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Oldtimer von 1919Das ist Kölns ältestes Auto

Lesezeit 4 Minuten

Nun steht der Uralt-Oldtimer wieder da wie in guten alten Tagen, als Chevrolet dem berühmten Ford T-Modell Konkurrenz machen wollte.

Köln – Udo Bessert hat gelernt. Kuppeln auf steil abfallenden Straßen? Besser nicht. Die Bremsen des fast 100 Jahre alten Chevrolet 490 Touring sind so schwach, dass er sich beim Gangwechsel verselbstständigen würde. Einmal schon hat Bessert die Kontrolle über seinen Uralt-Oldie verloren. Das war bei einer Ausfahrt in Siegen. Nur mit Glück haben das älteste zugelassene Auto Kölns und sein Besitzer noch mal die Kurve gekriegt.

Udo Bessert wohnt in Dünnwald. Sein Händedruck hat die Kraft einer Schraubzwinge. Bessert hat als Kfz-Mechaniker gearbeitet und schwere Henschel-Lkw repariert, seit 1976 ist er Betriebsschlosser in einer Firma in Ossendorf. 69 Jahre alt ist der Mann mit der Lederweste und den aufgekrempelten Hemdsärmeln, er könnte längst im Ruhestand sein. Aber es gibt niemanden, der ihn, den handwerklichen Alleskönner, ersetzen könnte.

Der Chevrolet steht tiefschwarz vor seiner Garage. Über ein Gestänge spannt sich ein hochstehendes Verdeck, dessen winziges Oval vorgibt, ein Heckfenster zu sein. Über den dünnen Vorderrädern aus Gummi und Holz schwingen sich ausladende Kotflügel. Dazwischen der 25-PS-Motor und zwei runde Scheinwerfer wie Schlafaugen. Immer wieder hat der Chevy versucht, seinen Besitzer in die Knie zu zwingen. Komplett marode war das kutschenartige Auto von 1919, das Bessert 1998 einem Händler aus Kopenhagen abkaufte. „Ich wusste gleich, was damit los ist, das war ein Fragment, eine Schaufel von Zusammengekehrtem.“ Dass das Fragment heute eine stolze Schönheit ist, ein solide arbeitender Zeuge des anbrechenden Automobil-Zeitalters, ist Besserts Beharrlichkeit zu verdanken.

„Ich musste zum Teil lange grübeln, um Lösungen zu finden“, sagt Bessert über die Restaurierung. Während er sein Meisterstück über den Dünnwalder Kommunalweg lenkt, erzählt er über die zahllosen Stunden, die er an seiner Drehbank verbracht hat. Die Frühlingsluft ist lau, die Windgeräusche vermischen sich mit dem Tuckern der vier Zylinder zu einer angenehmen Begleitmusik. Wenn Bessert abbiegen will, hält er mangels Blinker einen Arm in die entsprechende Richtung. Es ist, als ob Papa Walton auf dem Weg zum Sägewerk wäre.

Die Nostalgie-Fahrt ins Grüne lässt die Mühen schnell vergessen, die Bessert in sein Projekt investiert hat. Zweieinhalb Jahre hat die Wiederauferstehung des alten Amerikaners gedauert. Etwa 70 Prozent des offenen Tourenwagens hat Bessert nachgebaut. Ersatzteile für dieses Modell gibt es längst nicht mehr zu kaufen. Manchmal streut der Bastler kleine Lacher ein. Sie lassen erahnen, wie verrückt sein Projekt zeitweilig war. „Für den Nachbau der gebogenen Felgen habe ich die Hölzer zunächst zwei Stunden lang in wassergefüllten Kupferrohren über Gasflammen gekocht“, sagt Bessert: „Dann habe ich sie auf einer Vorrichtung gebogen. Allein das hat einige Wochen gedauert.“ Die Biege-Vorrichtung hat er selbst entwickelt, so wie er immer wieder sein eigenes Werkzeug herstellen musste, damit das Projekt weitergeht. Bleche, Eisenteile, Schrauben und Federn: Alles hat Bessert selbst gemacht. Jede freie Minute widmete er seinem Chevy, den er am Anfang komplett zerlegte und dann Stück für Stück aufbaute. „Ich habe mir die Stunden, die ich in meiner Werkstatt verbracht habe, nicht aufgeschrieben.“

Der Chevrolet 490 Touring wurde von 1915 bis 1922 hergestellt. Er sollte dem berühmten Ford T-Modell Konkurrenz machen, der von 1908 bis 1927 millionenfach vom Band lief. 490 Dollar kostete der Chevrolet anfangs, daher seine Typenbezeichnung. Dafür gab es 25 PS, 70 km/h Höchstgeschwindigkeit und – zusätzlich zur Kurbel – einen Anlasser. „In Deutschland dürfte dieser Wagen einzigartig sein“, sagt Bessert. Natürlich ist er stolz, Kölns ältestes Auto mit Straßenzulassung geschaffen zu haben. Wo immer er auftaucht, kommen die Leute aus dem Staunen nicht mehr raus, löchern den Besitzer mit Fragen. Viele Kinder lachen beim Anblick des Altertümchens: Sie fühlen sich an die Autos aus den Donald-Duck-Heften erinnert.

Den automobilen Altersrekord hat Bessert nie angestrebt. Damals, in den 1990er Jahren, suchte er einfach eine neue Herausforderung für seine starken Hände. Ein marodes Auto, das in seine Garage passt. Und ein Auto, das nicht jeder hat: „Ich glaube, das ist mir gelungen.“