Mein VeedelMit Nazan Eckes durch die Innenstadt

„Die 22, bitte“ – Nazan Eckes vor den Tischen des Restaurants Kittichai
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„Kommen sie zum Kiosk an der Alten Wallgasse, zwischen 9 und 10 Uhr. Dann ist es in der Gegend noch angenehm leer, die Ladenbesitzer öffnen so langsam ihre Türen, und das Veedel erwacht“, sagt Nazan Eckes am anderen Ende der Leitung.
Die Fußgängerzone ist leer, die Geschäfte sind noch geschlossen, hier und da ein Lieferwagen. Vor dem Kiosk steht sie schon, mit Mantel und Hut, die Frau, die man sonst vor allem in Abendkleidern sieht. „Ich genieße die morgendliche Stimmung in der Millionenstadt Köln“, sagt sie.
Zum Wachwerden gibt es Kaffee im Pappbecher. Nazan Eckes ist hier Stammkundin. Die Kioskbesitzerin, Hanna Cha Celebi, ist Koreanerin, geboren in Köln und seit 17 Jahren mit dem Türken Kadir Celebi verheiratet. „Mein Veedel ist, wenn ich alles um die Ecke besorgen kann. Ich brauche das Gefühl, gut versorgt zu sein: ob eine Zeitung, Kaffee oder Milch, die Tomaten für das Omelette, die ich vergessen habe. Hier brauche ich nur kurz um die Ecke zu gehen. Obwohl es in der Nähe drei weitere Kioske gibt, komme ich immer hier her, das ist mein Kiosk“, erzählt die RTL-Moderatorin, trinkt den Kaffee aus und geht.
Favorit Krümelmonster
Gegenüber befindet sich, in verspieltem Ambiente, „Royal Cupcakes“, eine Konditorei, in der man nicht nur den Froschkönig, sondern auch den King of Pop oder Sissi vernaschen kann – alles aus Schokolade und anderen Süßigkeiten. „Der Laden hat zum Glück noch geschlossen. Wenn ich mir aber was gönne, beispielsweise nach einer anstrengenden Show, dann das Krümelmonster“, sagt Nazan Eckes.
Die Schaufenster scheinen sie nicht zu beeindrucken, und einen Lieblingsladen, in dem sie Kleidung einkauft, hat sie hier wohl auch nicht. „Ich dachte immer, wenn ich mitten in der Stadt wohne, dann ist das mein finanzieller Untergang. Aber das stimmt nicht, wenn man die Sachen immer vor der Haustür hat, verliert der Konsum irgendwann seinen Reiz. Kleidung und Schuhe bestelle ich fast immer im Internet oder ich kaufe im Ausland ein. Ich schaue gerne nach Unikaten, dann begegne ich in Köln in der Regel keinem Duplikat.“
Dann bleibt sie vor dem Kitti Chai stehen, einem stylisch eingerichteten asiatischen Restaurant mit lila-grünem Interieur. Es ist bei jungen Leuten sehr beliebt wegen der Thai-Showküche und der Cocktailbar. Aber das ist für die 37-Jährige sekundär. „Hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich esse immer die Nummer 22, gebratenes Hühnchen mit Reis und Gemüse. Wenn ich etwas bestelle, dann immer dasselbe. Ich will keine Abenteuer eingehen und dann enttäuscht sein“, sagt die RTL-Moderatorin. Meist bestellt sie ihr Essen telefonisch und holt es dann im Jogginganzug und mit Pudelmütze ab – inkognito. „Ich genieße es, im Jogginganzug, mit Boots und einer Mütze mal eben einzukaufen. Ich besitze Unmengen von Jogginganzügen in allen Grautönen. Eitel bin ich nur in meiner Funktion als RTL-Mensch, da neige ich zum Perfektionismus. Privat genieße ich es, unerkannt unterwegs zu sein.“
Es geht weiter über die Ehrenstraße in Richtung Innenstadt. Irgendwie scheint diese superschlanke, kleine Frau sich in kulinarischen Dingen in ihrem Veedel bestens auszukennen.
An der Ecke Ehrenstraße/Friesenwall bleibt sie am Käsehaus stehen. „Ein superschöner Käseladen. Hier gibt es über 300 Käsesorten, hier kaufe ich zu besonderen Anlässen ein. Das ist kein Laden für den täglichen Bedarf.“
„In der Türkei gibt es auch so etwas wie Viertel, in den Großstädten bilden sich Grüppchen, die zusammenhalten und die Brötchen immer in denselben Geschäften kaufen. Die Kommunikation auf der Straße ist aber viel intensiver, das wünsche ich mir manchmal auch in Köln.“
Nazan Eckes fühlt sich ihren türkischen Wurzeln und der türkischen Kultur verbunden, obwohl sie in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, hier ihr Abitur gemacht hat. Sie macht sich viele Gedanken über das Leben von Migranten in Deutschland. „Integration beginnt im Kopf. Sich komplett anzupassen, finde ich ganz schlimm. Man sollte aber aufgeschlossen gegenüber anderen Sachen sein. Akzeptieren, respektieren oder zumindest sich mit dem Gastland auseinanderzusetzen, das ist ganz wichtig. Dann kann so ein Veedel für viele ein Stück Heimat werden“, sagt Nazan Eckes, die als Kind einer türkischen Einwandererfamilie im Kindergarten und in der Schule die Gratwanderung zwischen den Kulturen hautnah erlebte. „Anfeindungen wegen meiner türkischen Herkunft habe ich nur selten erlebt. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber Idioten gibt es überall. Als Jugendliche habe ich schon gemerkt, dass es bei uns zu Hause etwas anders war als bei meinen deutschen Freunden. Ich durfte nicht so oft und so lange weg gehen, aber ich bin da unbeschadet herausgekommen“, erzählt sie und öffnet die Tür der Chocolaterie von Marco Mühlberg.
Seit sieben Jahren verbirgt sich hinter der Jugendstilfassade die ganze Welt der Schokolade. In Tafeln, aber auch in der Tasse, kalt und heiß, würzig und süß. „Ich habe regelmäßig Appetit auf Süßes. Nach dem Essen so ein Sachertörtchen – das ist einfach perfekt. Ich genieße diese Laden-Atmosphäre, vor allem aber diese Minikuchen. Wenn meine Auftritte in den engen Kleidern weit weg sind, dann gönne ich mir diese Köstlichkeiten. Die sind nicht nur ein Gaumenschmaus, sondern auch eine Augenweide.“
Der typische Tag im Veedel
Auf dem Rückweg kommen wir in der Gertudenstraße am Theater Klüngelpütz vorbei, aber Nazan Eckes verbringt die Abende lieber daheim. In Köln geht sie mit ihrem Mann nur selten in die Oper oder das Theater. „In der eigenen Stadt nimmt man solche Gelegenheiten leider viel zu selten wahr. Ein typischer Tag im Veedel dagegen ist einfach nur gemütlich: ausschlafen, joggen, frühstücken, Zeitungen lesen. Am liebsten sitzen wir zu Hause und machen unaufgeregte Dinge.“
Zielstrebig steuert Nazan Eckes den Blumenstand an. Jörg Schmidt, der Blumenhändler, der hier seit acht Jahren von Montag bis Samstag steht, von morgens bis abends, kennt die RTL-Moderatorin aus dem Fernsehen. Dass sie regelmäßig bei ihm Blumen einkauft, ist ihm aber noch nicht aufgefallen, wie auch, wenn sie sich auch hier mit grauem Jogginganzug und Pudelmütze unter das Volk mischt.
„Ich kaufe wahnsinnig gerne frische Blumen, Rosen sind meine Lieblingsblumen. Ich kaufe sie in allen Farben, nur die roten sind meinem Mann vorbehalten, die schenkt er mir regelmäßig“, sagt die 37-Jährige, die seit einem Jahr mit dem Wiener Maler Julian Khol verheiratet ist.
„Ich liebe mein Veedel, die Aufgeschlossenheit der Kölner. Köln ist die sympathischste und warmherzigste Stadt Deutschlands. Ich mag, dass hier jeder seinen Platz findet – ob schwul, lesbisch, arm, reich oder Ausländer. Einfach eine coole, bunte Szene.“