Mit Geduld und Spezialkleber
Südstadt – Es mag klingen wie ein abgedroschenes Klischee. Doch seine berufliche Leidenschaft hat der Kölner Porzellanrestaurator Eberhard Schulz tatsächlich schon beim Puzzeln als Kind entdeckt. Und so puzzelt er gewissermaßen auch heute noch – nun aber eben mit dem Ziel, Scherbenhaufen wieder zu Vasen oder Tellern zusammenzusetzen Ein anspruchsvoller Beruf, der Geduld erfordert – und vom Aussterben bedroht ist.
An manchen Tagen kann Eberhard Schulz keine Ablenkung gebrauchen. Dann schaltet er das Radio ab, den Anrufbeantworter ein und verschließt die Tür seines kleinen Ladens im Kartäuserhof. „Wenn ich einmal angefangen habe zu kleben, kann ich die Arbeit nur noch schwer unterbrechen“, erklärt Schulz. Oft arbeite er bis in die Nacht. 20 Stunden für eine zerbrochene Vase seien normal – denn immerhin steht der 57-Jährige immer wieder vor einem riesigen Scherbenhaufen: „Das mache ich nicht zwischen 20-Uhr-Nachrichten und Wetterbericht“, erklärt der Experte, der nebenbei auch als Sachverständiger tätig ist. „Es ist ja nicht so, dass ich da nur etwas zusammenpappe. Es ist vielmehr ein feinfühliges Zusammensetzen der einzelnen Teile.“ An diesem betriebsamen Montagmorgen öffnet er die Tür.
Eine Kundin hat geklingelt, sie bringt eine Porzellanschale mit abgebrochenem Griff. Ein Versehen, eine kleine Unachtsamkeit. „Aber um noch ein Klischee zu bemühen: Es ist wirklich oft so, dass Kunden mit dem teuren Erbstück des Nachbarn, das beim Urlaubs-Blumengießen heruntergefallen ist, vorbeikommen“, erzählt Schulz.
In dem kleinen Laden stapeln sich Porzellangefäße, Teller und Figuren in Regalen bis unter die Decke. Manche klein und in schlichtem Weiß, andere groß, bunt und pompös. Schulz verarbeitet das „Weiße Gold“, wie der Werkstoff mit Geschichte bis ins 7. Jahrhundert genannt wird, nicht selbst, er restauriert ausschließlich – und das sogar so präzise, dass ein von ihm restaurierter Leuchter in einem Kölner Auktionshaus vergangenes Jahr für 74 000 Euro versteigert wurde. Die Schale seiner heutigen Kundin steht nun auf seinem Werktisch im hinteren Teil des Ladens. Eine Routineaufgabe, die doch mehrere Stunden in Anspruch nehmen wird – vom Reinigen der Schale über das Anrühren und Auftragen des Klebers bis zum endgültigen Zusammensetzen des Stückes. Fehler darf er nicht machen, Geduld bis an die Grenze zur Meditation ist Grundvoraussetzung für diesen Beruf. Im Zweifelsfall muss Schulz eben nochmal von vorne beginnen.
Deshalb arbeitet er mit Spezialklebern, die deutlich langsamer aushärten als handelsübliche Kleber und noch dazu eine wesentlich dünnere Konsistenz aufweisen, damit die Klebenaht mit bloßem Auge kaum oder am besten gar nicht mehr sichtbar ist. „Da bleibt der Uhu in der Tube oder im Wald“, sagt Schulz mit einem Lächeln auf den Lippen – und öffnet einige Schubladen in seinem Laden: Darin lagert er Ersatzteile, kleine Porzellanblumen, abgebrochene Arme, Beine, Torsos und Köpfe von Porzellanfiguren, Becherhenkel. Viele der Bruchstücke seien Relikte der Berliner Werkstatt seiner Vorfahren, die während des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde.
Auch Eberhard Schulz ist gebürtiger Berliner und betreibt die Kölner Werkstatt seit 1986. Das Werk seiner Familie führt er damit in der fünften Generation fort. „Und ich bin auch die letzte Generation, die dieses Handwerk machen wird“, sagt Schulz.
Denn noch immer ist rares Porzellan viel Geld wert – das sei zumindest die heutige „Generation Ikea und To-Go-Becher“, wie Schulz sagt, nicht mehr zu zahlen bereit – erst recht nicht eine Reparatur kaputtgegangener Stücke. 75 Euro nimmt Schulz pro Stunde. „Damit liege ich unter jeder Autowerkstatt“, sagt er. Dass das Leben als Restaurator nicht immer einfach sein wird, hätten ihm schon seine Eltern prophezeit. Und trotzdem habe er es nie bereut, in die Fußstapfen seiner Vorfahren getreten zu sein.
Doch noch nie ist das Interesse für das „Weiße Gold“, das der 57-Jährige wegen seiner vielfältigen Geschichte mit Wurzeln in China als Kulturgut versteht, so gering gewesen, sagt Schulz. „Ganz einfach zu akzeptieren ist das nicht.“
Porzellanwerkstatt Eberhard Schulz, Kartäuserhof 11, 50678 Köln, 0221/ 318668
pozellanwerkstatt-koeln.de
Eberhard Schulz