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Wohnungslose in Köln„Patienten vertröstet“ – Mobiler Medizinischer Dienst arbeitet am Limit

Lesezeit 3 Minuten
Ein Obdachloser schläft in einem Einkaufswagen auf der Merowingerstraße. Foto: Alexander Schwaiger

Der Mobile Medizinischen Dienst (MMD) der Stadt versorgt wohnungslose und drogenabhängige Menschen (Symbolbild).

Seit 1993 behandelt der MMD wohnungslose und drogenkranke Menschen in Köln. Während der Bedarf steigt, registriert der MMD schmerzliche Lücken.

Es ist einiges zusammen gekommen in den vergangenen Jahren: „Die Zahl wohnungsloser Menschen ist gestiegen. Teils sind auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft während der Corona-Pandemie in die Wohnungslosigkeit gerutscht“, sagt der Arzt Hauke Bertling. Dazu kommt Crack als mittlerweile dominierende Droge in der harten Drogenszene, wie seine Kollegin Dörte Schmerkotte ergänzt: „Viele Konsumenten essen nichts mehr, ignorieren jede Wunde und jeden Schmerz und interessieren sich nur noch für die nächste Dosis.“

Entwicklungen, die Bertling und Schmerkotte in ihrer Praxis zu spüren bekommen. Sie arbeiten beim Mobilen Medizinischen Dienst (MMD) der Stadt, behandeln wohnungslose und drogenabhängige Menschen, die ihren Körper wegen ihrer Drogensucht vernachlässigen, die oft keine Krankenversicherung besitzen oder sich schlicht schämen, zu einem regulären Arzt zu gehen. In Köln sind insgesamt 10.754 Menschen wohnungslos.

Schwieriges Halbjahr für Kölner MMD

Drei Ärztinnen und Ärzte sowie fünf Pflegekräfte sind abwechselnd in insgesamt neun Einrichtungen der Wohnungslosen- und Drogenhilfe, um Wunden zu versorgen, Infekte zu behandeln und bei schlimmeren Krankheiten an Krankenhäuser und Fachärzte zu vermitteln. Dazu betreut der MMD zwei Krankenwohnungen der Spiritaner-Stiftung und der Diakonie.

Eine dieser Einrichtungen befindet sich direkt am Hauptbahnhof, die Kontaktstelle des Sozialdienstes Katholischer Männer. Hier erhalten Obdachlose Hilfe bei vielen Fragen. „Für uns ist der MMD ein Glücksgriff. Unsere Klienten leben oft schon seit Jahren auf der Straße, sind seit Jahren vom System ausgeschlossen und kümmern sich – oft aus Scham – nicht um ihre Krankheiten“, sagt der SKM-Einrichtungsleiter Ralf Prompter. „Bei uns gibt es um 12 Uhr eine warme Mahlzeit, das heißt, die Klienten sind sowieso hier. So können wir sie einfach zum MMD weiterleiten.“

Mobiler Medizinischer Dienst in Köln behandelte fast 1.500 Menschen

1406 Menschen wurden im vergangenen Jahr vom MMD behandelt, bei denen es zu insgesamt 8268 Behandlungskontakten kam, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht hervorgeht, rund ein Viertel der Patientinnen und Patienten hatten keine Krankenversicherung „Viele von ihnen behandeln wir schon seit Jahren, manche Patienten kommen schon seit den 90ern zu uns“, sagt Schmerkotte, die seit 25 Jahren beim MMD arbeitet. Bei ihrem Kollegen Bertling sind es neun Jahre.

V.Li.: Dr. Dörte Schmerkotte, Dr. Hauke Bertling, und SKM-Einrichtungsleiter Ralf Prompter in der Kontakstelle des SKM.

V.Li.: Dr. Dörte Schmerkotte, Dr. Hauke Bertling, und SKM-Einrichtungsleiter Ralf Prompter in der Kontaktstelle des SKM.

Bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten handelte es sich um Deutsche, ein Viertel stammt aus Osteuropa. Mithilfe des anonymen Krankenscheins hat der MMD 52 Menschen ohne Krankenversicherung in fachärztliche sowie 13 Menschen in stationäre Behandlungen überwiesen. Im vergangenen Jahr hat der MMD außerdem zum ersten Mal mit der „Pace e Bene“- Stiftung zusammengearbeitet und so drei Menschen ohne Krankenversicherung einen Platz im Hospiz der Stiftung in Rondorf ermöglicht.

Während der Bedarf steigt, hat das MMD ein schwieriges vergangenes Halbjahr hinter sich. Nachdem zwei Ärzte den MMD verlassen hatte, kam es zum Teil zu erheblichen Personalengpässen. „Es gab Tage, da musste ich meine Patienten vertrösten und sie bitten, am nächsten Tag wiederzukommen“, sagt Schmerkotte. „Ich hätte noch Stunden weiterarbeiten können und hätte nicht jedem helfen könnten.“ Im Sommer musste der MMD ihr Sprechstundenangebot einschränken. Mittlerweile konnte aber neues Personal gefunden werden.

Unterbringung von kranken Wohnungslosen ein Problem

Neben der niederschwelligen Erreichbarkeit des MMD sei eine besondere fachliche Expertise besonders wichtig, sagt Bertling: „Wir sehen Krankheitsbilder, die man in normalen Arztpraxen nur selten sieht“, so etwa chronische Wunden, bakterielle Infektionen der Haut, Ekzeme oder den Befall mit Läusen. Oft gepaart mit psychischen Störungen, die den Kontakt und die Behandlung erschweren.

Ein großes Problem sei die Unterbringung nach der Behandlung, Pflegeplätze für ihr Klientel zu finden, sei sehr schwierig, so Schmerkotte. „Es fehlt aber auch an behindertengerechten Krankenwohnungen für Patientinnen und Patienten, die beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt Ruhe brauchen, um auszukurieren.“ In ganz Köln gebe es nur zehn Betten für diese Menschen. „Das ist viel zu wenig.“