Kulturschaffende verzweifeltPlötzliches Aus für die Kölner Hafenakademie

Lesezeit 4 Minuten
Hafenakademie

Die Kunst- und Kulturschaffenden der Hafenakademie sind zutiefst verunsichert

Mühlheim – Die Künstler und Kulturschaffenden des Vereins Hafenakademie Köln-Mülheim sind verzweifelt. Sie sollen ihre Räumlichkeiten auf dem Lindgens-Gelände an der Deutz-Mülheimer Straße bis Ende des Monats räumen.

Entgegen anderen Vereinbarungen will der Eigentümer der Immobilien, die Lindgens & Söhne GmbH & Co. KG, die Gebäude abreißen.

Hafenakademie Köln: 50 Kulturschaffende betroffen

Die Hafenakademie ist in einem ehemaligen Industriekomplex an der Deutz-Mülheimer Straße 173 untergebracht. In Werkshallen und Bürogebäuden, die in zahlreiche Ateliers und Werkstätten umgewandelt wurden, sind acht Kollektive und etwa 50 einzelne Kulturschaffende tätig. Dazu gehören unter anderem Maler, Fotografen, Bildhauer oder Theatergruppen.

„Insgesamt sind hier etwa 100 Personen beschäftigt“, berichtet Susanne Beschorner, Mitglied des Vorstands. Viele der hier Tätigen seien auch sozial sehr engagiert, indem sie Workshops, Veranstaltungen und Kurse kostenlos für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche anbieten. Lindgens beabsichtigt, das Gelände zu veräußern und hat mit WvM Immobilien einen Käufer gefunden.

Die Künstler und Kulturschaffenden stehen vor einem Scherbenhaufen

Beide vereinbarten 2021 einen sogenannten Nutzen-Lasten-Wechsel, der WvM ermöglicht, das Grundstück als Besitzer zu verwalten, ohne Eigentümerin zu sein. „Noch im März haben unser Vorstand und die Geschäftsführung von WvM eine Nutzervereinbarung erneuert, die im August 2022 ausgelaufen wäre“, berichtet Beschorner, die selbst ein Kinder- und Jugendtheater betreibt. „Bei diesem Treffen wurde uns ein sicheres Verbleiben bis zum Ende Juni 2023 zugesagt.“

Ende Juli sei der neue Vertrag bei der Hafenakademie eingegangen und nur eine Woche später die Kündigung zum 15. September 2022. „Wir waren von der Nachricht vollkommen überrascht und geschockt“, schildert das Vorstandsmitglied. Nach vielen Gesprächen habe der Verein nun erreicht, dass die Frist bis zum 1. Oktober verlängert wird. Die Künstler und Kulturschaffenden stehen vor einem Scherbenhaufen. In der Gewissheit, noch bis Mitte nächsten Jahres bleiben zu können, hatten viele von ihnen Förderanträge für neue Projekte gestellt und das Geld ausgezahlt bekommen. Beschorner: „Allein unser Theater bekam 300 000 Euro, die wir nun zurückzahlen müssen.“ Zähle man die Verluste der anderen Betroffenen hinzu, komme eine halbe Million Euro Schaden zusammen: „Nun sind mehr als 100 Existenzen bedroht.“

Eigentümer kommt der vertraglichen Verpflichtung des Abrisses nach

Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs unterstützt das Anliegen des Vereins: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Gebäude ausgerechnet jetzt abgerissen werden sollen.“ Mit der Entwicklung im Mülheimer Süden vertraut, rechnet er sowieso nicht damit, dass auf dem Grundstück in den nächsten drei bis fünf Jahren gebaut werden kann. „Mit dem Eigentümer haben wir vertraglich vereinbart, dass er das Bestandsgebäude bis Ende des Jahres 2022 abreißt“, beantwortet WvM eine Presseanfrage nach den Gründen der plötzlichen Kündigung. Zwar habe das Unternehmen der Hafenakademie eine Nutzungsverlängerung angeboten, weil sich die Entwicklung des Planungsgebiets verzögerte. Doch: „Zwischenzeitlich hat sich der Eigentümer entschlossen, seiner vertraglichen Verpflichtung – dem Abriss – nachzukommen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

WvM vermutet, dass Baukostensteigerungen und Preissicherung Faktoren waren, die bei dem ausführenden Unternehmen den Ausschlag für den jetzigen Zeitpunkt des Abbruchs sind. Aktuell sei die ursprüngliche Nutzungsvereinbarung , aus der klar hervorgeht, dass die Nutzung mit dem Abbruch endet. WvM betont, dass sie keinen Einfluss auf Entscheidungen der Eigentümerin nehmen könne und verweist auf Spenden in Höhe von 116 000 Euro, mit denen sie in der Vergangenheit die Arbeit der Kultureinrichtung gefördert hat. Im letzten Moment meldete sich Lindgens & Söhne zu einer gleichlautenden Presseanfrage mit der Mitteilung: „Der Hafenakademie wurde ein Vorschlag zur Lösung des Problems vorgelegt, zu Ihren weiteren Fragen können wir Ihnen leider keine Auskunft geben.“

Beschorner erklärt, was dieser Vorschlag beinhaltet: „Man will uns doch noch eine Frist bis 31. Januar 2013 geben, um ein Ausweichquartier zu finden.“ Bisher überlegen die Mitglieder des Vereins noch, ob sie dieses Angebot annehmen können. Gleichzeitig haben sie mit der Suche nach neuen Räumen begonnen: „Falls das misslingt, bleiben wir hier und lassen es auf eine Räumungsklage ankommen.“

Verein Hafen-Akademie

Der Verein Hafen Akademie Köln Mülheim gründete sich 2018 auf Initiative des Seniorchefs von Lindgens & Söhne, Fritz Hamacher, aus der Motivation heraus, aktiv an der Gestaltung des aufstrebenden Stadtteils Köln-Mülheim mitzuwirken und ihn als einen vielfältigen und kreativen Ort weiter zu etablieren. Im Rahmen von kulturellen und sozialen Projekten, Veranstaltungen und Workshops sollte ein Raum für Gemeinschaft –  insbesondere für den Zugang von Stadtteilbewohnern in schwierigen und benachteiligten Lebenssituationen - erleichtern.

Dies sollte durch die Bündelung von verschiedenen Programmen und niedrigschwelligen Angeboten unter einem Dach erreicht werden. Finanziert wurde die Arbeit des Vereins in den ersten Jahren durch Lindgens und WvM. Seit Jahresbeginn setzt die Geschäftsführung von Lindgens – vertreten durch Hamachers Söhne – sich zum Ziel, die Immobilie rasch zu verkaufen. (aef)

KStA abonnieren