Urlaub in der eigenen StadtDas kleinste Kölner Veedel erinnert an ein Weindorf

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Mauenheim

Der Volkerweg in Mauenheim

  • Urlaub in der eigenen Stadt ist in diesem Jahr besonders gefragt. Wir stellen während der Sommerferien Kölner Veedel vor. Auch solche, in denen man vielleicht noch nie war.
  • Wir verraten, was besonders sehenswert ist und warum es sich lohnt, auch mal neue Ecken der Stadt zu entdecken. Ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
  • Dieses Mal geht es nach Mauenheim. Dort entstand vor knapp 100 Jahren eine Siedlung mit kleinen Einfamilienhäusern und Gärten zur Selbstversorgung.

Köln-Mauenheim – Wer weiß denn schon, ob Eckewart, Brunhild und Irnfried irgendwann nicht doch wieder in Mode kommen. Vielleicht findet eine künftige Elterngeneration auch Gefallen an Alberich, Dankwart und Etzel. Hier im Nibelungenviertel sind solche Vornamen auf so gut wie jedem Straßenschild zu lesen; wobei es einigermaßen verwundert, dass ausgerechnet der ruhmreiche Drachentöter Siegfried und dessen Mörder Hagen leer ausgegangen sind.

Immerhin, es gibt einen Balmungweg, benannt nach dem Schwert des Helden – willkommen in Mauenheim, dem kleinsten aller 86 Kölner Stadtteile.

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Die Grundschule in Mauenheim

Auf einer Fläche, die nicht viel größer ist als die Messe in Deutz, leben 5600 Menschen, und die meisten davon offenbar sehr gern. Die Mauenheimer lieben ihr Veedel, sagt man. Wer durch die schmalen Straßen des Nibelungenviertels spaziert, vorbei an Häusern, in deren Gärten es zwischen Kinderrutschen üppig sprießt, wird das nachvollziehen können. 

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Die Gebäude bescheiden sich mit einem schmalen Grundriss und geringer Höhe. Plätze, Höfe und Torbögen lockern den Grundriss der Siedlung auf, bewahren sie vor Eintönigkeit. Ist das noch Köln, oder befinden wir uns schon in einem Weindorf an der Mosel? Ob am Krimhildplatz oder in der Guntherstraße: In der Nibelungensiedlung breitet sich eine Gelassenheit aus, die anderswo kaum noch zu finden ist.

Jugendliche verkaufen im Advent Nordmanntannen vor Kölner Kirche

Beginnen wir den Rundgang ganz klassisch vor einer Kirche. St. Quirinus, gelegen an der Bergstraße, wurde nach Entwurf des Architekten Eduard Endler einer frühchristlichen Basilika nachempfunden und 1927 geweiht. Im Innenraum lassen die Säulen die frühere Trennung in Männer- und Frauenseite erkennen. Rechts wachen die Heiligen, links die Heiliginnen. Die Pfadfinder des Stamms Karthago Persepolis, die sich bis heute nebenan in den Gemeinderäumen treffen, sind da weniger streng. Ein Tipp: Die Nordmanntannen, die die Jugendlichen in der Adventszeit vor der Kirche für einen guten Zweck verkaufen, lohnen die Anfahrt allemal.

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Gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich die Grundschule des Veedels. Der Flachbau, 1923 entstanden nach Plänen des Kölner Architekten Wilhelm Riphahn und 1999 unter Denkmalschutz gestellt, erinnert an einen Gutshof.

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Gaststätte in Mauenheim

Es ist kein Zufall, dass Riphahn die Schule erbaut hat; ihm verdankt die gesamte Nibelungensiedlung ihr Gesicht. 

Die erst wenige Jahre zuvor gegründete städtische Wohnungsgesellschaft GAG errichtete das von Reihenhäusern nach niederländischem Vorbild geprägte Quartier zwischen 1919 und 1928 auf einer Ackerfläche außerhalb Kölns. Es bestand aus 676 Wohneinheiten, von denen die meisten im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, einer Schule, St. Quirinus sowie 20 Geschäften. Einzig an der Neuen Kempener Straße und an der Nibelungenstraße gab es einige Mehrfamilienhäuser.

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Das Restaurant  Siegfriedhof

Wie in anderen Stadtteilen setzte die GAG ihr damaliges städtebauliches Leitbild um, den Bewohnern nicht nur günstige Mieten zu bieten, sondern auch die Möglichkeit, Nahrungsmittel in eigenen oder Gemeinschaftsgärten anzubauen. Gemeinschaft pflegen die Mauenheimer bis heute; im 1921 gegründeten Turnverein, im Karnevalsklub Mauenheimer Muschele, in ihrer Facebookgruppe.

Tipps

Die Traditionsgaststätte Siegfriedhof, Neue Kempener Straße 255, mit ihrem zum Nibelungenplatz hin gelegenen Biergarten ist täglich von elf Uhr bis ein Uhr nachts geöffnet. Diensttag ist Ruhetag.

An der Merheimer Straße 392 befindet sich das gemütliche Speiselokal Alt Mauenheim; geöffnet täglich von 11 bis 14 Uhr und von 17 bis 0 Uhr, montags zu. Mauenheimer schätzen beide.

Hochbunker wurde für 354.000 Euro versteigert

Weiter geht es durch den Gertrudenhof, dem Zuhause der vorigen Februar gestorbenen Karnevalssängerin Marie-Luise Nikuta. Dann durch den Utehof und über die Neue Kempener Straße in den Volkerweg. An der Ecke zur Guntherstraße befindet sich eines der wenigen Häuser, die nicht durch Bomben zerstört wurden und in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind. Lässt man sich durch die Gassen treiben, erreicht man früher oder später den Nibelungenplatz. Einst gab es dort zwei Friseure, eine Drogerie, eine Bäckerei und einen Tante-Emma-Laden. Auf unserer Erkundungstour interessiert uns vor allem das Restaurant „Siegfriedhof“ mit seinem Biergarten. Auf dem Schild kommt der Sagenheld dann doch noch zu seiner verdienten Erwähnung.

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Die Wohnanlage Grüner Hof

Eine kleine Stärkung, dann steuern wir ein weiteres Zeugnis der Zusammenarbeit Riphahns und der GAG an: die Wohnanlage „Grüner Hof“, die sich – umgeben von Merheimer Straße, Neusser Straße und Friedrich-Karl-Straße – um eine erstaunlich großzügige Parkanlage gruppiert.

Die Siedlung entstand zwischen 1922 und 1924, der später errichtete Hochbunker wurde jüngst für 354.000 Euro an einen Investor versteigert.  Wer den Wohnblock durch eine der Toreinfahrten betritt und sich Autos und Mountainbikes wegdenkt, findet sich im Köln der Vorkriegszeit wieder. Dann bis bald mal, Mauenheim.  

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