„Nippes war ein verbotener Ort für Kölner“

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Die Dachterrasse seiner Wohnung gehört zu Reinhold Kruses Lieblingsorten im Veedel.

Die Dachterrasse seiner Wohnung gehört zu Reinhold Kruses Lieblingsorten im Veedel.

Seit mehr als 40 Jahren ist Nippes die Heimat von Reinhold Kruse. Fast genauso lange forscht der gebürtige Aachener zur Historie des Stadtteils. Geweckt wurde sein Interesse durch die Familiengeschichte seiner Frau, deren Vorfahren Ende des 19. Jahrhunderts den Nippeser Volksgarten betrieben, eine Restauration mit Gartensaal am südlichen Ende des Weihers.

Letzterer verschwand irgendwann, ebenso wie das Gebäude – doch warum? Im Rahmen der Recherche wurde Kruse immer mehr zum Jäger und Sammler Nippeser Geschichten. Viele davon hat er in mittlerweile zehn Büchern und rund 150 Zeitungsartikeln festgehalten.

Herr Kruse, welche Ära war die bedeutendste in der Stadtteilentwicklung?

Die begann mit der Eingemeindung von Nippes durch die Stadt Köln im Jahr 1888. Ab da bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wurde das Veedel, so wie wir es heute kennen, geplant und erschlossen. Das ehemalige Überschwemmungsgebiet nördlich der Mauenheimer Straße und der Florastraße wurde aufgeschüttet – so verschwand auch der Nippeser Weiher. Wesentlich war zudem das Anlegen von Querstraßen zwischen der Niehler, der Neusser und der Merheimer Straße. Dadurch parzellierte man die Gegend und schuf Möglichkeiten zur Bebauung. Diese Ära hat Nippes geprägt.

Welche ist Ihre Lieblingsanekdote aus der Historie?

Im Rahmen meiner Stadtteilführungen erzähle ich gerne die Geschichte, als Nippes für Kölner ein „verbotener Ort“ war. Während der kurkölnischen Zeit untersagte der Kölner Rat den Bürgern „das Auslaufen zum Saufen des schädlich dollen Biergetränks am Nippes“.

Der Hintergrund: In Nippes wurde das sogenannte Dollbier gebraut, das sehr stark war und mit berauschenden Kräutern versetzt wurde. Da dieses nicht nur schmackhaft, sondern auch günstig war, gingen viele Kölner zum Biertrinken nach Nippes – was der einflussreichen Kölner Brauerzunft natürlich missfiel. So wurde das Verbot 1670 vom Kölner Rat ausgesprochen und erst 1794 von den französischen Besatzern aufgehoben.

Zecher, die nachts betrunken ans Kölner Stadttor klopften, mussten eine Geldstrafe zahlen. Wer das nicht konnte, kam ins Gefängnis in der Eigelsteintorburg.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell in Nippes?

Plakativ gesprochen: Es gibt immer weniger Wildbienen und immer mehr Menschen. Durch die Bebauung verlieren wir zunehmend Wildnis, dementsprechend machen sich die Insekten vom Acker, Tier- und Pflanzenarten sterben aus. Man muss versuchen, den Verlust von Grünflächen zu stoppen, und an die Politik appellieren: Zieht einen Schlussstrich. Wenn zu wenig Wohnraum besteht, muss sich der Mensch beschränken. Ich wäre dafür, die Stadtplanung mit mehr Weitsicht durchzuführen. Nisthilfen für Wildbienen und Vögel sind ein guter Schritt. Es bräuchte aber auch mehr Blumen für die Bienen, statt freie Flächen nur mit Wiesen zu begrünen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Stadtteils?

Das größte Übel ist aus meiner Sicht der Verkehr. Es ist nicht nur die schiere Masse an Autos, sondern ebenso die Geschwindigkeit. Die Umsetzung des Plans zur Beruhigung der Neusser Straße fände ich wunderbar. Unter anderem sind Kreisverkehre und ein Tempolimit von 30 km/h im Gespräch. Dann würden sicher nicht mehr so viele Leute über die Neusser fahren. Auch in den Seitenstraßen halte ich Maßnahmen gegen den Schleichverkehr für sinnvoll. Es ist zu voll auf Nippes’ Straßen.

Steckbrief

Das mag ich an Nippes: Die Infrastruktur: Die Nahversorgung für den täglichen Bedarf ist gut, zudem ist man schnell in der City. Es gibt viele nette Kneipen und Restaurants. Außerdem gefällt mir die Nähe zum Zoo, zur Flora und zum Blücherpark. Das ist verbesserungswürdig: Ich wünsche mir mehr Maßnahmen zum Naturschutz. Auch könnte mehr für die Sicherheit im öffentlichen Raum getan werden. Die Kleinkriminalität hat für mein Gefühl in den letzten Jahren zugenommen. Mein Lieblingsort hier in Nippes: Das Nippeser Tälchen, der Erzbergerplatz sowie meine Dachterrasse – dort gucke ich gerne in den Sternenhimmel.

ZUR PERSON

Reinhold Kruse wurde im Jahr 1955 in Aachen geboren. Nach ersten beruflichen Schritten im Versicherungswesen studierte er in Köln Sozialarbeit und war fast 40 Jahre lang beim städtischen Jugendamt tätig. Aus seiner Leidenschaft für die Nippeser Geschichte wurde schließlich ein zweites berufliches Standbein. Kruse hat etliche Bücher und Artikel über die Historie des Veedels veröffentlicht.

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