Zahlen auf RekordniveauKatalysator-Diebe in Köln werden immer dreister – Was macht die Beute so begehrt?

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Die Täter schneiden oder sägen einen Katalysator innerhalb weniger Minuten vom Unterboden eines Autos ab.

Die Täter schneiden oder sägen einen Katalysator innerhalb weniger Minuten vom Unterboden eines Autos ab.

Katalysator-Diebstahl wird zum Massenphänomen. In Köln haben sich die Zahlen innerhalb eines Jahres verdreifacht.

Ein Parkplatz in Köln-Vingst am Montag, 1. Mai, kurz nach 15 Uhr. Zwei Männer schlendern durch die Reihen der abgestellten Autos, sie lassen ihre Blicke schweifen. Und plötzlich geht alles ganz schnell: Mit einem Wagenheber bocken sie einen Renault auf, einer legt sich unter das Auto und flext den Katalysator ab. Sie brauchen nicht länger als ein paar Minuten. Als die Männer den Abgasreiniger in ihrem eigenen Fahrzeug verstauen und wegfahren wollen, umstellen Zivilpolizisten den Wagen.

Der Jüngere der beiden, 25 Jahre alt, versucht, zu Fuß zu fliehen, wird aber überwältigt. Er hat einen Schlagstock dabei. Der Ältere (45) will mit dem Auto flüchten, rammt dabei den zivilen Streifenwagen und wird von den Polizisten eingeholt. Sie vermuten, dass der Mann Drogen und Alkohol konsumiert hat. Auf der Wache wird ihm eine Blutprobe entnommen.

Köln: Diebe haben es auf die Edelmetalle im Katalysator abgesehen

Beide Verdächtige sind „hinreichend polizeibekannt“, berichtet ein Behördensprecher. Die Ermittler gehen davon aus, dass dies nicht ihr erster Katalysator-Diebstahl war. Und sie sind auch nicht die einzigen in Köln, die sich auf dieses Delikt spezialisiert haben: Knapp 60 Taten registrierte die Polizei in den ersten drei Monaten des Vorjahres. Dieses Jahr sind es schon fast 180, eine Verdreifachung. Geht die Entwicklung so weiter, wird der Negativrekord von 610 Taten aus dem vorigen Jahr schon im Herbst eingestellt. Katalysator-Diebstahl ist zum Massenphänomen geworden.

Abgesehen haben es die Täter auf die Edelmetalle Platin, Palladium und vor allem Rhodium, von denen insgesamt etwa fünf Gramm in einem Katalysator verbaut sind. Rhodium ist wertvoller als Gold, das zurzeit für 60 Euro pro Gramm zu haben ist. Dieselbe Menge Rhodium kostet 230 Euro, vor einem Jahr waren es sogar bis zu 610 Euro. Ein Gramm Palladium ist derzeit 43 Euro wert, ein Gramm Platin etwa 30 Euro. Pro Katalysator, den die Täter zum Beispiel an Schrotthändler verkaufen, kommen da schnell mehrere hundert Euro zusammen. In den Recyclingbetrieben werden die Kats zerlegt und die wertvollen Bestandteile vom Rest getrennt.

Nach Erkenntnissen der Polizei Köln arbeiten die Diebe nicht in organisierten Strukturen. „Wir haben es eher mit Einzelnen oder mit Kleingruppen zu tun“, sagt Polizeisprecher Christoph Schulte. Unter den gefassten Verdächtigen sind viele Osteuropäer. Die Täter gehen dreist und professionell vor.

Auf Überwachungsvideos, die auch im Internet kursieren, ist zu sehen, wie selbstsicher sie auftreten – oder auch wie „stumpf“, wie ein Ermittler es nennt. Mitten am Tag, in einem belebten Wohngebiet, bocken sie seelenruhig ein Fahrzeug auf, trennen den Katalysator mit einer elektrischen Säge und zwei sauberen Schnitten ab, verladen ihn in ihr Fluchtfahrzeug, packen den Wagenheber wieder ein und sind weg. Selten brauchen sie länger als zwei Minuten. 

Köln: Um Zeugen zu täuschen, tragen Täter Warnwesten

„Manche Täter haben Warnwesten an“, sagt Polizeisprecher Schulte – vermutlich, damit Zeugen glauben, es handele sich um Mechaniker, die berechtigterweise unter dem Auto arbeiten. Doch die Polizei ruft jeden, der so etwas beobachtet, dazu auf, sofort den Notruf zu wählen. „Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig“, sagt Schulte.

Besonders begehrt bei den Tätern sind laut ADAC Hybridfahrzeuge und Benziner älteren Baujahres, vor allem  Opel Astra, Toyota Prius, Honda Jazz und VW Polo. Bei diesen liegt der Kat gut zugänglich in der Mitte des Wagenbodens. Bei Fahrzeugen jüngeren Datums dagegen wird der Katalysator sehr nah am Motor montiert, damit er sich nach dem Kaltstart schneller aufheizt und auf Betriebstemperatur kommt. Dort ist er für Diebe deutlich schwerer zu erreichen. Außerdem enthalten moderne Katalysatoren weniger Edelmetalle. Diesel-Fahrzeuge sind kaum betroffen.

Nicht nur in Köln, auch landesweit steigen die Fallzahlen deutlich. Laut Landeskriminalamt (LKA) lagen sie 2019 noch im zweistelligen Bereich, im Vorjahr bereits im mittleren vierstelligen Bereich. Um sich zu schützen, empfiehlt das LKA zum Beispiel elektronische Neigungssensoren, die Alarm schlagen, wenn das Fahrzeug angehoben wird. Wer kann, solle sein Auto in einer Garage abstellen.

Versichert sei ein gestohlener Katalysator in der Regel über die Teilkaskoversicherung, informiert der ADAC – abzüglich der Selbstbeteiligung. „Wer nur haftpflichtversichert ist – und das ist bei älteren Autos oft so –, bleibt auf den Kosten sitzen“, sagt ein Sprecher.

Unterdessen schickte ein Haftrichter die beiden Verdächtigen vom Parkplatz in Vingst in Untersuchungshaft. Dort warten sie jetzt auf ihren Prozess.

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