Köln – Der schlimmste Moment war für Katrin Baumhauer der, als sie ihren zweijährigen Sohn Mats in der Gondel zurücklassen musste, um sich aus 40 Metern Höhe auf ein Löschboot im Rhein abseilen zu lassen. „Ich habe ihm gesagt: Es hilft, wenn du aufhörst zu weinen. Daniel macht das mit dir. Wir sind gleich wieder alle zusammen.“ Daniel Backhaus hatten sie gerade erst kennengelernt, als der Höhenretter in ihre Gondel geklettert war. Nun vertraute Katrin Baumhauer ihm das Leben ihres Kindes an. „Daniel konnte mir logisch und gut erklären, dass es das Beste ist“, sagt die 37-Jährige am Tag danach.
Katrin Baumhauer, ihr Mann Sven und die Söhne Mats und Tom sind die Familie, die am Dienstag vier Stunden in einer Gondel über dem Rhein fest hing. Die Seilbahn stand ab 16.46 Uhr still. „Wir haben in der Station angerufen und dann zuerst gedacht, unsere Gondel sei entgleist“, erzählt Katrin Baumhauer. „Der Wind wurde immer stärker. Wir hatten Todesangst, das kann man nicht anders sagen.“
Als die Angst in der Gondel am größten war, haben sie Kinderlieder gesungen. „Das ganze Repertoire, rauf und runter“, sagt Sven Baumhauer. Dann sahen sie die Feuerwehrautos, das Blaulicht, das Rettungsboot auf dem Wasser. „Das ganze Ausmaß des Einsatzes wurde uns da bewusst“, sagt Katrin Baumhauer. Aber sie sangen einfach weiter, da sie wussten, als Eltern „funktionieren zu müssen.“
Die Ärztin und der Journalist haben nach ihrer Rettung lange überlegt, ob sie Lust haben „auf den Medienrummel“, ob sie im Mittelpunkt stehen und fotografiert werden wollen. „Aber wir haben uns dafür entschieden, weil wir uns für die Rettung bedanken wollen“, sagt der 39-Jährige. „Wir haben in der schlimmen Situation sehr viel Wärme gespürt und viele nette Menschen getroffen.“ Und so war das Wiedersehen zwischen den beiden und den Höhenrettern, die sie aus der Gondel geholt haben, derart herzlich, als würden sie sich schon ewig kennen.
Tränen fließen
Nicht nur Johannes Feyrer, Chef der Kölner Feuerwehr, musste sich eine Träne von der Wange wischen. „Eine Familie mit zwei Kleinkindern aus dieser Gondel holen – das war eine besondere Herausforderung“, sagt Feyrer. Natürlich seien seine Männer geübt, viermal pro Jahr trainieren sie exakt das Szenario an der Seilbahn. „Aber das machen wir bei gutem Wetter, wenig Wind und die mutigsten Feuerwehrmänner stellen sich zur Verfügung, um sich retten zu lassen.“
Der Höhenretter Daniel Backhaus kämpfte sich am frühen Dienstagabend als erstes zur Gondel der Familie. Vorher hatten seine Kollegen zwei Männer (22, 23) aus einer zweiten Gondel abgeseilt. Die beiden Cousins aus den USA konnten im Rheinpark zu Boden gelassen werden. Dort angekommen sagte einer: „Unglaublich, was man in Köln für 4,50 Euro alles geboten bekommt.“ Sie sind am Mittwochmorgen schon nach Berlin weitergereist.
Als Daniel Backhaus das Türchen zur Gondel öffnet, in der Familie Baumhauer ausharrt, sagt Katrin Baumhauer ihm, wie froh sie ist, dass er da ist. „Ich hatte ihr Vertrauen von der ersten Minute an“, sagt der 32-jährige Feuerwehrmann. Dann muss er ihnen beibringen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als das Abseilen auf ein Boot. „Ich habe mich dafür entschieden, den Vater zuerst abzuseilen, weil er am labilsten war“, sagt Backhaus. „Dass der Säugling als Erstes mit runter muss, war auch klar.“
Der drei Monate alte Tom war ohnehin in einem Tragegurt, der zusätzlich gesichert wurde. „So kleine Menschen müssen wir nicht täglich retten“, sagt Backhaus. Nachdem Sven Baumhauer mit Tom sicher auf dem Boot angekommen war, entschied sich der Höhenretter dafür, die Mutter alleine abzuseilen und den schreienden Mats selbst mit nach unten zu nehmen. „Das war am sichersten.“ Und so ging es für Mats an der Brust des Höhenretters und mit dem Schnuller seines Bruders im Mund hinab – ohne zu weinen. Unten angekommen, brabbelte er sofort los.
Ob das Erlebnis den kleinen Mats noch lange beschäftigt, muss sich zeigen, wie sein Vater sagt. „In der Nacht hat er im Traum davon gesprochen.“ Die Gondelfahrt war Mats’ Geburtstagsgeschenk. „Es wird also schwer, seinen zweiten Geburtstag zu toppen – das werden wir wohl nicht schaffen“, sagt Katrin Baumhauer.