, sagt Hennen, könne man von dem Film noch viel mehr, nämlich, dass man nicht alles, was passiert, widerspruchslos hinnehmen muss.
Der Film Tigersprung hat am Mittwoch, 30. Mai, um 20 Uhr in der Außenspielstätte des Schauspiels Köln am Offenbachplatz Premiere und steht danach auf der Homepage kostenlos zum Streamen zur Verfügung. Er dauert 30 Minuten. www.tigersprung-der-film.de