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Babyfreundliche KlinikSanfte Heranführung an das Mama-Handwerk direkt nach der Geburt

Lesezeit 4 Minuten
Katharina Steinbrink-Belohlawek hilft Adelina beim Anlegen von Rocco, der in der Nacht im Heilig Geist Krankenhaus per Kaiserschnitt zur Welt kam.

Katharina Steinbrink-Belohlawek hilft Adelina beim Anlegen von Rocco, der in der Nacht im Heilig Geist Krankenhaus per Kaiserschnitt zur Welt kam. 

Das Heilig-Geist-Krankenhaus verfügt als einzige Kölner Klinik über das Babyfreundlich-Zertifikat, eine ausführliche Stillberatung ist dafür ein Muss.

Es dauerte 40 Stunden, bis Adelina und Damian ihren Rocco in den Arm nehmen konnten. Am Ende musste der Kleine per Kaiserschnitt geholt werden, das hatte die junge Mutter sich anders gewünscht. Aber am Morgen, knapp zwölf Stunden später, steht ihr das Glück ins Gesicht geschrieben. Immer wieder streichelt sie lächelnd das kleine Bündel mit dem dunklen Haarschopf in ihrem Arm. Der Papa sitzt im Bett daneben und sieht nicht minder verzückt aus.   

Aber wie in aller Welt soll Adelina jetzt Muttermilch in dieses wunderhübsche Wesen hineinbekommen? Was in der Nacht beim ersten Anlegen nach der Geburt so einfach schien, will jetzt nicht mehr klappen. Rocco hat sich noch nicht von den Strapazen der langen Geburt erholt, er spuckt immer wieder Fruchtwasser und wird kaum wach. „Ich habe keine Ahnung, ich bin ein bisschen hilflos“, sagt Adelina.

Stillen ist ein Handwerk, das erlernt werden muss. Das ist sehr arbeitsintensiv und braucht Zeit, Aufmerksamkeit, Übung und Unterstützung.
Katharina Steinbrink-Belohlawek, Hebamme und Stillberaterin

Genau dafür ist Katharina Steinbrink-Belohlawek da, sie ist die Rettung im fliederfarbenen Dienstoutfit. Die Hebamme und Stillberaterin ist die Stillbeauftragte der Geburtsklinik im Heilig-Geist-Krankenhaus der Cellitinnen in Köln-Longerich. In ihrem Dienst besucht sie alle jungen Mütter und ihre Neugeborenen auf der Station und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. „Stillen ist ein Handwerk, das erlernt werden muss“, sagt sie. „Das ist sehr arbeitsintensiv und braucht Zeit, Aufmerksamkeit, Übung und Unterstützung.“   

Im vergangenen Jahr kamen in der Longericher Klinik 1622 Babys zur Welt. Mit einer Kaiserschnittrate von 24 Prozent liegt das Heilig-Geist-Krankenhaus unter dem deutschlandweiten Durchschnitt von 32,6 Prozent (2023). Es gibt einen Hebammenkreißsaal, in dem gesunde Schwangere mit einem unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf unter der alleinigen Betreuung erfahrener Hebammen gebären können. Und die Klinik ist die einzige in Köln mit dem Zertifikat „Babyfreundliches Krankenhaus“ der Weltgesundheitsorganisation WHO und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen Unicef.

Katharina Steinbrink-Belohlawek beruhigt Adelina und Damian. Die Übelkeit bei ihrem Sohn Rocco wegen des verschlucktem Fruchtwassers werde nach 24 Stunden abklingen, sagt sie. Dann hilft sie der jungen Mutter, ihr Baby anzulegen. Erklärt ihr, wie sie Rocco am besten halten und wie sie ihn dabei unterstützen kann, genug Brustgewebe in den Mund zu nehmen. „Du gibst ihm die Brust, nicht die Brustwarze“, betont die Stillberaterin. Ihr bildlicher Vergleich: Es müsse aussehen, als beiße Rocco in einen Big Mac und nicht, als sauge er eine Spaghetti ein. 

Damian, der Papa, guckt ehrfürchtig zu und gesteht, ein bisschen neidisch zu sein. Er sagt: „Ich würde auch gern stillen können, das ist bestimmt ein tolles Gefühl.“ 

Wenn es nicht klappt, ist es allerdings frustrierend. Und Rocco schafft es gerade nicht, ordentlich bei Mama anzudocken. Steinbrink-Belohlawek zeigt Adelina daher, wie die „Handgewinnung“ funktioniert. Dabei wird die Brust so ausgestrichen, dass etwas von der ersten Muttermilch, dem so genannten Kolostrum, in einen Becher fließt. Die Stillberaterin zieht ein wenig Flüssigkeit mit einer kleinen Spritze auf, es ist eine winzige Portion, ein Mund voll Milch für Rocco. Die Wirkung ist allerdings enorm. Nach diesem Schluck wird der Kleine deutlich wacher und schafft es schließlich, sich richtig an Mamas Brust festzusaugen.   

Red Bull für Babys: Kolostrum, die Erstmilch kurz nach der Geburt, gibt den Babys ganz viel Energie

Kolostrum enthält den Stoff Taurin, ein Abbauprodukt, das im Stoffwechsel des Menschen und vieler Tiere entsteht. Steinbrink-Belohlawek bezeichnet Kolostrum daher gern als „Red Bull für Babys“, denn auch der Energydrink enthält Taurin, allerdings künstlich hergestelltes. Bei Rocco scheint die Erstmilch seiner Mutter auf jeden Fall die klassische Wirkung zu entfalten: Sie gibt Energie und hilft gegen die durch zu viel verschlucktes Fruchtwasser ausgelöste Übelkeit.  

Adelina kann sich nun entspannt zurücklehnen, ihr Baby trinkt, der Papa staunt, sie genießt. Zehn bis zwölf Mal in 24 Stunden müsse sie das jetzt machen, erklärt ihr die Stillberaterin. Am Anfang könne ein schriftliches Protokoll helfen. Die hohe Frequenz ist nötig, damit Rocco genug Nährstoffe bekommt und damit bei Adelina die Milchbildung ausreichend in Schwung kommt. Für die Zeit dazwischen empfiehlt Steinbrink-Belohlawek: Ganz viel Kuscheln mit nackter Haut auf nackter Haut. Auch das gehört zum Babyfreundliche-Klinik-Konzept: Die Neugeborenen werden zum ersten Mal ganz angezogen, wenn sie mit ihren Eltern das Krankenhaus verlassen.