Peter Nettesheim - Viviana Meretta - Dietmar PaetzoldUnendliche Welt der Formen

Viviana Meretta gehört zu den wenigen Steinbildhauerinnen. Außerdem gestaltet sie Skulpturen in Ton. Und wie die meisten Bildhauer zeichnet sie viel.
Copyright: Kisters
Das Tor in der Schlossstraße 10-12 in Stammheim steht manchmal halboffen. Wer im Vorübergehen flüchtig einen Blick hineinwirft, sieht einen Innenhof voller Menschen. Es sind lebensgroße Holzskulpturen, die der Bildhauer Peter Nettesheim in seinem langen Künstlerleben mit realistischer Genauigkeit geschaffen hat.
Wenn der Holzbildhauer am kommenden Wochenende die Tür zu seinen Werkstatträumen öffnet, können die Besucher in eine faszinierende Erfahrungswelt aus Realität und Täuschung eintauchen. All die menschlichen Gestalten, die einem auf dem Innenhof entgegentreten, kennt man aus dem Alltag. Aber hat man sie sich tatsächlich je genau angeschaut?
Gern beantwortet der Künstler alle Fragen zum handwerklichen Prozess und zu den Ansätzen der realistischen und der konzeptuellen Bildhauerei in der zeitgenössischen Kunst. Seit jungen Jahren pflegt er die Nähe zum Naturmaterial Holz und eine realistische Darstellung und hat damit allen künstlerischen Trends widerstanden. Auch dem Angebot des legendären Josef Beuys, als der Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf war und dem talentierten jungen Studenten vorschlug, in seine Klasse zu wechseln. Doch Peter Nettesheim lehnte freundlich, bescheiden und dankend ab, blieb seinem eigenen Ansatz einer Aktualisierung der bildhauerischen Tradition treu und wurde eine Weile später selbst Kunstprofessor. Neben seinen eigenen Arbeiten stellt er auch Werke seiner vor einigen Jahren verstorbenen Frau Gerda Nettesheim aus.

Das Atelier des Foto- und Objektkünstlers Dietmar Paetzold befindet sich im Produktionsraum einer früheren Brotfabrik in Dünnwald.
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VIVIANA MERETTA
Eine handwerklich äußerst versierte Bildhauerin ist gleichfalls Viviana Meretta. Sie gestaltet im Atelierhaus in der Martin-Köllen-Straße 14 in Kalk ihre fremd-vertrauten Formkörper. Die gebürtige Argentinierin, die seit dem Jahr 1994 in Köln lebt, abstrahiert auf sanfte Weise den menschlichen Körper, um ihm sein stilles Geheimnis abzuringen. Ausgebildet in der figurativen Plastik nähert sie sich mit behutsam-beharrlicher Geduld elementaren Leib-Erfahrungen, die unterhalb unserer bewussten Wahrnehmung liegen, möglicherweise geprägt in frühester Kindheit. Dabei zeigen die bezaubernden Formen, die Meretta aus Marmor, Sandstein oder Kalkstein herausholt, dass unsere Wirklichkeit als Ganzes ein plastisches Ereignis ist. Dieser Einsicht, die nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den fühlenden Fingerspitzen zu machen ist, fügt sie mit ihren Zeichnungen das Mysterium von Bewegtheit und Überlagerung hinzu. Ein gleichermaßen unruhiger wie entschlossener Strich lässt eine Künstlerin von großer Empfindsamkeit sichtbar werden. „Ich muss etwas machen, weiß nicht warum,“ erklärt sie den neben handwerklichen Fähigkeiten hohen Anteil an Intuition am bildhauerischen Prozess. Sie weiß: „Gründe und Verbindungen mit anderen Dingen erkennt man erst in der aufmerksamen Anschauung, im Reden und im Schreiben über die Werke.“ Immer wieder aufs Neue ist Viviana Meretta erstaunt, „wie unendlich die Welt der Formen ist, und wie viele unterschiedliche Sichtweisen es gibt.“ Nicht zuletzt wegen der Kommunikationsmöglichkeiten mit unbekannten Betrachtern ihrer Werke nimmt sie gern an den Offenen Ateliers teil. Außerdem hofft sie, endlich einen Kunstliebhaber zu finden, der bereit ist, die Finanzierung eines Bronzegusses für ihre rätselhafte, in Lebensgröße geformte Tonskulptur „Amphora“ zu übernehmen.
DIETMAR PAETZOLD
Das Prinzip „Bewegung und Verwandlung“, das die Relativität unserer Sichtweisen zum Ausdruck bringt, hat Dietmar Paetzold zur fotografischen Beschäftigung mit dem Tanz geführt. Die Herausforderung besteht für ihn nicht nur darin, das Flüchtige der Bewegung einzufangen, sondern außerdem das Phänomen des Übergangs sichtbar zu machen. Seit acht Jahren ist er in einem Atelier in der Dünnwalder Art Factory ansässig, dem Gebäude einer ehemaligen Brotfabrik am Dünnwalder Mauspfad.
So wird Paetzolds Arbeitsumgebung maßgeblich durch die gekachelten Wände und Fußböden der ehemaligen Industrienutzung bestimmt. Man könnte meinen, die ästhetische Kleinteiligkeit des Raumes habe sich sogar auf seine kreative Methode übertragen. Den Atelierbesucher erwartet dort eine Fülle größtenteils kleiner, poetischer Objekte aus getrockneten Blüten, Wachs, Puppenköpfen und Holzkisten. „In den letzten Jahren war das Thema Werden und Vergehen mein Arbeitsschwerpunkt“, erklärt er. Wohin das Auge blickt trifft es in Paetzolds Atelier auf Reize und Verführungen. Dem Besucher wird dabei nicht entgehen, welche Verwandlung die in den Regalen lagernden Rohstoffe durch die kreative Bearbeitung erfahren. Die Einblicke hinter die Fassade des Kunstschaffens machen neben den Gesprächen mit Künstlern den Reiz der Offenen Ateliers aus, die in diesem Jahr zum 27. Mal stattfinden.
Das Verzeichnis mit allen Künstlern, die vom 13. bis 15. September im rechtsrheinischen Köln ihre Ateliers öffnen, ist auf der Website des Veranstalters BBK Köln zu finden und wird außerdem in der Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger am Donnerstag veröffentlicht.
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