Mehr Diebstähle aus Autos in Köln„Für die Täter ist das wie shoppen gehen“

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Symbolbild

Köln – Der Mann, der sich mitten in der Woche nachmittags um 14 Uhr in Lindenthal unter ein Auto legte, erregte offenbar keinen Verdacht. Niemand rief die Polizei. Auch nicht, als der Mann eine Flex herausholte, den Katalysator am Unterboden mit zwei sauberen Schnitten abtrennte und seelenruhig mit dem Bauteil unter dem Arm davon schlenderte. „Dreistigkeit siegt“, sagt Ralf Dubendorff von der Kölner Polizei. „Je dreister die Täter vorgehen, desto unverfänglicher kann ihr Handeln auf Außenstehende wirken.“

Köln: Zahlen beim Diebstahl aus Autos steigen massiv an

Die Katalysatoren machen die Diebe zum Beispiel bei Schrotthändlern zu Geld. Vor allem in den Exemplaren älterer Fahrzeuge ist ein hoher Anteil an Edelmetall verbaut, das angesichts enormer Rohstoffpreise derzeit hohe Gewinne verspricht. Für gewöhnlich werden in Köln pro Jahr 50 bis 80 Katalysatoren gestohlen, berichtet Hauptkommissar Dubendorff. Im Vorjahr allerdings waren es plötzlich 312 – und auch in den ersten beiden Monaten dieses Jahres hält der Trend an.

Der Run auf Katalysatoren ist eine Erklärung dafür, warum das Kommissariat 74, das Ralf Dubendorff leitet, in der aktuellen Kriminalstatistik massiv steigende Zahlen meldet. Der „Diebstahl an und aus Kraftfahrzeugen“, im Polizeideutsch „DB aus“ genannt, ist im Vergleich zu 2020 um 15 Prozent auf 8275 Fälle geklettert – und das in einem Zeitraum, in dem die Kriminalität in Köln in fast allen anderen Bereichen im Vorjahr teils deutlich zurückgegangen ist.

Alles zum Thema Polizei Köln

Außer dem zunehmenden Katalysatoren-Diebstahl macht die Polizei vier weitere Phänomene für die Negativentwicklung beim „DB aus“ verantwortlich: Zum einen sind im Vorjahr so viele Handwerkerfahrzeuge in Köln aufgebrochen worden wie lange nicht: 639 statt 200 wie noch im Jahr 2020. Gestohlen werden hochwertige Werkzeuge, die dann nach Erkenntnissen der Polizei im Internet oder auf Flohmärkten angeboten werden oder nach Osteuropa gebracht und dort verkauft werden.

Köln: Trickdiebe stehlen Taschen und Handys aus Autos

Zum anderen gibt es vor allem in der Kölner Innenstadt sowie in Deutz und auf der Kalker Hauptstraße immer mehr Trickdiebstähle, bei denen Autofahrer von einem der Täter abgelenkt werden, während ein Komplize die Handtasche oder das Handy aus dem Fahrzeug stiehlt.

Außerdem stieg 2021 massiv die Zahl der Kennzeichendiebstähle: 1700 Fälle bedeuten ein Plus von 300 im Vergleich zu 2020. Die Kennzeichen werden zum Beispiel beim Tankbetrug eingesetzt, zum Versicherungsbetrug oder von Autofahrern, die ohne Führerschein und Zulassungspapiere unterwegs sind.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zu guter Letzt stellt die Polizei fest, dass immer mehr Täter es auf Zustellfahrzeuge wie zum Beispiel Paketlieferdienste abgesehen haben: Viele Fahrer schließen ihre Transporter nicht ab oder lassen die Luke offen stehen, während sie die Ware ausliefern. Kehren sie zum Auto zurück, ist ihr Handy gestohlen, oder es fehlen Pakete aus dem Laderaum.

Die Polizei will in den nächsten Monaten verstärkt gegen die Täter vorgehen, etwa mit Observationen und Razzien, denn der Vorteil  der Ermittler ist: „Das Täterklientel ist uns in vielen Fällen bekannt“, sagt Dubendorff. Die Kripo weiß sogar, wo einige der Verdächtigen wohnen. Bei Durchsuchungen, zum Beispiel kürzlich in Kalk, wird immer wieder Beute sichergestellt. Aus Ermittlungen weiß das KK74, dass es sich bei den Werkzeugdieben vornehmlich um Täter aus Südosteuropa handelt, die in Köln wohnen.

Köln: Opfer orten ihre gestohlenen Handys in Algerien

Mit gestohlenen Katalysatoren fallen immer wieder rumänische und bulgarische Staatsangehörige auf, die sich auf Metalldiebstahl spezialisiert haben. Und als Trickdiebe seien häufig Täter aus Algerien unterwegs, sagt Dubendorff. „Geschädigte von Trickdiebstählen haben uns berichtet, dass sie ihr Handy oder Tablet ein paar Tage später in Algerien geortet haben.“

Alle Diebe eint, dass sie ihre Tatorte im Vorhinein nicht groß ausbaldowern, sondern dass sie sich offenbar schlicht mit offenen Augen durch die Stadt bewegen und spontan zuschlagen, wenn ihnen die Gelegenheit günstig erscheint. „Das ist für die wie shoppen gehen“, sagt Dubendorff. Präventionshinweise in diesem Bereich seien oft schwierig. „Ein befreundeter Handwerker erzählte mir, dass er nach einem Acht-Stunden-Tag auf der Baustelle schlicht keine Lust und keine Kraft mehr hat, seine acht Firmenautos auszuräumen und kiloweise Werkzeug in den Keller zu tragen, um es am nächsten Morgen wieder einzuladen.“

Der Hauptkommissar appelliert vor allem an alle Kölnerinnen und Kölner, häufiger den Notruf zu wählen, wenn ihnen etwas merkwürdig erscheint. „Im Zweifel lieber einmal kurz anrufen, wenn da zwei Typen an einem Fahrzeug stehen und auffällig hinein gucken. Oder wenn jemand unter einem Auto liegt“, sagt Dubendorff. „Die eigene Achtsamkeit steigern und keine Hemmungen haben, die 110 zu wählen“ – dadurch könnten womöglich schon viele Taten verhindert werden.

KStA abonnieren