Tragödie in Köln-Lindenthal81-jährige Mordverdächtige kommt in Untersuchungshaft

Polizeiwagen (Symbolbild)
Copyright: Martina Goyert
Lindenthal – Die 81-jährige Frau, die unter dem Verdacht steht, am Mittwoch ihren Mann (90) getötet zu haben, sitzt in Untersuchungshaft. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat ein Richter Haftbefehl wegen Mordes gegen die Rentnerin erlassen. Sie soll ihren schwer kranken, bettlägerigen Ehemann heimtückisch getötet haben. Wie zu erfahren war, hat sie ihn wohl erdrosselt. „Er war im Schlaf, also wehrlos, als sie die Tat vollzogen haben soll“, berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Konkrete Hinweise darauf, dass der 90-Jährige seiner Frau zuvor womöglich sein Einverständnis zu der Tat signalisiert haben könnte, sie ihm als Sterbehilfe gegeben hat, gebe es bislang nicht. Am Donnerstag wurde die 81-Jährige zunächst in die Psychiatrie nach Merheim gebracht. Ob sie bis zum Prozessbeginn dort bleibt oder – falls ihr Zustand es zulässt – in ein Gefängnis verlegt wird, entscheidet ein Gutachter. Doch wie konnte es dazu kommen? Und hätte die Tat verhindert werden können? – Seit September 2014 kam ein Pflegedienst der Caritas zu dem kranken Mann. Zuerst drei, dann fünf Mal die Woche. „Er war klar, konnte allein für sich entscheiden“, sagt Maria Hanisch, Leiterin der Ambulanten Dienste. Deutlich sei die Überforderung und Verzweiflung der Frau gewesen, weshalb noch mehr Hilfe angeboten wurde. „Doch er hat abgelehnt, was sie für ihn und sich gewollt hat. Das trieb sie noch mehr in die Krise.“ Not auszusprechen und Hilfe anzunehmen, das sei für viele ein Tabu.
„Die Frau war völlig fertig“
Das Beratungstelefon für Senioren, Menschen mit Behinderung und deren Angehörige ist erreichbar unter 0221/221-27400. Ein spezielles Demenz-Sorgentelefon für Angehörige hat die Nummer 0221/777-55522. Bürger melden durch Verwahrlosung, Verwirrtheit oder Vernachlässigung in Not geratene Personen unter 0221/221-24444.
Wohlfahrtsverbände und viele Kliniken bieten Beratung, Kurse und Gesprächskreise für Angehörige an. Die Ambulante Pflege der Caritas ist erreichbar unter 0221/95570-470. Ihre Seniorenberatung unter 0221/ 98577-611.
www.caritas.de/onlineberatung/lebenimalter
www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/senioren
www.ambulante-pflege-koeln.de
Der Pflegedienst wäre täglich gekommen und hätte darüber hinaus Pflege rund um die Uhr organisiert, damit sich die Ehefrau von der anstrengenden Betreuung mal eine Auszeit mit Urlaub hätte nehmen können. Kurzzeitpflege für den Mann außerhalb der Wohnung war ein Thema. „Es gab sogar schon einen Platz.“ Umso tragischer empfindet Hanisch das Geschehene. „Die Frau war völlig fertig. Zwischendurch ging es mal besser.“ Für eventuelle Notfälle hatte das Paar einen Hausnotrufknopf. Hätte die Frau ihn gedrückt, wäre sie mit der Hausnotrufzentrale verbunden worden, die Hilfe schicken kann. Die Beratungsstelle für pflegende Angehörige, die die Caritas bis vor etwa fünf Jahren unterhielt, musste der Wohlfahrtsverband schließen, „weil die Finanzierung dafür weggebrochen war“. Auch die Stadt hatte ihren Zuschuss gestrichen.
Die zwölf Wochenarbeitsstunden „waren für eine Millionenstadt nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, begründet dies Carolin Herrmann, Abteilungsleiterin im Amt für Soziales und Senioren. Kosten und Nutzen hätten in keinem Verhältnis gestanden. Stattdessen investiere die Stadt lieber in entlastende ehrenamtliche Dienste für pflegende Angehörige, die die Verwaltung koordiniert. Sieben gibt es für Demenzkranke, zwei für körperlich Kranke. Hinzu kommen professionelle Betreuungsleistungen, für die jeder mit Pflegestufe ein Budget beantragen und über die Verwendung selbst entscheiden kann.
Bei der Caritas wird die Klientel der pflegenden Angehörigen nun von der Seniorenberatung des Vereins mitbetreut und beraten. Bei der Stadt übernimmt dies das zentrale „Beratungstelefon für Senioren und Menschen mit Behinderung sowie deren Angehörige und Bekannte“. Dieses ist aber nicht als Krisentelefon konzipiert. Wird im Gespräch deutlich, dass sich der Mensch in einer akuten Krise befindet, wird zwar ein professioneller Seniorenberater eines Wohlfahrtsverbandes vor Ort informiert, der auch Hausbesuche macht. Allerdings kann es hier zu längeren Wartezeiten kommen. Pro Stadtbezirk gibt es lediglich dreieinhalb solcher Beraterstellen.
Für Maria Hanisch, deren Mitarbeiter die 81-jährige Frau und deren Mann betreute, steht fest: „Eine richtige Fachstelle für pflegende Menschen für ganz Köln wäre dringend nötig,“