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Mülheim im WandelMillionen gehen, Probleme bleiben

Lesezeit 4 Minuten

Mülheim 2020 hinterlässt Spuren, zum Beispiel auf der Frankfurter Straße, die saniert wird.

Mühlheim – Wer im Café des Bürgerhauses Mütze sitzt, kann den Wandel fast mit Händen greifen. Die Berliner Straße nebenan wird gerade saniert, der kleine Bürgerpark auf der anderen Seite ist schon fertig.

Neue Spielgeräte, neue Wege, eine Open-Air-Bühne – einmal pro Woche kommt ein Übungsleiter und treibt Sport mit den Jugendlichen aus dem Viertel. Ohne das Programm Mülheim 2020 gäbe es das alles nicht. Genauso wenig wie den Umbau der Frankfurter Straße, die „Stadtteilmütter“, Sprachförderprogramme für Kindergartenkinder oder das Team von Unternehmensberatern im Wirtschaftsbüro, das die lokale Geschäftswelt unterstützt. Es ist ein großes Hilfsprogramm, das seit drei Jahren Millionen in die Stadtteile Mülheim, Buchforst und Buchheim spült.

Spätestens seitdem Großunternehmen wie Felten & Guilleaume und Klöckner-Humboldt-Deutz tausende Arbeitnehmer entlassen haben, gehören diese Viertel zu den unterprivilegierten Gegenden Kölns. Dazu kommt ein traditionell hoher Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. „Arbeitslosigkeit, Sozialhilfebedürftigkeit und Armut in Mülheim sind stärker ausgeprägt als im Durchschnitt der Stadt Köln“, heißt es im „integrierten Handlungskonzept“, dem Leitfaden für das Programm Mülheim 2020. In Buchheim, Buchforst und Mülheim liegt der Anteil der Menschen mit ausländischen Wurzeln bei knapp 50 Prozent, stadtweit sind es 34, 5 Prozent. Mehr als 15 Prozent der Einwohner haben keinen Job – sechs Prozent mehr als im gesamtstädtischen Durchschnitt.

32 Millionen Euro

Das Geld der Europäischen Union, des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bundes und der Stadt Köln soll die drei Stadtteile in diesen Bereichen „auf das durchschnittliche Niveau der Stadt Köln heben“. Insgesamt fließen etwa 32 Millionen Euro in das Programmgebiet. Zum Beispiel in das Projekt Stadtteilmütter. Die 34 Frauen mit Migrationshintergrund, die daran teilnehmen, waren vorher selbst arbeitslos, nun werden sie über Mülheim 2020 bezahlt und qualifiziert. Sie helfen ausländischen Eltern, sich besser im fremden Land zurecht zu finden.

Sie geben ihnen Tipps für die Erziehung, in Finanzfragen oder im Umgang mit den Behörden. Das Geld fließt aber auch in das Bildungsbüro, das Schulprojekte initiiert und koordiniert. Es fließt in Programme für Langzeitarbeitslose, in die Wirtschaftsfördrung und in den Straßenbau. Neben der Berliner Straße werden die Buchheimer Straße und die Frankfurter Straße neu gestaltet. Die Waldecker Straße ist schon fertig.

Maria Fichte sitzt im Bürgerhaus Mütze und trinkt Tee. Als Sozialraumkoordinatorin für den Mülheimer Norden ist sie dicht dran an den Sorgen und Nöten der Menschen. Gibt es soziale Schieflagen, sucht Fichte zusammen mit Einrichtungen und Initiativen nach Lösungen. Mülheim 2020 habe den Stadtteilen das Gefühl gegeben, wahrgenommen zu werden, sagt die 33-Jährige. Das Straßenbild werde aufgewertet, Hinzugezogene würden unterstützt. „Gerade in Mülheim-Nord ist unglaublich viel passiert.“ Einerseits.

Andererseits sei die anvisierte Angleichung an andere Stadtteile keineswegs erreicht worden und werde wohl auch nicht erreicht. Fichte nennt Mülheim einen Ankunftsstadtteil. Die vielen Ausländer zögen immer wieder neue Ausländer an, die es schätzten, sich im fremden Land in ihrer Muttersprache verständigen zu können. Doch wer einen Job finde, verlasse den Stadtteil meistens wieder, die Fluktuation sei hoch. Damit verbunden seien ständig nachwachsende Herausforderungen. „Die Probleme gehen weiter“, sagt Fichte. Mülheim 2020 jedoch nicht.

Zahlungen bis Herbst 2014

Bis zum Herbst 2014 kommen die drei Stadtteile in den Genuss der Millionen, die auf die drei Handlungsfelder lokale Wirtschaft, Städtebau und Bildung verteilt werden. Dann endet das offizielle Programm. „Man kriegt die ganzen Probleme nicht weg, indem man mal zweieinhalb Jahre Geld reinschickt“, sagt Fichte. Es gehe nun darum, sich um die Zeit nach Mülheim 2020 zu kümmern. Was wird zum Beispiel aus den Stadtteilmüttern? Ohne eine Anschlussfinanzierung stehen sie ab 2014 wieder auf der Straße.

Aber gerade Kindergärten im Mülheimer Norden, wo sich derzeit viele Bulgaren ohne Deutschkenntnisse niederlassen, sind auf die Unterstützung der Helferinnen angewiesen. Sie nehmen den Einrichtungen viel Integrationsarbeit ab. Die Verwaltung arbeitet derzeit an einem Konzept, wie bestimmte Projekte nach dem Ende von Mülheim 2020 fortgeführt werden können. „Mit Mülheim 2020 ist es ganz sicher nicht zu Ende“, verspricht Bürgeramtsleiter Hans Oster: „Wir müssen schauen, dass wir im Bildungsbereich und im Bereich lokale Ökonomie weiter machen.“

Auch Maria Fichte denkt an die Zukunft. Viele kleinere Projekte ließen sich ehrenamtlich oder mit Stiftungsmitteln fortführen, ist sie sich sicher. Große Programme wie die Stadtteilmütter seien ohne öffentliche Gelder aber kaum denkbar. Wie geht es weiter, das ist die große Frage. Das Denken über 2014 hinaus sei noch zu schwach ausgeprägt, meint Fichte: „Ich glaube, dass die Leute jetzt aufwachen und sich nun woanders Gelder suchen müssen.“