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Menschen am DomDas Gedächtnis des Weltkulturerbes

Lesezeit 3 Minuten

Klaus Hardering, Leiter des Dombauarchivs, hütet seine Schätze unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Köln – Klaus Hardering ist schon ein wenig stolz auf seine Neuerwerbung. Im breiten vergoldeten Rahmen hängt das Bild des Antwerpener Künstlers Joseph Pierre Emile de Cauwer in einem Büro der Dombauverwaltung. Es zeigt eine Innenansicht der Kathedrale aus dem Jahr 1857, ein Blick ins nördliche Querhaus, man sieht die hölzerne Zwischendecke, die während der Bauarbeiten eingezogen worden war; helles Licht erfüllt den Kirchenraum. „Das Bild galt eigentlich als verschollen“, sagt Hardering. Es war in Kölner Privatbesitz – Hardering hat davon erfahren und es gekauft. „Das Bild ist in sehr gutem Zustand und muss nur gereinigt werden“, sagt der 49-Jährige.

Der Erwerb solcher Kostbarkeiten ist Teil seines Geschäfts. Der promovierte Kunsthistoriker, in Krefeld geboren, leitet seit 2007 das Dombauarchiv, so etwas wie das Gedächtnis des Weltkulturerbes Kölner Dom: 15.000 bis 20.000 Pläne, Zeichnungen, Druckgrafiken oder Poster, die Korrespondenz über den Weiterbau des Domes im 19. Jahrhundert, Bestellungen, Rechnungen, 1:1-Vorlagen für die Erstellung der Domfenster, die Bibliothek des Domkapitels, zwei Dreikönigen-Sammlungen (unter anderem mit einem schwedischen Wandteppich), das Archiv des Zentral-Dombau-Vereins, dazu Gemälde, Skulpturen, Vasen, Kunsthandwerk, das Domklöppel-Kostüm, das ein Fernsehreporter bei der Übertragung der Karnevalszüge getragen hat – all das wird im Verwaltungsgebäude am Roncalliplatz aufbewahrt. Übrigens auch die so genannten Steinmetzrollen, in denen, nach Gewerken geordnet, alle Mitarbeiter der Dombauhütte aufgeführt sind – und aus denen zum Beispiel hervorgeht, dass „eine Mitgliedschaft in der SPD damals ein Grund für einen Rauswurf war“.

Die Archivalien dokumentieren allerdings keineswegs die komplette Baugeschichte der gotischen Kathedrale. „Über den Dombau im Mittelalter sind so gut wie keine Unterlagen erhalten“, sagt Hardering. Im Jahr 1794 hätten die Franzosen das gesamte Archiv „auf Ochsenkarren nach Paris gebracht“. Was mit dem wertvollen Bestand passiert ist – „wir wissen es nicht“. Am liebsten würde der Archivleiter einen französischen Kunsthistoriker mit einem Forschungsauftrag „auf Spurensuche“ in die französische Hauptstadt schicken. „Wenn die Unterlagen damals Paris erreicht haben, müssten sie doch noch irgendwo sein.“

Forschungsprojekt des Wallraf

Die Verwaltung des Archivs („Ich muss wissen, was wo liegt, und entscheiden, was archiv-würdig ist und was nicht“) ist allerdings nur ein Teil von Harderings Arbeit. Er ist auch für die Kunstwerke im Dom verantwortlich, für die Altäre, für die Chorpfeiler-Figuren und die Chorschranken-Malereien, die derzeit aufwendig restauriert werden. Und auch für den weltberühmten Lochner-Altar, an dem gerade ein aufsehenerregendes Forschungsprojekt des Wallraf-Richartz-Museums läuft: Experten untersuchen die Gemälde mit einem Infrarot-Scanner, mit dessen Hilfe sie die „Unterzeichnungen“, sozusagen Lochners Skizzen, sichtbar machen.

Hardering, der auch noch Mitherausgeber und Schriftleiter des jährlich erscheinenden Domblattes ist, hütet seine Schätze quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er würde das gerne ändern, „mein Traum ist ein Dommuseum“, sagt er. „Das wäre ein Selbstläufer bei so vielen schönen Ausstellungsstücken.“ Präsentiert werden könnten sie zum Beispiel in den Räumen des ehemaligen Diözesanmuseums (jetzt in Kolumba untergebracht) im selben Haus. Da wäre dann auch Platz für seinen jüngsten „Coup“, ein riesiges Bild des Fotografen Boris Becker, das die Westfassade des Domes mit einer knalligen blauen Arbeits-Plane zeigt. Die Museums-Idee lässt Hardering nicht los.

Er hat eine Theorie, worin die erfolgreiche Arbeit der Dombauhütte begründet liegt: „Es ist die ideale Kombination aus handwerklichen Fähigkeiten auf der einen und Wissenschaft und Forschung auf der anderen Seite“, sagt der Archivleiter. „Dieses Zusammenspiel zu trennen, wäre ein fataler Fehler.“