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Besuch bei Kölner DrehbuchautorenIn Sülz entstehen „Tatort“-Folgen

Lesezeit 4 Minuten

Eva und Volker Zahn schreiben in Köln-Sülz Drehbücher für bekannte Fernsehproduktionen.

Köln – Eine Dachgeschosswohnung mit hohen Decken in Köln-Sülz. Zwei Schreibtische vor einer Bücherwand, die nur mit Hilfe einer Leiter zu erklimmen ist. Hier entstehen Geschichten, die zum besten zählen, was der deutsche Film aktuell zu bieten hat.

Der Vorspann

Für ihr Drehbuch zum Fernsehfilm „Mobbing“ sind die Kölner Eva und Volker A. Zahn dieses Jahr wieder für den Adolf-Grimme-Preis nominiert worden. „Wir waren knapp dran, ist aber nicht schlimm, dass wir nicht gewonnen haben“, sagt Volker Zahn. Sie haben den Preis ja schon gewonnen. Dass der Deutsche Fernsehpreis verschrottet wird, finden sie gut. Weil der Preis seit vier Jahren nur noch an Hauptdarsteller und die Filme als Ganzes verliehen wird – und so die Idee, auch Komponisten, Kameraleute, Cutter, Autoren und andere Kreative mal zu würdigen, ohnehin begraben war.

Drehbuchautoren sind die Ideengeber für Filme. Sie, nicht die Regisseure, denken sich die Geschichten aus. Das Ehepaar Zahn hat mehr als 100 verfilmte Drehbücher geschrieben, darunter mehrere Tatort-Folgen (im Oktober erscheint ein Ludwigshafen-Tatort von ihnen, gerade haben sie einen Kiel-Tatort abgeschlossen), Bella-Block-, Das Duo- und Ein-starkes-Team-Episoden sowie Fernsehspiele. Mit Hilfe von vier für ihre Karriere wichtigen Filmen erklären sie, was ein Drehbuch ausmacht – und wie ihre Ideen entstehen.

Das Paar geht auf der Berrenrather Straße an einem Kiosk vorbei. Der „Spiegel“ titelt mit einer Geschichte über Staatsanwälte. „Wie unabhängig sind deutsche Gerichte? Wäre ein gutes Filmthema“, findet Volker. „Es braucht einen gesellschaftlichen Konflikt, das reicht schon“, sagt seine Frau.

Hundert Meter weiter das ehemalige Kinderheim am Gürtel. Ein Zeitungsbericht über eine Opferinitiative hat das Paar auf die Story für eine Bella-Block-Folge in einem katholischen Internat gebracht. „Wir stellen uns die Frage: „Finden wir einen persönlichen Zugang zu Themen wie Mobbing, Amoklauf, Menschen ohne Papiere...? Was macht uns zu Tätern oder zu Opfern?“, sagt Eva. „Das mündet oft in die Kernfrage: Sind wir verantwortlich für unser Tun?“, sagt Volker. „Haben wir einen freien Willen?“ „Ich tendiere eher zum Nein“, sagt Eva.

Ihre eigene Geschichte sei keinen Film wert, sagen die zwei. „Stinklangweilig!“ Ja? Immerhin ist Volker mit einer seiner Storys zum meistgehassten Menschen von Bayern geworden.

Die Love-Story

Die Liebesgeschichte von Eva und Volker beginnt mit einer doppelten Abfuhr: Volker bewirbt sich mit ein paar Texten bei der Kölner Illustrierten, Redaktionsassistentin Eva findet die Geschichten doof. Als Volker dann doch bei dem Magazin anfangen darf, weil der Chefredakteur seine Storys gut findet, lernt Eva ihn lieben; macht aber nach einem halben Jahr Schluss und flüchtet für Monate nach Irland. Als sie zurückkommt, macht sie Volker einen Heiratsantrag. Er nimmt an. Dabei sind sie gar nicht richtig zusammen. Sie heiraten nur, weil sie es „schräg finden“. Und weil Eva eine Liste mit möglichen Partnern erstellt und nur bei Volker mehrere Pluszeichen dahintergesetzt hat. Sie teilen Bett und Büro bis heute - und streiten nur selten. Sagen sie. Zu Beginn ihrer Love-Story entsteht ein erstes Drehbuch über einen Kneipenkrieg in der Südstadt. Nur aus Jux, das Skript bekam nie jemand zu lesen.

Zwischenspiel: Bayern-Hass

Das junge Schreiberpaar geht nach München, weil er eine Stelle beim Zeitgeistmagazin Wiener bekommt. Nach einem polemischen Text über den Freistaat Bayern erhält Volker Zahn Morddrohungen. In der Geschichte „Bayern: Das Irrenhaus der Republik“ setzt er den Freistaat ironisch mit der ehemaligen DDR gleich. Zahn wird zu 40 Tagessätzen zu je 60 Mark verurteilt, die Boulevardzeitung TZ titelt: „Für diesen Preußen sind wir Deppen!§ Edmund Stoiber rät Zahn zum Wegzug aus Bayern. „In Köln hätten sie über den Artikel gelacht“, sagt Volker Zahn. „In Bayern hat man mich als schwulen jüdischen Sauerländer beschimpft.“ Er geht mit Eva zurück nach Köln.

Neuanfang: Fernsehkritik

Zahn bleibt bissig. Nach einer Generalkritik am deutschen Fernsehen ruft Produzent Georg Althammer ihn an. "Stimmt ja alles", sagt er. „Aber können Sie es besser? Schreiben Sie doch mal ein Drehbuch für uns.“ Althammer, Erfinder von „Ein Fall für zwei“, reist eigens nach Köln, um den Zahns das Einmaleins des Drehbuchschreibens beizubringen. Das erste Buch wird trotzdem ein Reinfall. „Bistro, Bistro“, eine Sitcom fürs ZDF. „Stinklangweilig!“, sagt Eva Zahn. Volker arbeitet jetzt als Textredakteur beim „Playboy“, auch sie schreibt weiter Reportagen - die Drehbücher für „Ein Fall für zwei“, „Die Kommissarin“ und „Friedemann Brix“ sind Zubrot.

Schluss: Sicher ist nichts

Den großen Durchbruch schaffen sie 2008 mit dem Film „Ihr könnt Euch niemals sicher sein“. Es geht um einen Schüler, der verdächtigt wird, einen Amoklauf zu planen. Der Titel des Films ist bei jedem ihrer Drehbücher Programm.