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PauliplatzRomantisches Idyll inmitten von Köln

Lesezeit 4 Minuten

Der Pauliplatz hat eine organische dreieckige Form und die Straße verläuft im Bogen – so erklärt sich, warum das baumumstandene Quartier einen solch lauschigen Eindruck macht.

Braunsfeld – Aus vier Betongesichtern ergießt sich das Wasser ins Becken, und dafür, dass es immer nur ein dünner Strahl ist, tönt das Plätschern erstaunlich laut. „Nachts höre ich den Brunnen im Schlafzimmer“, sagt Volker Geginat, der zwei Häuser weiter wohnt an der Paulistraße. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Quartiers gibt er eine private Führung.

Von Anfang an war der Pan-Brunnen – die Figur hoch oben auf der Säule stellt den Hirtengott Pan dar – fester Bestandteil der dahinter stehenden Häusergruppe. Bauherr war Heinrich Pauli, ein Sohn von Joseph Pauli, dem Besitzer des Maarhofes. Die Gutsgebäude standen an der Geilenkircher Straße, die Ländereien wurden ab 1907 mehr und mehr in Bauland umgewidmet. Hausarchitekt der Familie war Josef Alsdorff. Er bekam 1913 auch den Auftrag für die sechs Reihenhäuser am Pauliplatz Nummer 36 bis 46 und plante sie in einer halbrunden Anordnung. Die Fassaden gestaltete er in spiegelbildlicher Symmetrie. Um den Brunnen wollte er ursprünglich Bäume platziert wissen – zu sehen auf dem Foto vom Modell, mit dem er auf der im Frühsommer 1914 in Deutz stattfindenden Werkbundausstellung einen Preis gewann. Volker Geginat, ein temperamentvoller 77-Jähriger, promovierter Jurist und pensionierter Regierungsbeamter, ist stolz auf den Platz, nennt ihn ein Kleinod. Jung verheiratet, zog er 1964 zu.

Spätromantisches Kleinstadtidyll

Die Familie seiner Frau ist alteingesessen. Tatsächlich, angesichts der mit Laub berankten Giebel und Erker fühlt man sich ins 19. Jahrhundert versetzt, in ein spätromantisches Kleinstadtidyll.

Die Häuser sind großteils im Heimatstil entworfen. Das war eine Richtung (dem Späthistorismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuzurechnen), die betont traditionsverhaftet war. Gleichzeitig gründet das Pauliviertel auf der reformerischen Gartenstadt-Idee – daher haben die Häuser alle einen Garten hinter dem Haus und zumeist auch einen Vorgarten. Und die Paulistraße wurde bewusst nicht schnurgerade angelegt, sondern sie verläuft in Form eines Bogens – so erklärt sich auch die intime Außenwirkung des Platzes.

Im Jahr 2011 wurde er umfassend saniert, die Anwohner beteiligten sich mit einem Beitrag in Höhe von 12 000 Euro. Am Rand wurden damals Zierapfelbäume neu gepflanzt, um dem ursprünglichen Zustand wieder nahezukommen. In der Mitte liegt eine grüne Wiese, die beliebt auch bei Hundebesitzern ist. „Es ist die alte, leidige Geschichte“, sagt Geginat und macht ein gequältes Gesicht, „die Wiese ist in Gefahr, zur Hundetoilette zu werden.“ Wie zum Beweis erscheint ein Mann mit einem Hund an der Leine, der macht auf der Baumscheibe des jungen Tulpenbaums vor der Wiese sein Geschäft. Darauf angesprochen, ob er denn keine Plastiktüte dabei habe, zuckt der Mann nur mit den Schultern und geht weiter. Geginat schüttelt verärgert den Kopf. „Unglaublich, diese Hundebesitzer. Zum Glück gibt es hier aber doch eine gewisse Sozialkontrolle.“

Sorge bereitet ihm auch der Zustand des Spielplatzes südlich der Wiese. „Hier müsste eigentlich auch noch etwas geschehen“, findet er. Die Spielgeräte wurden vor Jahren ersatzlos abgebaut, wenigstens gibt es seit kurzem wieder eine Tischtennisplatte, die werde auch rege genutzt.

Das Viertel hat den Ruf, hier wohnten hauptsächlich ältere Akademiker. Doch längst werde es auch von jungen Familien entdeckt, erzählt Geginat. Allein am Pauliplatz lebten derzeit 17 Kinder unter sechs Jahren. Das Katzenkopfpflaster auf der Straße macht den Eindruck, als stünde es wie die Häuser unter Denkmalschutz, so harmonisch fügt es sich zu den blumenumstandenen Hauseingängen. Auf der Seite zur Wiese haben die Häuser keine Vorgärten.

Politische Nachtgebete

Bei aller Gediegenheit – hier hat auch schon sozialrevolutionärer Geist geweht. Am Pauliplatz 7 wohnte in den sechziger Jahren Dorothee Sölle. Die evangelische Theologin, die mit ihren kirchenkritischen Publikationen bekannt wurde, veranstaltete damals mit Mitstreitern wie Heinrich Böll in der Antoniterkirche „politische Nachtgebete“ – Gottesdienste, in denen aktuelle politische Fragen thematisiert wurden. Geginat kannte Sölle gut, er war selbst viele Jahre lang Presbyter in der Clarenbachgemeinde. In seinem Viertel ist er bestens vernetzt, beständig grüßt er während des Rundgangs Passanten.

Die Häuser würden nur selten den Besitzer wechseln, erzählt er, höchstens wenn jemand gestorben ist oder im Alter ausziehen muss, weil innen kein barrierefreier Umbau möglich ist. Mit der Platzerneuerung vor drei Jahren sei der Zusammenhalt unter den Nachbarn deutlich gestärkt worden. Der Pan-Brunnen, 1980 in die Denkmalschutzliste aufgenommen, wurde schon 2002 restauriert, ebenfalls mit Bürgerbeteiligung. Vormals wurde er mit Trinkwasser aus einer Hausleitung gespeist, jetzt hat er unterirdisch ein Reservoirbecken samt Umwälzpumpe. Die Anwohner finanzieren den Betrieb selbst, jährlich kostet das 500 Euro. Der Brunnen plätschert aber nur im Sommer, im Winter schweigt er.