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VeedelsspaziergangMit Herbert Meurer durch Buchheim

Lesezeit 6 Minuten

Seit 40 Jahren wohnt der im Severinsviertel geborene Schauspieler Herbert Meurer in Buchheim. Für ihn ist es nicht mehr das Viertel, das es einmal war.

Buchheim – Es gibt Kölner, die so stolz auf ihr Veedel sind, dass sie den Namen auf ihrem Frühstücksbrettchen stehen oder gar auf dem Oberarm eintätowiert haben. Zu dieser Gattung zählt Herbert Meurer nicht. Er ist zwar Kölner – im Severinsviertel geboren – und durchaus heimatverbunden, wie das Kölner Wappen an seiner Eingangstür erkennen lässt. Doch wenn er könnte, würde er sein Buchheimer Haus, den schönen Garten und natürlich seine Frau Annelie nehmen und „wahrscheinlich nach Klettenberg oder mitten auf den Neumarkt“ verpflanzen. Weshalb? „Weil das hier nicht mehr das Viertel ist, das es mal gegeben hat“.

Bevor der Schauspieler vor 40 Jahren das weiße Eckhaus in Buchheim bezog, hatte er bereits in Ehrenfeld, Lindenthal, Nippes und Holweide gewohnt. Sein neuer Vermieter, ein ehemaliger Kölner Stadtkämmerer, hatte bei Meurers Einzug zwar betont, dass er das Haus „niemals verkaufen“ würde. Doch er sollte genauso irren, wie Meurers Vater, der die Begeisterung seines Sohnes für die Schauspielerei anfangs mit dem lapidaren Satz abtat, dass der Mensch schließlich ein Hobby brauche.

Erste Rolle mit Felmy

Als Meurer seine ersten Schritte durch Buchheim machte, 1974 war das, nahm im Fernsehen gerade ein neuer, charismatischer Kommissar namens Haverkamp seine Ermittlungen auf. Und Meurer, der seine Schauspielausbildung heimlich absolviert hatte, während er zeitgleich sein Maschinenbau-Diplom erwarb, bekam in einem dieser ersten Felmy-Tatorte seine erste Fernsehrolle. Natürlich konnte er damals noch nicht ahnen, dass dieser Rolle mehr als 170 weitere folgen sollten: Nicht nur im Tatort oder Polizeiruf, auch bei diesen Drombuschs, in der Lindenstraße, im Handwerksbetrieb Holtmann und viele mehr. Er spielte unter anderem in 36 Folgen Forstinspektor Buchholz den Pit, in 46 Folgen der Anrheiner den Pit Schultes und in insgesamt 168 Folgen der Stadtklinik den Dr.  Walther Schmidt.

Fast wundert man sich, dass niemand „Hallo, Herr Doktor!“ ruft, während wir den diplomierten Bauingenieur durch seinen Stadtteil begleiten. Weil es nach wenigen Schritten zu schütten beginnt, beschließen wir, uns einer von Meurers regelmäßigen Anlaufstellen mit dem Auto zu nähern.

Wir fahren auf der Kattowitzer Straße vorbei an einem Haus, dessen Vorgarten mit einem monumentalen Löwen und anderen lebensgroßen Tieren geschmückt ist, passieren „die ehemalige Bildungsanstalt unseres Sohnes“, wo der heute 42-Jährige seinen Heimvorteil nutzte: „Der lag bis 7.55 Uhr im Bett, unterbrach dann vorübergehend seinen Schlaf und kam mittags wieder nach Hause.“

Die Rede ist vom Herder-Gymnasium, von dem aus uns nur noch eine kurze Wegstrecke und eine scheußliche Straßenbahnuntertunnelung von Jacques' Weindepot trennt. Es ist nicht irgendeine Filiale, sondern war damals die 16. der heute 286 Geschäfte zählenden Kette. Uns öffnet Walter Bormeister, der neben Wein auch auch feine Delikatessen, Terrinen, Olivenpasten oder Kapernäpfel verkauft.

Bormeister, seit 36 Jahren im Geschäft, sei „sein liebster Weinhändler“, schwärmt Meurer. Einer, der ihn immer perfekt berate und dem er eigentlich gar nicht sagen müsse, was er möchte. Wir stehen in den Räumlichkeiten, die früher mal Pferdestall waren und heute jedem Besucher das Gefühl eines Mini-Urlaubs in Frankreich vermitteln. Durch eine Seitentür gelangen wir in den Hof, wo die Traktoren von Hubert Peters stehen. Er ist der Pächter der zur Herler Burg gehörenden Landwirtschaft. 110 Hektar Ackerland, überwiegend Zuckerrüben und Raps. „Es ist sehr schwer hier mitten in der Stadt“, klagt Peters, der mit seinem voluminösen Mähdrescher Staus erzeugt und den Zorn der Autofahrer auf sich zieht. Während wir an Pferden vorbei auf die Burg zulaufen, erinnert Meurer sich, dass er für seine Rolle des Baron Münchhausen ebenfalls Reiten lernen musste.

Anstelle eines Hofhundes baut sich ein siebenköpfiges Wachkommando vor uns auf. „Die zetern ganz schön rum, wenn denen was nicht passt“, sagt der Burgherr mit Blick auf seine Gänsetruppe. Horst Schlaghecken ist ein agiler Mann im Alter von 76 Jahren. Als er vom Niederrhein herzog, war er ein junger Bursche von 15 Jahren. Weil die Stadt Köln damals unbedingt Geld brauchte, habe sein Vater das Anwesen 1951 zu einem erschwinglichen Preis erwerben können. Am liebsten hätte man ihm damals den ganzen Pfälzer Ring verscherbelt, doch sein Vater hatte kein Interesse, was er später bereute. Wir betrachten gemeinsam das von Wasser umgebene, noch immer herrschaftlich wirkende Gebäude, das von Schlaghecken, seiner Frau, dem Schwiegersohn und Enkeln bewohnt wird. Inmitten dieser ländlichen Idylle kann man sich nur schwer vorstellen, kaum zehn Autominuten vom Wiener Platz entfernt zu sein.

Nach einem Blick auf den Strundener Bach kehren wir dem Hof den Rücken und bewegen uns vom Buchheimer Ring über die Herler Straße Richtung Frankfurter Straße. An der Ecke Alte Wipperfürther Straße schauen wir auf eine alte Platane. In Frankreich würde der sandige Grund des kleinen Platzes wahrscheinlich zum Boulespielen genutzt.

Wenig einladend

Hier wirkt das Umfeld, abgesehen vom Autoverkehr, nicht sonderlich lebendig, weil viele Geschäfte mit undurchschaubarem Milchglas versehen sind. „Dort war früher ein toller Blumenladen“, sagt Meurer und deutet auf ein Haus, das nun einen dieser Imbisse beherbergt, die irgendwie alle gleich aussehen. Es komme ihm so vor, sagt Meurer, als bestehe Buchheim zu einem großen Teil „nur noch aus Friseuren, Spielbanken, Nagelstudios und Ein-Euro-Läden“. „Einst war hier das Nobelviertel, wo Dany Dattel und Konsorten die Millionen verschoben haben“.

Wir laufen die Frankfurter Straße in nordwestliche Richtung, durchqueren die wenig einladende Unterführung, die die Trennlinie zum Stadtteil Mülheim markiert und betreten das Geschäft von Barso Timirci. Der 65-jährige Türke begrüßt Meurer, umarmt ihn wie einen alten Freund und strahlt. Seine Änderungsschneiderei gehört zu der Sorte von Geschäften, in die man tritt und sofort denkt: „Hier darf nie renoviert werden!“ Auf der Ladentheke des Schneiders steht eine Fotografie, die Herbert Meurer noch so zeigt, wie man ihn jahrzehntelang im Fernsehen sah: Mit Schnäuzer. „Er macht alles möglich“, erklärt Meurer mit Blick auf den weißhaarigen Türken, der ihm wahlweise Hosen kürzt oder den Bund weitet und tatsächlich noch eine Pelznähmaschine aus der 1833 gegründeten Fahrrad- und Nähmaschinenfabrik Strobel & Söhne besitzt.

Wieder draußen auf der Frankfurter Straße blickt Meurer noch einmal Richtung Mülheim: „Jetzt haben die die Straße für 1,3 Millionen schön gemacht. Aber schauen Sie sich die Fahrradwege an. Da kommt doch kein Auto mehr dran vorbei.“ Wir laufen weiter in die entgegengesetzte Richtung. Dabei erzählt der 68-Jährige, wie er einst nach einer Vorstellung einen Zettel zugeschoben bekam, auf dem stand: Trude Herr zurückrufen. Ungeachtet der vorgerückten Stunde habe sie ihn sofort zu sich in ihr Theater im Vringsveedel zitiert und ihm erklärt, ihr sei jemand ausgefallen. Noch in derselben Nacht hat Meurer sich 120 Din-A-4 Seiten Text eingebläut und tags drauf „mit zitternden Knien“ auf der Bühne gestanden. Das Stück, „der große Hit“ wurde ein großer Hit und der Beginn einer langen Freundschaft.

Inzwischen stehen wir an einem Ort, wo Meurer und seine Frau sich noch richtig zu Hause fühlen. Jozo Bosnjaks Restaurant „Zum Buchheimer Kreuz“ ist seit 35 Jahren ein Familienbetrieb.