UniklinikEndlich geradeaus schauen

Professor Joachim Zöller untersucht die stark seitwärts verschobene linke Gesichtshälfte des Jungen vor der Operation.
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Sülz – In fünf Stunden und 50 Minuten veränderte sich das Leben von Marik, einem kleinen ägyptischen Jungen (Name geändert). Der Sechsjährige erhielt ein Gesicht, so wie es als normal empfunden wird. Und er kann jetzt auch mit beiden Augen deutlich sehen. „Ich bin schön geworden!“ Diesen Jubelruf habe sie den ganzen Tag über immer wieder von ihrem Sohn gehört, nachdem ihm die Verbände vom Kopf abgenommen worden waren, erzählt die Mutter. Die Erleichterung ist ihr deutlich anzumerken. In der Kölner Uniklinik wird die Wundheilung zum letzten Mal vor der Heimreise betrachtet. Noch sind die Schwellungen im Gesicht stark. Doch die Mutter ist sich sicher: „Nun wird niemand mehr etwas zu seinem Aussehen sagen.“
Wuchernde Zyste des Gehirns
Die chirurgische Meisterleistung verdankt die Familie Professor Joachim Zöller, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie. Wie sich bei der ersten Untersuchung zeigte, hatte das Kind seit seiner Geburt eine Zyste des Gehirns, die ständig wuchs, sogar eine größere Lücke in der Schädeldecke verursachte und das Schädelwachstum so beeinflusste, dass die linke Augenhöhle samt Auge stark seitwärts getrieben wurde. In der Fachsprache wird das Hypertelorismus genannt.
Die Zyste musste entfernt und die Gesichtszüge gerichtet werden. Dazu wurden Knochenpartien aus der Gesichtsmitte entnommen, linke Schädelbereiche mit der gesamten linken knöchernen Augenhöhle, dem Auge und Nerven zur Gesichtsmitte hin verlagert sowie Knochenteile und eine Titanplatte an anderer Stelle eingesetzt. Außerdem wurde die Nase teilweise neu aufgebaut. Eine höchst risikoreiches Operationsprogramm, an das sich weltweit nicht einmal eine Handvoll Ärzte heranwagt, in Deutschland sonst niemand. Mit seinem Kollegen, dem Neurochirurgen Wernholt von Tempelhoff, und dem OP-Team gelang sie Professor Zöller in vergleichsweise kurzer Zeit.
Die ägyptische Familie hatte seit der Geburt ihres Sohnes nach Möglichkeiten einer Operation gesucht. Tatkräftige Unterstützung erhielt sie letztlich von einem Arzt im Bekanntenkreis. Er knüpfte den Kontakt nach Deutschland und begleitete sogar Mutter und Sohn auf ihrer Reise. „Ich habe eine Reihe solcher hilfebedürftiger Patienten“, erzählt der Mediziner. Mit seinem Namen möchte er ausdrücklich nicht genannt werden: „In Ägypten tut man Gutes lieber im Verborgenen.“ Für speziell diese Familie habe er auf privater Ebene das Reisegeld gesammelt. Die Mutter konnte auf dem Uniklinik-Gelände im Elternhaus wohnen. Die Kosten für die Operation selbst übernimmt die Uniklinik. „Alles ist gut verlaufen“, sagt Professor Zöller. „Ich freue mich über das Ergebnis. So eine Operation ist produktiv und bewirkt Positives.“
Nachoperation in Kairo
Ob der Chirurg den Jungen noch einmal wiedersieht, ist fraglich. Kleinere Nachoperationen im Gesicht könnten in Kairo gemacht werden. „Wenn die Nase im Alter von 16 Jahren ausgewachsen ist, muss sie noch einmal korrigiert werden“, so Professor Zöller. Mit Stolz blickt die Mutter auf ihren munteren Jungen, der voller Erkundungsdrang an Apparateknöpfen spielt. „Er ist jetzt in die Schule gekommen und die Lehrerin sagt, er ist der Klassenbeste.“