VeedelspaziergangMit Maite Kelly in der Kölner Altstadt

Maite Kelly mit der Hohenzollern-Brücke im Hintergrund
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Innenstadt – Zur Welt gekommen ist sie in Berlin. Ihre Wurzeln sind irisch-amerikanisch. Gelebt hat sie bislang in Deutschland, Irland und in Togo. Ob sie sich da überhaupt irgendwo auf der Welt zu Hause fühlt? „Ja, klar“, sagt Maite Kelly, „meine Heimat ist Köln. Das ist der Ort“, beschreibt die Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin, „an den ich die meisten Erinnerungen habe.“
Und denen möchte sie in der Innenstadt nachgehen. Zwar lebt sie mit Ehemann Florent Raimond und den Töchtern im Kölner Süden. „Die zwei haben dort eine ganz ungestörte Kindheit“, sagt Kelly, „sogar mit einem richtigen Veedels-Leben“ – dass sie vom Herbst an auch noch mit einem weiteren Geschwisterchen teilen werden. Kelly ist schwanger. „Und ich freue mich riesig auf unser kölsches Kind, vielleicht wird es ja ein Karnevalsjeck“, überlegt sie. Auf alle Fälle möchte sie, dass die Familie weiter ruhig leben kann, darum bummelt Kelly lieber durch die Altstadt, wo sie während ihrer eigenen Jugend wohnte.
„Als ich so 18, 19 Jahre alt war“, erinnert sich die Künstlerin, „da habe ich hier gelebt.“ Sie deutet auf das Haus Auf dem Rothenberg 6 in der Altstadt, ein Gebäude aus den 1930er Jahren, das unter Denkmalschutz steht. „Guck mal da oben“, zeigt sie mit dem Finger, „da links im vierten Stock, da habe ich in einem kleinen Zimmerchen gewohnt.“ Drei Quadratmeter, ein Fenster, Raum für eine Matratze und für Kellys Gitarre sei dort gewesen. „In der Wohnung lebte damals meine Schwester Patrizia mit ihrer Familie. Das Zimmerchen war frei, und ich war froh, dass ich dort unterkam.“ Kellys Vater Dan hatte kurz zuvor Schloss Gymnich gekauft, Maite Kelly mochte aber nicht mit nach Erftstadt ziehen. „Ich hatte gerade meine rebellische Phase“, meint sie, grinst und wirft die blonden Haare zurück. Dem Vater hätte es zwar missfallen, dass sie nicht mit ins Kölner Umland gegangen sei. „Aber ich habe ihn am Wochenende immer besucht und ihn mit Eis bestochen. Er hat Eis geliebt“, schildert sie, „am liebsten mochte er Erdbeere.“ Die Besuche hätten ihm gefallen. „Außerdem wusste er nach dieser Zeit: Wenn ich gegen ihn aufbegehren kann, dann kann ich mich auch gegen den Rest der Welt durchsetzen.“
Inspiration in der Nacht
Der im Jahr 2002 verstorbene Vater Dan hatte die Familienband Kelly Family gegründet, mit der auch Maite und ihre elf Geschwister auf der ganzen Welt auftraten. „Einige meiner besten Songs“, findet die Musikerin, „habe ich hier in der Altstadt geschrieben. Da bin ich manchmal nachts um drei mit einer Inspiration aufgewacht und habe losgelegt.“ Gut, das habe dem Nachbarn nicht gefallen, der dann von nebenan geklopft habe. Und es seien auch keine Songs gewesen, die je auf ein Album gelangt seien. „Aber die waren für mich gut, die waren reinigend. Es ging um die Trennung vom ersten Freund, ums Erwachsen werden, um Wachstumsschmerz, so was.“ Mit einem Lächeln schaut Kelly noch einmal hinauf zum weiß getünchten Giebel.
Langsam läuft sie schließlich weiter; Kelly muss achtgeben, die weißen Peeptoes mit dem Keilabsatz sind nicht geschustert für die Pflastersteine der Altstadt. Zum Eisenmarkt will sie, auf dem Weg dorthin erzählt sie von den sonntäglichen, französischen Messen, die sie schon mal in Groß Sankt Martin besuche („Mein Mann ist ja Franzose“). Sie erzählt von den Familiennachmittagen am Rhein, wo die Kinder auch im Fahranfänger-Zickzack Rad fahren könnten.
Dann fällt ihr am Durchgang zum Eisenmarkt ein Graffito auf, Stefan Wefers hat eine Ansicht der Altstadt auf die Wände gesprüht. Kelly fährt die Wand mit ihren Augen ab. „Ein verstecktes kleines Kunstwerk“, freut sich die Entdeckerin. „Aber jetzt“, fährt sie fort, „zeige ich euch meinen absoluten Lieblingsplatz!“
Es ist das Willy-Millowitsch-Denkmal, auf das sie am Eisenmarkt zielstrebig zusteuert. Rechts schwingt sie sich neben ihn auf die Bronze-Bank, lässt die Beine baumeln, lehnt sich an den verstorbenen Altmeister des Volkstheaters an. „Das ist mein Lieblingsdenkmal“, erzählt sie und erklärt das so: „Millowitsch steht für eine volksnahe Kultur.“ Die gefalle ihr auch, betont die frühere Straßenmusikerin. „Und dann hatte er eine so warmherzige Art, die das Denkmal wunderbar ausstrahlt. Guck mal, wenn du so neben ihm sitzt“, sie schmiegt sich an Millowitschs Bronze-Arm, „dann ist es, als umarme er dich. Das liebe ich sehr.“
Wie sie überhaupt den ganzen Eisenmarkt mag. „Ich verstehe nicht, warum hier so selten Touristen sind“, meint Kelly. „Als ich vor gut vier Jahren im Musical Dome in »Hairspray« gespielt habe, bin ich in den Proben-Pausen oft hergekommen. Immer dann, wenn ich Ruhe brauchte, die findest du hier garantiert. Hier ist nie einer.“
Karrierestart im Musical-Dome
Dabei gäbe es nicht nur die Gelegenheit, mit Willy Millowitschs Ebenbild zu kuscheln, sondern auch, sich das benachbarte Hänneschen-Theater anzuschauen. „Ist doch herrlich hier, oder?“, will Maite Kelly wissen. Vielleicht findet sie es auch besonders schön am Eisenmarkt, weil der Platz sie an die Zeit im Musical Dome erinnert. Dort nämlich, wo ihre zweite Karriere richtig begonnen habe, wie sie es beschreibt. Durch die Arbeit an „Hairspray“, habe sich die Musikerin Kelly zur Schauspielerin weiterentwickelt. Sie probt auch schon wieder, im Sommer wird sie zu sehen sein im historischen Musical „Die schwarzen Brüder“ auf Schloss Bückeburg in der gleichnamigen niedersächsischen Kleinstadt. Die liegt gut zwei Autostunden von Köln entfernt.
Während der Viertel-Fußstunde, die Kelly unterwegs ist zwischen Altstadt und Apostelnstraße, erzählt sie vom schon lange gehegten Wunsch, ihr Tanzen zu verbessern. Da sei vor drei Jahren die Anfrage zur Teilnahme an der RTL-Show Let’s Dance gerade recht gekommen. „Mein Tanzpartner Christian Polanc war ein wahnsinnig guter Lehrer“, schwärmt Kelly. Deutscher Meister in der Kür bei den Latein-Tänzen immerhin und auch noch so gut, dass der Ingolstädter Kelly zum Sieg in der Fernseh-Sendung führte.
Trainiert haben die beiden in mehreren Tanzschulen, unter anderem in der Schulerecki an der Apostelnstraße 14-18. Kelly deutet auf die alte Reklame mit stilisiertem Tanzpaar, die über dem Eingang prangt. „Sieht das nicht fabelhaft aus? So Old School.“ Und ein besonderer Ort für sie. „Da hatte ich meine allererste Tanzstunde mit Christian. Cha Cha Cha.“ Und wenn sie mal eine Pause brauchten, dann hätten sie das Törtchen Törtchen besucht, das Café schräg gegenüber an der Apostelnstraße 19. Die Glas-Auslagen sind gefüllt mit feinster Patisserie: grüne Pistazien-Macarons liegen da zum Beispiel, weiße Vanille-Éclairs und rote Cassis-Schoko-Törtchen mit einem Schokoblatt, einer Himbeere- und einer Blaubeere darauf.
Als Kellnerin Nina Neumann einen Cappuccino vor Maite Kelly auf den Holztisch stellt, bestellt die Zweifach-Mama noch drei Croissants. „Die muss ich mit nach Hause nehmen, mein Mann und die Kinder lieben die.“ Genauso wie die Macarons seien sie ein fester Bestandteil des sonntäglichen Kaffee- und Kuchen-Rituals. „16 Uhr, dann geht es los“, verrät Kelly. Und ist in Gedanken vielleicht schon bei der nächsten Kaffeestunde, die mindestens so sehr zu ihrer Heimat gehört wie auch der Kölner Dom.