Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Alexianer-KrankenhausOffen über die Sucht gesprochen

Lesezeit 3 Minuten

Michael, Patient des Alexianer-Krankenhauses, war offen für ein Gespräch mit Schülern des Erich-Kästner-Gymnasiums.

Ensen-Westhoven/Niehl – Mit vier Promille Alkohol im Blut und 120 Tabletten im Magen wurde Michael ins Krankenhaus gebracht. Dort musste er reanimiert werden. „Ich habe sehr viel Glück, dass ich überhaupt noch lebe“, sagt er. Michael ist einer von sieben suchtkranken Patienten des Alexianer-Krankenhauses, die mit Schülern des Erich-Kästner-Gymnasiums aus Niehl über ihre Drogenprobleme sprechen. Die Fachklinik für Psychiatrie bietet seit zehn Jahren regelmäßig interessierten Schulklassen die Möglichkeit, im Domenikus-Brock-Haus auf ihrem Gelände Patienten zu treffen. „Alexianer meets school“ (Alexianer begegnet Schule) wird das Projekt genannt, das Psychotherapeut Tim Bölling-Graf von Bassewitz vor zehn Jahren als Beitrag zur Suchtprävention gestartet hatte.

„Wir haben in den vergangenen Jahren eine wichtige Erfahrung gemacht“, sagt der Therapeut. Dass nämlich nicht zu entscheiden sei, welche der beiden Seiten, Schüler oder Patienten, mehr von dieser Art des Dialogs profitiert.

In die Sucht gerutscht

Michaels Geschichte hat Jan, Nina, Sarah und Erik zutiefst erschüttert. Die 15 Jahre alten Schüler der Klasse 9c, haben von ihm erfahren, dass es mit ein paar Feierabendbierchen angefangen habe, dass daraus aber immer mehr wurden, und er langsam aber sicher ganz tief in eine Alkoholsucht gerutscht sei. „Am Ende habe ich jeden Tag fast zwei Kästen Bier getrunken und noch ein paar Schnäpse dazu konsumiert, weil ich die viele Flüssigkeit gar nicht mehr aufnehmen konnte“, sagt Michael.

Seine Arbeit und seine sozialen Kontakte hätten schließlich unter seiner Sucht gelitten. Sein Arbeitgeber und seine Kollegen hätten seinen Alkoholkonsum anfangs ignoriert. Aber schließlich sei er entlassen worden, wodurch es noch schlimmer geworden sei. „Aber am allerschlimmsten war, dass mein zehnjähriger Sohn mich gefunden hatte, als ich die Tabletten geschluckt hatte.“ Das werde ihm wohl sein ganzes Leben lang nachlaufen, vermutet Michael.

Getrunken habe er seit er 17 war. „Ich wollte dazu gehören“, sagt er den Schülern und gibt ihnen gleich eine Lehre mit auf den Weg: „Es ist nicht schlimm, nicht zu einer bestimmten Clique zu gehören.“ Seine Entgiftung im Alexianer-Krankenhaus beschreibt er mit drastischen Worten. „Ich hatte ein heftiges Delirium und musste sogar ans Bett gefesselt werden.“

Offen Probleme angesprochen

Seine Offenheit machte Eindruck auf die Schüler. „Seine Stärke hat uns imponiert“, sagt Jan. Auch die anderen sechs Sucht-Patienten, die sich für das Gespräch mit den Schülern zur Verfügung stellten, konnten beeindrucken. Rita, die Alkohol für einen Freund hielt, Cem, der darüber hinaus auch Kokain geschnupft hat, Christian, der wegen des Leistungsdrucks an seinem Arbeitsplatz nicht mehr schlafen konnte und süchtig nach Schlaftabletten wurde, Erol, der süchtig nach allem wurde, und Uschi, die bereits mit 14 Jahren eine erste Alkoholvergiftung hatte – sie alle fanden Anerkennung dafür, dass sie offen über ihre Probleme redeten.

„Es ist ein Ziel unserer Therapie, dass die Patienten über ihre Probleme reden. Nur so erlangen sie Hoffnung und Zuversicht“, sagt Ulrike Klose, Oberärztin am Alexianer-Krankenhaus. Sie leitet neben Tim Bölling-Graf von Bassewitz das Schüler-Projekt, an dem sich unter anderem schon das Irmgardis-Gymnasium Marienburg und die Lise-Meitner-Gesamtschule Finkenberg beteiligt haben. Die Schüler haben die Erfahrung gemacht, dass es Suchtkranken hilft, wenn sie die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. „Einmal Alkoholiker heißt immer Alkoholiker“, sagt Michael. Man müsse sich der Gefahr, die permanent im Alltag lauere, stellen. „Nur dann hat man eine Chance, die Sucht in den Griff zu bekommen.“