TersteegenhausDie Schätze der Kellerkinder

Für den Basar im Tersteegenhaus sichten Rita Gröschke, Annelie Polte und Hildegard Jacobs (von links) im Keller des Hauses gespendete Kleidung.
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Sülz – Ein Geheimtipp ist er schon lange nicht mehr. Vielmehr ist der jährliche Basar im Tersteegenhaus an der Emmastraße inzwischen Kult. An vier Tagen im November (in diesem Jahr vom 5. bis 8.) wird auf den beiden Etagen des Gemeindehauses getrödelt. Weil dafür sogar der Kirchsaal ausgeräumt wird, findet der Verkauf ausschließlich an Wochentagen statt. Trotzdem stehen oft Hunderte Schlange, wenn geöffnet wird und etwa 80 Helfer auf Kunden warten.
Attraktiv macht den Basar das breite Angebot. „Wir nehmen alles außer Möbeln und Kinderkleidung“, sagt Ulla Gülicher, eine von sechs Frauen, die sich jeden Mittwoch ab 10 Uhr treffen, um die Spenden zu sichten. Möbel würden das Fassungsvermögen des Hauses sprengen, und Kinderkleidung werde abgelehnt, um den Basaren der benachbarten Kindergärten keine Konkurrenz zu machen. Ansonsten gibt es keine Begrenzung. Entsprechend stapeln sich in sechs Kellerräumen Kartons mit Textilien, Haushaltswaren, Büchern, Schallplatten, Lederwaren und vielem mehr. „Wir sind die Kellerkinder“, sagt Annelie Polte. Will sagen: Bei ihren Treffen bewegen sich die Helferinnen ausschließlich im Untergeschoss.
Inzwischen ist der Basar zu einem regelrechten Waren-Umschlagplatz geworden. Für Spenden steht im Flur immer ein Roll-Container bereit. „Den müssen wir manchmal mehrmals täglich leeren“, sagt Christel Bosch (71). Sie fungiert als Sprecherin und stemmt einen Großteil der Organisation, wozu auch die Einteilung der bis zu 80 Helfer an den Verkaufstagen gehört.
Keine Gnade für Lumpen
Dabei bestücken nicht nur Nachbarn den Container. Sogar aus Autos mit Bergheimer Kennzeichen sind die Fahrer schon ausgestiegen, um ihren Trödel abzuliefern, haben die Helferinnen beobachtet. Vieles kommt zudem aus Haushaltsauflösungen. Wenn dafür im Gemeindebüro angerufen wird, macht sich Küster Stephan Braun auf den Weg, um die vorgepackten Kisten zum Tersteegenhaus zu transportieren.„Es ist so viel geworden, dass wir gar nicht alles für uns behalten können“, fährt Sprecherin Bosch fort. Der erste Zugriff gehört zwar dem Basar, aber alles, was hier nicht verwendet werden kann, wird weiter gegeben. So wird das Sozialkaufhaus in Kalk bedacht. Hierhin geht etwa die aufgelaufene Sommerkleidung. „Die können wir im November nicht verkaufen.“
Auch die Justizvollzugsanstalt in Ossendorf wird bedient. Dort engagieren sich Bedienstete für Kinderheime und Krankenhäuser in Lettland. Beliefert werden zudem die Von Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel für deren Behindertenarbeit und das Diakoniehaus am Salierring. „Hierhin geht vor allem Herrenkleidung für Obdachlose und Bedürftige“, sagt Christel Bosch. Aber auch für alte Brillen gibt es Abnehmer: Die werden nach Afrika geschickt.
Werden ganz besondere Teile abgegeben, nimmt sich Ulla Gülicher ihrer an und bestückt die Vitrinen im ersten Stock. Derzeit hat sie etwa eine alte Kaffeekanne ausgewählt mit fein ziseliertem Silber-Mantel. Dazu sind Schmuck und Manschettenknöpfe ausgestellt. Die Prunkstücke, die hier präsentiert werden, sind im täglichen Verkauf, der über das Gemeindebüro abgewickelt wird.
Junge Mädchen fragen nach Häkeltüchern
Doch was auch immer mit der Spende geschieht – zuallererst wird jedes einzelne Teil sorgfältig geprüft. Vor allem die Textilien müssen sauber sein und ohne Beschädigung. „Sie müssen sich in einem Zustand befinden, dass wir sie auch selber tragen würden“, sagt Rita Gröschke. Mit Annelie Polte und Hildegard Jacobs, die seit mehr als 30 Jahren dabei ist, bildet sie das Kleider-Team. Doch nicht immer ist die Qualität ausreichend. „Wir bekommen auch viel Müll“, sagt sie. Lumpen finden indes keine Gnade vor den Augen des Basar-Teams. Sie werden entsorgt. Mittlerweile packt Küster Braun einmal pro Woche seinen Wagen voll mit Nicht-Verwertbarem und fährt zur Deponie. „Bestimmt drei Kubikmeter“ liefert er dann ab.
So bunt wie das Warenangebot ist auch das Publikum. Da kommen die Seniorinnen mit kleiner Rente und die Studenten, die sich neu einrichten müssen. „In letzter Zeit haben viele junge Mädchen nach Häkeltüchern gefragt“, sagt Annelie Polte. „Und zu mir kommen frisch Verliebte, die nach Bettwäsche suchen“, ergänzt Rita Gröschke schmunzelnd.
Die Basar-Vorbereitung bedeutet für die sechs Damen einen Kraftakt. Immerhin sind sie nicht mehr die Jüngsten. Annelie Polte ist mit 69 Jahren das Küken. Ihre Mitstreiterinnen sind zwischen 70 und 80 Jahre alt. Natürlich wünschen sie sich jüngere Verstärkung. „Aber es müssen Rentnerinnen sein“, heißt es. „Denn wer hat sonst schon jeden Mittwoch morgens ab zehn Uhr frei?“
Auf jeden Fall lohnt sich die Mühe: Im vergangenen Jahr brachte der Basar einen Erlös von mehr als 20 000 Euro. „Und das, obwohl nur mit kleinen Beträgen gehandelt wird“, betont Pfarrer Jost Mazuch, der wie der Küster anfasst, wenn starke Männer gebraucht werden. Denn der Flohmarkt ist ein Schnäppchen-Paradies. Nur wenige ausgesuchte Teile kosten mehr als fünf Euro. Das meiste wechselt für einen, zwei oder drei Euro den Besitzer.
Immerhin dient die Aktion sozialen Zwecken. So geht der Überschuss in die Behindertenarbeit in der Gemeinde. Darüber hinaus sei die Veranstaltung ein großes Ereignis, das die Gemeinde zusammenschweiße, lobt der Pfarrer.