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Oldtimer-SerieDieses Auto braucht einen Kapitän

Lesezeit 4 Minuten

Auto, Boot und Blickfang par excellence: das Amphicar

Köln – Marco Schuh sitzt auf der Lehne seines sonderbaren Autos und schaut über das Wasser. Jeder Satz aus dem Mund des 49-Jährigen ist eine Hymne auf sein Gefährt, das die große Frage aufwirft, was es denn nun eigentlich sein will – Auto oder Boot? An diesem Nachmittag hat der Betreiber eines Oldtimer-Chauffeurservice (www.kultauto.de) aus Lövenich wieder einmal gezeigt, was die 50 Jahre alte Konstruktion namens Amphicar zu einem der erstaunlichsten Oldtimer überhaupt macht. Schuhs Rezept für einen gelungenen Nachmittag: Amphicar anwerfen, über die Autobahn zum Rhein nach Langel fahren, dann die Türen mit Hebeln abdichten, den Antrieb auf die zwei Schiffsschrauben umlegen und ab in den Rhein. Was in den 1960er Jahren ein wirtschaftlicher Flop des Konstrukteurs Hans Trippel war, ist heute ein automobiles Kuriosum mit Seltenheitswert. Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Schuh – Eigentümer eines Bootsführerscheins für Binnengewässer – bei seinen Ausflügen zu Lande und zu Wasser jedenfalls nicht beklagen.

Deshalb habe ich es:

Marco Schuh: Ich habe am Wasser eigentlich schon alles ausprobiert – von Jetski über Segeln bis zu Kitesurfing. Irgendwann bin ich dann mal mit dem Amphicar eines Bekannten mitgefahren und wusste sofort: Das ist genau mein Ding. Andere brauchen unbedingt das neue iPhone, ich wusste: Ich brauche ein Amphicar. Das war für mich eine neue Welt. In den vier Jahren, die ich es habe, habe ich unbezahlbare Erlebnisse gehabt. Der Vorteil des Amphicars ist: Es fällt auf wie ein bunter Hund. Der Nachteil: Man sollte nicht tanken fahren, wenn man es eilig hat. Man muss kontaktfreudig sein, sonst ist es das falsche Auto. Denn überall werde ich angesprochen. Obwohl es eigentlich ein hässliches Entlein ist, ist es ein Gute-Laune-Auto, das alle begeistert.

Das kann es:

Schuh: Ein Auto muss nicht schwimmen können, aber gerade diese Sinnfreiheit hat ihren Reiz. Und den muss man erleben. Die Menschen müssen auch nicht auf den Mount Everest klettern und tun es trotzdem. Das Amphicar zieht mich eben an wie ein Magnet. Es ist für mich etwas ganz Besonderes, mit diesem Auto zum Lago Maggiore zu fahren und am nächsten Tag mit demselben Fahrzeug den See zu durchkreuzen, am anderen Ufer rauszufahren und dann über irgendwelche Pässe zu cruisen. Auch den Rhein abwärts zu schippern ist für mich pure Erholung und Genuss. Eine Stunde mit dem Amphicar und ich bin total relaxed.

Das kann es nicht:

Schuh: Fliegen. Aber im Ernst: Es ist allgemein bekannt, dass es weder ein Sportwagen ist noch ein besonders luxuriöses Boot. Im Grunde kann das Amphicar nichts außergewöhnlich gut. Aber die Kombination aus Auto und Boot macht es trotzdem zu einem der skurrilsten und faszinierendsten Fahrzeuge. Das damals aber nicht besonders erfolgreich war. Man wollte 20 000 Stück verkaufen, nach 3500 Stück wurde das Projekt schon wieder eingestellt. Man hat gemerkt, dass man damit kein Geld verdienen kann. Es gab einfach zu wenig Käufer für dieses auch nicht gerade günstige Auto.

Das habe ich gemacht:

Schuh: Ich habe es dicht und damit schwimmfähig gemacht. Gefunden habe ich den Wagen in der Schweiz. Zurück in Deutschland, musste ich erstmal alle Gummiteile, Dichtungen und Lager erneuern, sonst wäre ich bei der ersten Tour wahrscheinlich abgesoffen. Die erste Testfahrt habe ich im Mülheimer Hafen unternommen. Dabei habe ich mich ständig umgeschaut, um zu sehen, ob irgendwo das Wasser eindringt. Das war zum Glück nicht der Fall. Ersatzteile bestelle ich meistens in den USA und baue sie selbst ein, denn kaum eine Werkstatt kennt sich mit Amphicars aus.

Das haben wir erlebt:

Schuh: Auf dem Lago Maggiore fuhr eine Mega-Yacht auf uns zu. Der Besitzer winkte uns von seiner Brücke aus zu, sprach von einem „geilen Auto“ und reichte uns in einem Korb Champagner herunter. Es gibt 1000 solcher Geschichten zu erzählen. Was man mit diesem Auto erlebt, erlebt man mit keinem anderen Oldtimer.

Das haben wir vor:

Schuh: Ich hätte Bock auf Abenteuer. 1962, als das Amphicar auf den Markt kam, haben Engländer mit zwei Amphicars den Ärmelkanal durchquert. Das könnte ich mir auch sehr gut vorstellen. Aber nicht mit meinem eigenen Amphicar. Salzwasser ist für mein Auto tabu. Wer mir also ein Amphicar zur Verfügung stellen möchte – ich bin gern der Kapitän auf dieser Kreuzfahrt.

Aufgezeichnet von Tobias Christ