Alfred Wiater im Interview„Mehr tun als nur das Notwendige“

Dr. Alfred Wiater hat zusätzlich zu seinen Aufgaben als Direktor der Kinderklinik jetzt auch das Amt des Ärztlichen Direktors am Krankenhaus Porz am Rhein übernommen.
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Porz – Herr Dr. Wiater, Sie sind seit fast 25 Jahren erfolgreich als Chefarzt der Kinderklinik tätig; was hat Sie bewogen, jetzt zusätzlich das Amt des Ärztlichen Direktors am Krankenhaus Porz am Rhein anzutreten?Dr. Alfred Wiater: Mein Ziel ist es, mit dem gesamten Team wichtige Weichen für eine gute medizinische Versorgung der Menschen in Porz und der Umgebung sicherstellen zu können. Das Krankenhaus Porz hat im vergangenen Jahr 22 000 Patientinnen und Patienten stationär aufgenommen – mehr als jemals seit seinem Bestehen. Diese Patienten sind für uns nicht Fälle, sondern Menschen, die ganzheitliche Hilfe brauchen.
Wie soll diese Hilfe konkret aussehen? Wiater: Zum einen investieren wir stetig in neue und bessere Diagnostik und Therapie; dafür wird technisches Gerät angeschafft, das oft sehr teuer ist. Das Geld dafür erwirtschaften wir neben den Fördermitteln des Landes Nordrhein- Westfalen aus den Budgets, die jährlich neu mit den Krankenkassen verhandelt werden. Unser Vorteil ist, dass wir ein gemeinnütziges Krankenhaus sind, im Gegensatz zu privaten Einrichtungen also keine Gewinne erzielen müssen. Was uns die Budgets einbringen, können wir deshalb optimal für die Patientenversorgung verwenden. Zum anderen intensivieren wir unsere Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und bieten beispielsweise im Herzzentrum, im Magen-Darm-Zentrum und im Rheumazentrum gut vernetzte ambulante und stationäre Diagnose und Therapie. Das überwiegend junge Team aus Chefärztinnen und -ärzten in den zwölf medizinischen Fachbereichen zieht dabei an einem Strang mit der Geschäftsführung und dem Pflegeteam. Ein derart intensives Vertrauensverhältnis zwischen diesen drei Parteien gibt es in wenigen anderen Krankenhäusern.
Welche Investitionen haben Vorrang?Wiater: Wir brauchen dringend mehr Platz für die Notfallambulanz im Erdgeschoss, wo die stationäre Aufnahme, die notärztliche Versorgung und ambulanten Sprechstunden stattfinden. 2013 sind dort 50 000 Patienten versorgt worden. Wir wollen im Bereich der Kardiologie expandieren und zudem Zug um Zug die Stationen renovieren. Das Krankenhaus braucht auch unbedingt mehr Parkplätze. Darüber und über die Krankenwagenzufahrt, die sich bei einer geplanten Abbindung des Urbacher Wegs ändern müsste, sind wir mit der Stadt im Gespräch.
Dr. Alfred Wiater (59) hat in Bonn studiert, war als Kinderarzt zunächst in Hildesheim und St. Augustin tätig und ist seit 1990 Chefarzt der Kinderklinik am Porzer Krankenhaus. Der Pädiater hat hier unter anderem das Schlaflabor zur Bekämpfung des Plötzlichen Kindstods aufgebaut. Wiater ist verheiratet und hat drei Kinder. (bl)
Welchen medizinischen Herausforderungen müssen Sie sich stellen?Wiater: Meine größte Sorge ist die wachsende Zahl von Patienten mit multiresistenten Erregern (z.B. MRSA). Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie mit Keimen kontaminiert sind, gegen die keine Antibiotika wirken. Vor der stationären Aufnahme durchlaufen deshalb bei uns alle Patienten ein Risiko-Screening. Je nach Ergebnis wird dann ein MRSA-Test gemacht und die tatsächlich Betroffenen werden von anderen Patienten isoliert. Bei der Krankenhaushygiene können wir die Messlatte kaum hoch genug legen, stellen uns strengen Zertifizierungsansprüchen und bitten Patienten und Besucher um aktive Unterstützung. Erforderliche Hygienemaßnahmen wie Händedesinfektion, Schutzkittel etc. müssen von allen strikt eingehalten werden. Mein Albtraum wäre es, einem Baby nicht helfen zu können, das sich schon im Mutterleib mit solchen Erregern angesteckt hat. Das wäre für die Medizin ein Rückfall wie in die Zeit vor Entwicklung der Antibiotika.
Wie wirkt sich der Kostendruck im Gesundheitswesen auf das Porzer Krankenhaus aus?Wiater: Wie in fast allen Häusern verzeichnen auch wir steigende Patientenzahlen bei kürzerer Verweildauer. Das führt dazu, dass die Auslastung der Betten – in Porz liegt sie bei 72,5 Prozent – nicht mit der Planbetten-Berechnung des Landes Schritt hält. Wir werden sicher nicht alle 443 Bettenplätze behalten. Das hat aber keine wirtschaftlichen Folgen, denn die Abrechnung mit den Kassen erfolgt nicht pro Bett, sondern auf Basis der fallbezogenen Kostenerstattung pro Patient. Darin liegt allerdings eine erhebliche Arbeitsverdichtung für Ärzte und Pflegekräfte. Das gesamte Team steht täglich vor der Herausforderung, mehr als nur das medizinisch Notwendige zu leisten, mehr als nur eine Funktionsstörung zu beheben.
Wie sieht das aus?Wiater: Patienten mit gleicher Diagnose können doch ganz unterschiedlichen Betreuungsaufwand erfordern, die Krankenkassen zahlen aber beispielsweise für eine Therapie bei Lungenentzündung immer das gleiche, egal ob es sich um einen sonst gesunden 30-Jährigen oder um ein Kleinkind oder einen alten, dementen Menschen handelt. Dabei brauchen sowohl Kinder als auch Betagte sehr viel mehr Hilfen. Die psychosozialen Faktoren, die bei den Fallberechnungen zu kurz kommen, müssen und wollen wir im Krankenhaus aber beachten. Dafür brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zeit – und Unterstützung dabei, die Menschlichkeit im Beruf zu leben. Leitende Ärzte sehe ich dafür in einer Vorbildfunktion.
Die Bezahlbarkeit einer menschlichen Medizin, gerade für immer mehr Hochbetagte und Patienten mit schwierigem sozialen Hintergrund, ist allerdings ein Problem der gesamten Gesellschaft.Wiater: Sicher, aber wir wollen uns nicht hinter der Politik verschanzen und auf neue Gesetze warten, sondern selbst etwas tun. Die Vernetzung von ambulanter und stationärer Medizin, aber auch das Gesundheitszentrum am Krankenhaus mit seiner vorbeugenden Arbeit spielen dabei eine große Rolle. Und wir bleiben im Dialog mit den Patienten, nehmen persönlich geäußerte Kritik sehr ernst und lernen daraus. Aufgrund einer Kritik von jungen Eltern haben wir beispielsweise die Stillberatung deutlich verbessern können.
Das Gespräch führte Beatrix Lampe
Das Krankenhaus Porz am Rhein ist ein Haus der Regelversorgung, dessen Gründung auf eine Stiftungsinitiative des Krankenhausfördervereins zurückgeht. Es wurde 1967 in Betrieb genommen. Seit 2004 ist es aus der Stiftung ausgegliedert und wird als gemeinnützige GmbH betrieben.
Das Haus bietet 443 Betten in den Fachbereichen Interdisziplinäre Notfallambulanz, Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Unfallchirurgie, Frauenklinik, Kinderklinik, Anästhesiologie, Gastroenterologie, Diabetologie, Kardiologie & Elektrophysiologie, Nephrologie, Radiologie, Rheumatologie sowie eine HNO-Belegabteilung und die Fachbereiche Physiotherapie und Ergotherapie.
Mehrere Zentren, in den Ärzte verschiedener Kliniken mit Instituten und Labors sowie niedergelassenen Kollegen interdisziplinär zusammenarbeiten, prägen das Haus: das Kooperative Kölner Herzzentrum beidseits des Rheins, Zentrum für Magen-Darm-Erkrankungen samt Darmkrebszentrum, Rheumazentrum, Dialyse-, Gefäß- und Mutter-Kind-Zentrum sowie die Schlaganfall-Behandlungseinheit, Inkontinenz- und Beckenbodenschwerpunkt sowie Gesundheitszentrum sorgen für umfassende Hilfe.
750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Krankenhaus tätig; Geschäftsführer ist Sigurd Claus, Pflegedirektorin Sabine Stiller.
Die Porzer Bevölkerung und der Förderverein unterstützen das Krankenhaus und seine Einrichtungen durch Spenden, seit der Gründung kamen dem Haus zwei Millionen Euro aus Spendenmitteln zugute. (bl)