Mode in Köln„Klare Trends waren gestern“

Seit 30 Jahren stehen Daniel Riedo (l.) und Klaus Ritzenhöfer hinter dem Concept Store„Apropos“. Ihr Alter verraten sie nicht.
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Herr Ritzenhöfer, Herr Riedo, gerade sind Sie auf internationaler Einkaufstour und stellen Ihr Sortiment für das kommende Frühjahr zusammen. New York, London, Mailand, Paris. Und dann kommen Sie nach Köln zurück, und denken...?
Klaus Ritzenhöfer: Alles prima. Köln ist unsere Homebase. Man muss sich hier nicht wahnsinnig fein machen, um einkaufen zu gehen. Das ist in Düsseldorf ganz anders, dort achten die Leute sehr darauf, was sie tragen. Das macht es schon sehr sympathisch in Köln, hier ist es etwas legerer.
Klaus Ritzenhöfer und Daniel Riedo sind Geschäftsführer von „Apropos – the Concept Store“, in Köln in der Mittelstraße 3 und 12. Vor 30 Jahren eröffneten sie ihr erstes Geschäft in Gummersbach. Mit internationalen Designern starteten sie in Köln. In ihren Boutiquen mixen sie Mode, Beauty-Artikel und Einrichtungsgegenstände. Weitere Filialen gibt es in Düsseldorf und Hamburg, sowie in München ein reines Herrengeschäft.
Dieses Jahr feiern Sie 30-jähriges Firmenjubiläum. In Gummersbach haben Sie angefangen – was veranlasste Sie dazu, in Köln eine Designerboutique zu eröffnen?
Ritzenhöfer: Etwa zehn Jahre später, Mitte der 1990er Jahre, hatten die amerikanischen Kollektionen ihre Hoch-Zeit, allen voran Donna Karan und Calvin Klein. Wir wollten unser bestehendes Sortiment erweitern und fanden, das würde gut passen. Wir wollten uns internationaler aufstellen. Aber die Amerikaner wollten nicht in einem Ort mit 50 000 Einwohnern ins Europa-Geschäft einsteigen. Sie machten den Umzug in eine größere Stadt zur Bedingung. So kamen wir nach Köln.
Daniel Riedo: Wir zogen in die Mittelstraße, ins Souterrain. Die Mittelstraße fanden wir gut, sie war lebendig, hochwertig, mit inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften. Dann hatten wir Eröffnungsfeier, die auch wirklich gut besucht war, aber wir hatten kaum Ware. Die Kollektionen kamen peu à peu. Und zwar aus Amerika – das war für alle neu.
Wenn Sie an Ihren Anfang zurückdenken: Worin lag die Verführung der Mode – 1984?
Ritzenhöfer: Der Spaß an der Mode war damals viel extremer. Es gab ganz klare Trends. Die Verführung war leichter. Kurz: Es war die goldene Dekade, die Kunden waren bereit, schnell viel Geld auszugeben.
Riedo: Nichts ging ohne Mega-Schultern – in den Damen- wie in den Herrenkollektionen. Wir haben Schulterpolster sogar einzeln verkauft. Die gesamte Silhouette war anders, viel kantiger, aggressiver, mit Farbe, Pailletten und Stickereien. Und: Die Aussage der Kollektionen war viel präziser. Was sich heute ein wenig verloren hat. Es gibt keine einheitliche Meinung mehr wie: Der Rock muss kurz sein. Wenn früher Lagerfeld sagte, ich mache Röcke bis zum Knie, dann galt das als ein geschriebenes Gesetz.
Das klingt, als vermissten Sie etwas bei der neuen Vielfalt?
Ritzenhöfer: Nein, wir sehen das positiv. Es ist eben anders. Und die Vielfalt hat den Vorteil, dass heute die Interpretation von Mode viel individueller ist. Die Looks der Straße haben größeren Einfluss, und wir als Händler haben die Chance, eigene Trends zu machen und unsere Ästhetik einzubringen. Früher war viel mehr vorgegeben, weil die Aussage der Kollektion viel präziser war.
Finden Sie das gut oder schlecht?
Ritzenhöfer: Man verkauft heute nicht mehr so häufig komplette Looks wie in den Achtzigern. Aber durch die Kombination haben wir eine ganz andere Gestaltungsmöglichkeit.
Fehlt der Mode nicht das Offizielle?
Riedo: Es gibt die Casualisierung mit den Sport-Elementen. Der Vorteil ist, Mode ist doch sehr viel bequemer geworden. Denken Sie an das Kostüm! Es ist zur Randerscheinung geworden, findet höchstens noch zu offiziellen Anlässen oder als Business-Look den Weg aus dem Kleiderschrank.
Ist Mode viel teurer geworden ?
Ritzenhöfer: Für eine hervorragende Kaschmir-Qualität von Jil Sander musste man auch Mitte der 80er Jahre schon viel Geld bezahlen. Die Bandbreite an Designern ist heute größer, und vielleicht sind die Preisspitzen etwas höher.
Nennen Sie bitte drei Gründe, warum ich 1500 Euro für eine Handtasche ausgeben soll?
Ritzenhöfer: Am einfachsten zu begreifen wird wohl das Argument der Qualität sein. Neben Nachhaltigkeit und Handarbeit ist das ein ganz großes Thema. Nehmen wir zum Beispiel Céline oder Bottega Veneta: An den Taschen wird bis zu 20, 30 Stunden gearbeitet. Die Lederqualität ist so herausragend, dass es eben keine Taschen für nur eine Saison sind, wo wir beim zweiten Grund wären. Die „Luggage“ von Céline etwa gibt es schon sehr lange, aber seit die Designerin Phoebe Philo sie fantasievoller gestaltet, ist sie trotz des Preises der Renner. Wenn die richtige Schauspielerin sie trägt, dann ist die Begehrlichkeit perfekt.
Außer den Geschäften in Köln und Düsseldorf führen Sie einen Concept Store in Hamburg und ein Herrengeschäft in München. Wie viel Mut erfordert es, in den stationären Handel zu investieren, während Online-Shopping immer mehr an Bedeutung gewinnt?
Riedo: Online hat nach wie vor die größten Zuwächse. Aber in unseren Geschäften geht es ja um die spannende Mischung. Einkaufen soll eine Entdeckungsreise sein. Es geht nicht darum, sich Luxus anzuschaffen, sondern um die Verführung. Ob es Nagellack von Louboutin ist oder eine Handtasche für 1500 Euro. Natürlich müssen wir unsere hochpreisigen Produkte verkaufen, sonst könnten wir gar nicht die Bandbreite auf dem Niveau anbieten. Das ist unser Vorteil gegenüber dem einsamen Einkauf im Netz.
Bei dem Anspruch – welche Chance hat ein Newcomer-Label ?
Ritzenhöfer: Viele führen wir seit ihrer ersten Saison: Prada zum Beispiel, damals mit den Nylon-Rucksäcken; Dorothee Schumacher seit ihrer ersten T-Shirt-Kollektion. Grundsätzlich muss uns das Design gefallen, es muss ins Sortiment passen. Dann sind wir ganz früh dabei.
Um noch einmal zu den Klischees zurückzukommen: Wie unterscheidet sich denn das Kölner Klientel von dem an Ihren übrigen Standorten ?
Riedo: Na ja, gar nicht mal so sehr. Wir dachten eigentlich, dass der Unterschied größer sei. Unser Publikum ist modisch, in allen Städten. In Hamburg sind wir mit der Vorstellung einer klassischen Stadt gestartet und dachten, dass Marineblau und Cremetöne gut funktionieren. Tatsächlich wurden wir von der Hamburgerin ziemlich überrascht, sie ist sehr modisch
Erfüllen sich die gängigen Stereotype wenigstens in Köln und Düsseldorf?
Ritzenhöfer: Ich habe immer die Vorstellung von New York uptown und downtown. Die Lebenseinstellungen sind einfach unterschiedlich. Düsseldorf ist in vielen Bereichen etwas perfekter, Köln lebt ganz bewusst das nicht ganz Perfekte sehr gerne. Es ist sicher etwas liberaler hier. Beides hat durchaus seinen Sinn. Man kann das auch gar nicht werten – nur immer wieder feststellen. Deshalb ist unsere Jeansabteilung hier auch größer als in den anderen Städten.
Was könnte sich denn am Einkaufserlebnis in Köln verbessern?
Riedo: Also die inhabergeführten Geschäfte in unserer Nachbarschaft sind fast verschwunden. Sie machten die Straße spannender, mit dem Einzug der Ketten geht die Individualität verloren. Aber so ist eben die Entwicklung. Es verlagert sich. In New York findet man das Individuelle noch in Soho, in Köln im Belgischen Viertel. Es beginnt mit dem Einzug der Kaffeefilialen, der Rest folgt dann. Anderseits ist es für uns eine große Chance, uns darzustellen. Eine Straße hat durch ein schönes Angebot eine hohe Frequenz, und plötzlich müssen die Händler absurd hohe Summen an Miete bezahlen. Was auf der Ehrenstraße begann, findet hier nun seine Fortsetzung. Ein paar hier halten zum Glück die Stellung.
Ritzenhöfer: Was fehlt? Ein tolles Lebensmittelgeschäft. Mit Dallmayr oder Käfer in München vergleichbar. Der Markt an der Apostelnkirche ist toll, aber wo kaufe ich denn zuverlässig, wenn nicht gerade Dienstag oder Freitag ist? Und beim Einkauf im Sinne von Schön und Spaß und schön dekoriert, da könnte der Kölner Handel auch nachrüsten.
Das Gespräch führte Eva Reik