„Pietätlos“Frau filmt Selbstmord in Köln-Merheim – Anklage vor Gericht

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Köln – Eine Frau springt aus dem fünften Stock der Psychiatrie in Merheim, ihr versuchter Suizid ist erfolgreich. Vergeblich bemühen sich drei Rettungskräfte und ein Arzt mit lebensrettenden Maßnahmen um die am Boden liegende Frau, so zeigen es Videoaufnahmen, die illegal mit dem Handy aufgenommen wurden. Die Frau, die das Geschehen an Silvester vergangenen Jahres filmte und dann auch noch an einen Bekannten weiterleitete, musste sich nun wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen vor dem Amtsgericht verantworten.
Tilda B. (36, Name geändert) nimmt mit letzter Kraft auf der Anklagebank Platz, ihre beiden Krücken legt sie zur Seite. Sie ist dauerhaft erwerbs- und haftunfähig. Ihre Verletzungen nach einem Autounfall sind so schwer, dass ihr ein Bein amputiert werden muss. Nach dem Unfall lag die frühere Drogenabhängige 2017 mehr als drei Monate im Merheimer Krankenhaus und wartete am Tattag auf Besuch. „Wenn man so lange in der Klinik liegt, wird einem irgendwann langweilig“, sagt sie zu ihrer Entschuldigung. Beim Blick aus dem Fenster sei sie „froh gewesen, dass endlich mal was passiert ist.“ Sie legt Wert auf die unbestrittene Tatsache, dass auf den Fotos „lediglich die Beine und die Füße der Frau zu erkennen sind“.
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Das genüge allerdings schon, um sich strafbar zu haben, klärt der Richter sie auf: „Es reicht, wenn Sie mit den Aufnahmen die Hilflosigkeit der betroffenen Person ausnutzen.“ Tilda B. nickt kleinlaut und legt nach: „Es war dumm von mir, was ich getan habe.“ Der Richter erwidert: „Nicht ganz die feine Art, das sehe ich auch so.“
Dass sie die Aufnahmen anschließend an ihren Bekannten verschickt hatte, sei vorsorglich geschehen, sagte sie: „Ich erwartete seinen Besuch und wollte ihn warnen, dass er möglicherweise an den vielen Einsatzfahrzeugen nicht vorbeikommen könnte.“
Freiheitsstrafe gefordert
Ein derartiges Handeln aus Neugier sei zwar „menschlich verständlich“, sagte die Staatsanwältin aber letztlich „pietätlos und nicht nachvollziehbar“. Schon aus grundsätzlich abschreckenden Beweggründen sei deshalb eine Geldstrafe nicht mehr ausreichend. Deshalb forderte die Anklägerin für die ohnehin mehrfach – allerdings aufgrund ihrer Drogensucht – verurteilte Angeklagte eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, die auch nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.
Amtsrichter Wolfgang Schorn sah das nicht ganz so streng. Zwar habe Tilda B. den Straftatbestand „ganz klar erfüllt“, aber es gebe Aspekte für mildernde Gesichtspunkte. So sei die Angeklagte zwar vorbestraft, allerdings nicht einschlägig, zudem liege die letzte Verurteilung Jahre zurück. Schorn beließ es bei 900 Euro Geldstrafe.