Prozess gestartetKölner Apotheken-Belegschaft hatte offenbar Vermutung bei vergifteter Glukose

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Die Heilig-Geist-Apotheke in Longerich direkt am Heilig-Geist-Krankenhaus bei Nacht.

Die Heilig-Geist-Apotheke in Longerich.

Eine Zeugin will gehört haben, dass ihre Chefin nicht wollte, dass der Verdacht nach außen dringt.

Als am Nachmittag des 19. September 2019 zwei Mitarbeiterinnen der Heilig-Geist-Apotheke in Longerich vom beruflichen Besuch eines Seniorenheims zurückkehrten, waren sie in Scherzlaune. Die verging ihnen schlagartig, als ihnen ein Kollege in ernstem Ton sagte, es sei keine Zeit, Witze zu reißen. Vorhin sei eine Ärztin von der Intensivstation des Heilig-Geist-Krankenhauses gekommen und habe mitgeteilt, eine Kundin, die in der Apotheke abgefüllte Glukose für einen Test auf Schwangerschaftsdiabetes gekauft hatte, kämpfe um ihr Leben.

Die Ärztin habe sich das Gefäß geben lassen, aus dem der Traubenzucker stammte. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht klar, dass der Inhalt wegen einer Verunreinigung mit dem als Lokalanästhetikum verwendeten Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid giftig war. Die 28-jährige Kundin und ihr per Notkaiserschnitt geborenes Kind starben.

Apothekerin wird fahrlässige Tötung vorgeworfen

Dafür verantwortlich soll eine Apothekerin sein, der seit Juni vor dem Kölner Landgericht der Prozess gemacht wird. Die Staatsanwaltschaft wirft der 52 Jahre alten Frau unter anderem fahrlässige Tötung vor. Am Donnerstag wurde eine der beiden Pharmazeutisch-technischen Assistentinnen gehört, die damals ahnungslos in die Apotheke zurückgekommen und dann mit der Schreckensnachricht konfrontiert worden waren.

Schon an jenem Tag sei in der Belegschaft darüber gesprochen worden, dass mit der Glukose etwas nicht gestimmt habe, sagte die 28-jährige Zeugin. Waren die ähnlich aussehenden Gefäße der Glukose und des Lokalanästhetikums miteinander verwechselt worden? Hatte jemand aus Versehen einen Rest des Betäubungsmittels in den Behälter mit dem Traubenzucker geschüttet? Lag die Schuld bei den Lieferanten? Namen seien ihrer Erinnerung nach nicht genannt worden, sagte die Zeugin.

Arbeitsklima sei „nicht immer respektvoll“ gewesen

Jedenfalls war die Vermutung, die abgefüllte Glukose könne der Schwangeren und ihrem Kind zum Verhängnis geworden sein, früh in der Welt. Im „Durcheinander“ sei ihr zu Ohren gekommen, die Apothekerin habe die Belegschaft dazu angehalten, von dem – ja noch unbestätigten – Verdacht nichts nach draußen dringen zu lassen, gab die Zeugin an; allerdings konnte sie sich nicht erinnern, von wem sie dies gehört haben will.

Privat setzte sie trotzdem entsprechende Nachrichten ab; in ihnen wird ihr Unverständnis dafür deutlich, dass sie und die Kolleginnen angeblich schweigen sollten. Einer der drei Verteidiger der Apothekerin zog in Zweifel, dass die Mandantin, die an jenem Tag die Apotheke schon gegen 13 Uhr verlassen habe, eine solche Weisung erteilt haben soll.

Weiter sagte die Zeugin, sie habe die Apothekerin nie Glukose abfüllen sehen – was im Prinzip jeder habe tun dürfen –, und die Angeklagte sei stets auf Ordnung bedacht gewesen. Sie sei „sehr kühl, streng, sehr professionell, sorgfältig und sachlich“. Zum Arbeitsklima sagte die Frau, der Umgang miteinander sei „nicht immer respektvoll“ gewesen; einmal pro Woche habe jemand geweint. Schließlich habe sie gekündigt. Nach ihrer neuen Stelle gefragt, sagte sie: „Ich will nicht, dass mein alter Arbeitgeber weiß, ich welcher Apotheke ich jetzt arbeite.“ Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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