PersonalmangelKölner Kinderkliniken müssen Patienten abweisen

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Eine Kinderkrankenpflegerin versorgt ein Baby im Krankenhaus.

Eine Kinderkrankenpflegerin versorgt ein Baby auf einer Intensivstation. (Bild wurde 2018 in Hannover aufgenommen)

Kinderkrankenhäuser können Betten nicht belegen, weil Pflegekräfte fehlen. Das bundesweite Problem gehört auch in Köln längst zum Alltag und bedeutet eine Zumutung für das medizinische Personal, Eltern und deren Kinder.

Was früher die Ausnahme war, hat sich zu einem Dauerzustand entwickelt: Kinderkliniken sind voll ausgelastet und haben regelmäßig Probleme, alle Kinder und Jugendliche unterzubringen. Das führt dazu, dass kranke Kinder in eine Klinik in der Region oder noch weiter entfernt verlegt werden müssen. Dieses bundesweite Phänomen betrifft auch die Kinderkliniken in Köln.

„Auch im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße können Betten nicht belegt werden, weil Pflegepersonal fehlt“, sagt eine Sprecherin der Kliniken der Stadt Köln. Betroffen seien sowohl Normal- als auch die Intensivstationen: Die Bettenkapazitäten könnten nicht voll genutzt werden. Auf der interdisziplinären Intensivstation des Kinderkrankenhauses seien nur 10 von 16 Betten betreibbar.

Kölner Kinderkliniken: Es können nicht alle Patienten aufgenommen werden

Der Fachkräftemangel wird der Sprecherin zufolge aktuell zusätzlich durch „erhebliche“, pandemiebedingte Krankheitsausfälle verschärft. Es könnten nicht mehr alle Patienten stationär aufgenommen werden und müssten in andere Kinderkliniken verlegt werden, so dass eine „wohnortnahe Versorgung“ nicht mehr garantiert sei. „Wir versuchen alles, um die Abweisung von Patienten zu vermeiden, können dies aber nicht immer vermeiden“, teilt die Kinderklinik im Krankenhaus Köln-Porz mit.

Alles zum Thema Kliniken der Stadt Köln

Die Situation in den Kinderkliniken spitzt sich seit Jahren zu, wie Prof. Jörg Dötsch im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erläutert. Dötsch ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und Direktor der Kinderklinik der Kölner Uniklinik.

In der kalten Jahreszeit mit Infektionswellen habe es auch früher an einzelnen Tagen in manchen Regionen Engpässe gegeben. Inzwischen sei es eher die Regel. Zum einen seien in der Vergangenheit mehr und mehr Betten in der Kinder- und Jugendmedizin abgebaut worden. Zum anderen habe Corona dazu beigetragen, dass Pflegekräfte ausgelaugt seien.

Keine freien Betten in Kölner Kliniken: Verlegung in andere Städte 

Dem entgegen wirken soll die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, die festlegt, wie viele Patienten maximal von einer Pflegekraft versorgt werden. Die Verordnung dient dem Schutz des Pflegepersonals, aber letztlich auch der sicheren Versorgung der Kranken. Doch sie führt auch dazu, dass bei fehlendem Personal weniger Betten belegt werden können. Und so müssen Kliniken kleine Patienten an andere Häuser verweisen, etwa nach Aachen, Düsseldorf oder sogar nach Koblenz.

Dötsch berichtet von einem besonders krassen Fall, in dem erst das 23. abgefragte Krankenhaus ein freies Bett für ein Kind aus NRW hatte. „Wir haben ein großes Netz an Kinderkliniken im Rheinland und unterstützen uns gegenseitig extrem gut.“ Allerdings bedeute es einen großen organisatorischen Aufwand, alle Kliniken abzutelefonieren.

Dötsch ist es dennoch wichtig zu betonen: „Die Versorgung ist und bleibt gesichert.“ Nur werde Eltern und ihren Kindern viel mehr abverlangt: Neben der Verlegung in eine andere Klinik könne auch die lange Wartezeit in der Notaufnahme zu einer harten Geduldsprobe werden. „Es wird nach Dringlichkeit behandelt. Schwer kranke Kinder werden vorgezogen.“

Insbesondere bei chronisch kranken oder pflegebedürftigen Kindern bedeute die Verlegung für die Eltern je nach Entfernung eine Zerreißprobe, weiß Susanne Mehnert, Pflegedienstleiterin des ambulanten Kölner Kinderkrankenpflegedienstes „Wir für Pänz“. „Sie wollen natürlich möglichst nah bei ihrem Kind sein. Vor kurzem musste ein siebenjähriger Junge, den wir betreuen, ins Umland verlegt werden, weil es in ganz Köln kein freies Bett gab.“  

Wir müssen den Beruf wieder attraktiver machen
Prof. Jörg Dötsch, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin

Das stark beeinträchtigte Kind wird mit einer Magensonde ernährt. „Die Klinik im Umland behandelte nur die akuten Symptome mit Antibiotika. Um die Magensonde sollte sich dann die behandelnde Kölner Klinik kümmern“, berichtet Mehnert. Der Junge wurde entlassen und kam nach drei Tagen wieder ins Krankenhaus, dieses Mal in Köln, weil er seine Nahrung immer wieder erbrochen hatte. „Dort wurde ein Ultraschall gemacht und festgestellt, dass die Sonde nicht richtig saß.“

Oft seien chronisch kranke Kinder an eine Klinik angebunden, deren Ärzte und Pflegende mit der Krankengeschichte vertraut seien, die aber in einem Akutfall nicht immer ein freies Bett habe. „Es ist ein Dilemma.“ Einen Ausweg aus der jetzigen Lage sieht Mehnert einzig darin, möglichst viel auszubilden und angehende Pflegekräfte im Bereich der Kinderkrankenpflege zu spezialisieren.

Auch der DGKJ-Vorsitzende Dötsch setzt auf das Personal: „Wir müssen raus aus der personellen Abwärtsspirale und der jahrelangen Unterversorgung der Pädiatrie.“ Die Kindermedizin brauche 20 Prozent mehr Geld. „Durch eine bessere Finanzierung können wir uns personell besser aufstellen und so den Beruf wieder attraktiver machen.“

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