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PorträtDer Herr der Kräne

Lesezeit 5 Minuten

Norbert Amand präsentiert stolz sein Projektgelände.

Widdersdorf – Im Glasbau, der eigentlich ein Gewächshaus ist, werden keine Blumen verkauft. Grundstücke und Häuser gehen hier über den Tisch, potenzielle Neubürger umrunden ein Modell des Neubaugebiets. Am Konferenztisch lehnt sich Norbert Amand zurück, erwartet die Fragen des Gegenübers. Dies ist nicht sein Element. Fast ein wenig schüchtern wirkt der 65-Jährige. Amand ist kein Medienprofi, lieber ist er Ingenieur. Es sind die Details, die ihn interessieren.

Der Bauunternehmer erzählt, wie vor knapp 13 Jahren alles anfangen hat. „Ende 1999 hat mich ein Bekannter nach Widdersdorf gebeten“, erinnert er sich. „Eigentlich ging es nur darum, ob ich mir vorstellen könnte, die Umgehungsstraße zwischen Widdersdorf und Lövenich vorzufinanzieren“, sagt Amand. Er konnte. Dass das Land die Straße am Ende doch selbst bezahlte, änderte nichts daran: Amand blieb in Widdersdorf.

Bürgerbeteiligung

Jene L 213 war die Voraussetzung für die Umsetzung der Planung von Deutschlands größtem privaten Wohnungsbauvorhaben, Widdersdorf-Süd. Amand kam ins Gespräch mit den Bürgern, die den städtischen Bebauungsplan von 1988 abgelehnt hatten. Fünfgeschossige Riegel-Bauten, eine das Gebiet zerschneidende Stadtbahntrasse, der an den Rand verlegte Sportplatz – Amand zieht einen abgegriffenen Stapel Pläne hervor. „Wir haben geschaut, worauf die Bürger wert legen.“

Es ist sein Lieblingsthema, sein Mantra. Die Beteiligung der Bürger, gerade in Zeiten der Massenproteste gegen Großprojekte, siehe Stuttgart 21. Immer wieder kommt er darauf zurück. „Manche wollen die Menschen nicht einbeziehen, weil sie sagen: Dann scheitere ich sowieso. Mir ist es lieber zu scheitern, als viel Geld zu verbrennen.“

Das Ratinger Unternehmen, das seinen Namen trägt, hat zahlreiche Großprojekte umgesetzt. Ein Teil der ICE-Strecke Köln-Frankfurt, zahlreiche Autobahn-Abschnitte. Amand, der seine Initialen in goldener Schrift auf der Hemdtasche trägt, sieht durch die Scheiben des Gewächshauses. „In dieser Dimension haben wir so etwas noch nicht gemacht.“ Ständig ist der Geschäftsführer selbst unterwegs zwischen Golfplatz und Info-Center, spricht mit Politikern, verhandelt mit den städtischen Ämtern, sucht in persönlichen Gesprächen Lösungen für vom Baustellenverkehr betroffene Neubürger. Versucht, durch die Umstellung von Ampelphasen das morgendliche Verkehrs-Chaos in Richtung Köln abzumildern, lässt bereits gepflanzte Linden auf dem Boulevard durch 170 größere Exemplare ersetzen.

"Prima Colonia"

Amand, der Herr der Kräne, Raupen und Laster, kümmert sich um fast alles persönlich. 70 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er seit Jahren in Köln. Zwei Millionen Quadratmeter umfasst das Areal von Prima Colonia, unter diesem Namen wird das Neubaugebiet vermarktet. „Als wir angefangen haben, haben wir nicht einen Quadratmeter besessen“, sagt Amand.

„Manch schlaflose Nacht“ habe ihn das Risiko gekostet, das er eingegangen sei, und kritische Nachfragen seiner Gesellschafter. „Ganz schön mutig“ hätten die das Projekt genannt. Auf 16 bis 18 Millionen Euro beziffert der Bauingenieur die Investitionen seines Unternehmens, bevor überhaupt ein Grundstück verkauft war. Kanäle, Straßen, Supermärkte – „Es war uns wichtig, den Großteil der Infrastruktur frühzeitig zu errichten. Das haben wir den Interessenten versprochen.“ In der Baubranche wurden Amands Ankündigungen mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, von manchen gar belächelt.

Die Investitionen haben sich längst ausgezahlt. „Wo kein Risiko, da kein Gewinn“, sagt Norbert Amand, der stolz ist auf das, was schon im Viertel entstanden ist und was noch entstehen soll. Dass bei einem solchen Projekt Glück, manchmal auch sehr großes, dazugehört, weiß Amand. Ende November 2006 hatte er beim Notar den Kaufvertrag für die städtischen Flächen unterschrieben, knapp ein Jahr später urteilte der Europäische Gerichtshof, dass für Grundstücksgeschäfte dieser Dimension eine europaweite Ausschreibung nötig sei. „Das Urteil galt rückwirkend zum 1. Januar 2007, knapp fünf Wochen nach dem Vertragsabschluss. Das war ein Riesenglück.“

Er kennt sie alle

Norbert Amand steuert seinen Mercedes durch einen der Kreisverkehre auf dem breiten Boulevard Unter Linden. Fast jeder Meter der noch unfertigen Straßen – die letzte Deckschicht wird erst aufgebracht, wenn das schwere Gerät verschwunden ist – hat seine eigene Geschichte. Amand kennt sie alle. Die vom Hausbesitzer an der Grenze zum Neubaugebiet, dessen Grundstücksgrenzen nicht korrekt im Kataster eingetragen waren. Amand kaufte den fehlenden Streifen, errichtete einen Zaun und eine Hecke. Und jene von den ersten Bewohnern, die 2007 am Mathesenhofweg ihre Holzhäuser bezogen, als ringsherum kein einziges Haus stand. „Sie haben mir ein bisschen Leid getan“, sagt Amand.

Momentan sind knapp 50 Häuser im Bau, und die am Straßenrand lagernden Baumaterialien („Jeder lässt hier sein Zeug liegen“) ärgern den Bauunternehmer nur kurz. Er steuert eines seiner Lieblingsprojekte an, die Internationale Friedensschule, weist auf die Sporthalle hin („tauglich für nationale Wettkämpfe“) und zeigt auf die städtische Grundschule nebenan. „Die Stadt wollte selbst bauen“, erinnert sich Amand. Doch der Auftragnehmer ging in die Insolvenz, am Ende war es wieder sein Unternehmen, das das Gebäude fertigstellte. Auf einem Schotterweg am Sportplatz erklärt Amand die Vorteile der fünf Meter im Boden liegenden Anlage. Selbst die schrillsten Schiedsrichterpfiffe seien nicht zu laut. „Wir haben das gemessen.“

In Köln verliebter Düsseldorfer

In etwa zwei Jahren, 15 werden dann seit seinem ersten Besuch in Widdersdorf vergangen sein, soll die letzte Baugrube des Neubaugebietes ausgehoben werden. Es wird eine besondere sein. Amand, der gebürtige Düsseldorfer, baut sein eigenes Wohnhaus. „Ich habe in den Jahren hier viele Leute kennen und die Kölner Mentalität lieben gelernt“, erklärt der Bauunternehmer, warum es ihn dahin zieht, wo er sich auskennt wie kaum ein anderer. Seiner Frau habe er allerdings versprechen müssen, erst anzufangen, wenn die Großbaustelle verschwunden sei.

Viele Bekannte hätten ihm abgeraten, nach Widdersdorf-Süd zu ziehen. „Du kommst dort nie zur Ruhe“, haben sie gesagt, er werde sich um jede Kleinigkeit kümmern müssen. Eine Sorge, die Norbert Amand ganz und gar nicht teilt. Er freut sich darauf.

www.ksta.de/widdersdorf