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SeniorenheimDas Alter in 26 Sprachen genießen

Lesezeit 4 Minuten

Der Exil-Iraner Mohamad Taghi Nadji (l.), der früher am persischen Königshof fotografierte, und der iranische Leiter des Seniorenheims, Mohammad Pourmirzaie, trinken gern gemeinsam ein Gläschen persischen Tee.

Müngersdorf – Auf dem Boden liegt ein bunter Teppich. In der Küche tröpfelt ein Samowar. Auf dem Tisch stehen frische Datteln. Für noch mehr Gemütlichkeit sorgen die antiken Möbel. „Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“, sagt der Mann auf dem Fernsehbildschirm im Foyer des Seniorenheims der Clarenbachwerke, Haus Andreas, als Tatjana Levin mit Schwung durch die Glastür tritt. Sie möchte in der Mittagspause kurz ihre Mutter besuchen, die hier wohnt, seit sie vor sieben Jahren einen Schlaganfall hatte. Da war sie 62 Jahren alt und von einem Tag auf dem anderen halbseitig gelähmt.

Sie konnte nicht mehr sprechen und hatte vergessen, was sie noch spät im Leben gelernt hatte – Deutsch. Die Russin war mit ihrer Familie als erwachsene Frau nach Deutschland gekommen. Als Pflegefall benötigte sie plötzlich ganz besondere professionelle Hilfe, jemand, der sie auch ohne ohne viele Worte versteht und auf russisch antwortet.

Kulturspezifische Pflege

Verzweifelt telefonierte Tatjana Levin eine Liste verschiedener Seniorenheime ab. Sie hatte Glück. „Wir finden eine Lösung“, sagte man ihr im Haus Andreas. Das war nicht zu viel versprochen. In dem Seniorenheim der Clarenbachwerke hat sich nicht nur ein Platz für die alte Dame gefunden, sondern auch eine Pflegerin, die Russisch spricht.

Schon lange betreuen im Haus Andreas Pflegerinnen und Pfleger unterschiedlicher kultureller Herkunft Senioren, die aus anderen Ländern stammen. Dieses Jahr hat das Leitungsteam des Hauses die „kultursensible Pflege“ offiziell zu seinem Konzept erklärt. „Wir nehmen Rücksicht auf unterschiedliche kulturelle Gepflogenheiten. Wir feiern Weihnachten, aber beispielsweise auch das iranische Neujahrsfest Nouruz. Wir kochen ohne Schweinefleisch für islamische Mitbewohner, vegetarisch für strenge Hinduisten und Buddhisten“, schildert der Leiter der Einrichtung, Mohammad Pourmirzaie, der aus dem Iran stammt. „Unsere Bewohner sind ein Abbild der multikulturellen Stadtgesellschaft wie sie heute in Köln existiert“, ergänzt Narumon Phokphoon, die Pflegedienstleiterin aus Thailand.

90 Senioren aus 22 Ländern

Pfleger aus 16 Ländern sprechen 26 Sprachen. Von 90 Senioren, die im Haus Andreas wohnen, stammen 22 ursprünglich aus einer anderen Kultur.

Dass sie in ihrer Muttersprache verstanden werden, nimmt den alten Menschen die Angst vor dem Leben in der Gemeinschaft eines Seniorenheims und das Gefühl, fremd zu sein. Mit vertrauten Einrichtungsgegenständen können sie sich in ihrem Zimmer ein Zuhause schaffen.

Das Essen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in Haus Andreas, damit sich die alten Menschen heimisch fühlen. „Müssen wir denn immer den selben Reis essen? Können wir nicht Basmati-Reis haben?“, hatte einst ein persischer Bewohner gefragt. Den mögen mittlerweile auch die Deutschen Senioren lieber.

Sie freuen sich, dass Fladenbrot und Schafskäse im Haus Andreas das Standardprogramm auf dem Abendbrot-Büfett ergänzen – und darüber, dass die kubanische Pflegerin Katja Capote für sie singt und tanzt. „Auf Kuba haben wir sehr viel Respekt vor alten Menschen“, sagt sie.

Spannende Geschichten

Sehr spannend findet Capotezum Beispiel den Exil-Iraner Mohamad Taghi Nadji, der früher am persischen Königshof fotografierte und heute mit seinem Landsmann Mohammad Pourmirzaie gern bei manchem Tässchen persischen Tee zusammensitzt. Gern lassen die beiden Herren sich im Internetcafé nieder, wo die älteren Menschen aus fernen Ländern mit Angehörigen in der Heimat skypen können.

„Man fühlt sich hier überhaupt nicht wie in einem Seniorenheim. Es ist locker und ungezwungen“, sagt Taghi Nadji. „Hier im Haus Andreas lebt man nicht nur, man erlebt auch etwas“, meinte jüngst ein älterer Bewohner, ebenfalls aus dem Iran.

Und sogar ein Nymphensittich hat im Haus Andreas Asyl gesucht. Dem zugepflogenen Exemplar hat das Leitungsteam ein Weibchen gekauft. „Andreas und Andrea“ zwitschern nun fröhlich im Foyer, wo Tatjana Levin nach ihrer Stippvisite mit viel Schwung durch die Tür wieder nach draußen tritt und ältere Menschen munter in verschiedenen Sprachen miteinander plaudern.

Und der Mann im Fernsehen spricht deutsche Nachrichten – während der Samowar in der Küche leise vor sich hintröpfelt.

www.clarenbachwerk.de