Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Drive inGroße Freiheit Autokino

5 min

Mehr als 500 Quadratmeter Leinwand und 1300 Stellplätze: Im Autokino fallen die Dimensionen etwas größer aus.

Porz – Es rumst kurz und knirscht danach unangenehm laut. Die Rampen, die im Autokino Porz zu guter Sicht auf die Leinwand verhelfen sollen, sind eben nicht für einen extrem tiefer gelegten BMW gemacht. Der Fahrer steigt fluchend aus, rückt seine Stoßstange zurecht und parkt lieber, ohne den Vorteil von erhöhten Vorderreifen zu genießen.

Ein paar Parkplätze weiter sitzen Stefan Faselt und Kornelia Lyska in einem BMW Cabriolet. Bei offenem Verdeck löffeln sie Eis, selbst mitgebracht natürlich. Nur einer der kleineren Vorteile im Autokino, findet der 31-Jährige. Es gebe hier keine Handys, die klingeln, keine blöden Kommentare. „Und man kann rauchen. Man ist mit vielen Leuten im Kino und doch für sich.“ Er denkt kurz nach und lacht. „Obwohl – es kommt auf den Film an. Als wir uns »The Fast and the Furious« angesehen haben, war hier alles voll von aufgemotzten Karren und heulenden Motoren.“

An diesem Abend ist Markus Dumm der einzige, der wegen seines fahrbaren Untersatzes zwischen den ganzen Neuwagen auffällt. Der 41-Jährige fährt einen Mercury Monterey, Baujahr 1968. Ein weißes Schlachtschiff, wie es nicht besser fürs Autokino geeignet sein könnte: Neben Dumm haben seine beiden Kinder und eine Freundin auf der durchgehenden Vorderbank Platz. Für ihn, der eine Werkstatt für US-Automobile betreibt, ist das Drive-in fest mit der amerikanischen Kultur verbunden. „Das ist ein anderes Lebensgefühl. Mit einem geschlossenen Wagen würde ich zum Beispiel nie herkommen“, erklärt er. Überhaupt hat er Grund zur Nostalgie: „Ich war zum letzten Mal vor 20 Jahren hier“, sagt er. „Ich wollte das meinen Kindern auch mal zeigen.“

Eine Institution, die zur Rarität geworden ist

Seit 1967 gibt es das Autokino in Köln-Porz schon. Es ist eines von nur fünf Drive-ins in Deutschland, die ganzjährig betrieben werden. Eigentlich eine Institution, die aber über die Jahrzehnte so weit in Vergessenheit geraten ist, dass viele junge Fahrer nicht einmal mehr wissen, dass sie existiert. Dafür verfügt das Autokino als Rarität über ein großes Einzugsgebiet. Vielleicht einer der Gründe, warum das Porzer Drive-in nicht von der Abwanderung seiner Stammkunden in Hightech-Multiplex-Anlagen betroffen ist.

„Wir können kein 3-D anbieten, weil moderne Autos in ihren Scheiben Lagen haben, die den Effekt blocken“, erklärt Thorsten Schiers, der seit zwölf Jahren Theaterleiter in Porz ist. „Und wir können die Leute ja schlecht bitten, auszusteigen.“ Die größte technische Neuerung in den letzten Jahren sei die Einführung eines eigenen Radiosenders für das Kino gewesen: Seitdem können die Besucher den Ton zum Film einfach auf der Frequenz 90.50 über ihre Autoradios empfangen.

Eine reduzierte, erfolgsorientierte Filmauswahl ist sicher auch nicht ganz unschuldig an den konstanten Besucherzahlen. Schwere Kost wie Independent- oder Dokumentarfilme würden nicht genügend Interessierte anziehen, um die Anlage mit insgesamt 1300 Stellplätzen zu betreiben. „Wir haben nur eine Leinwand und können erst anfangen, wenn es dunkel ist. Deswegen müssen wir es wöchentlich schaffen, den besten Film zu bekommen. Filme, in die die Leute gehen, um Spaß zu haben“, sagt Thorsten Schiers.

Auf der mehr als 500 Quadratmeter großen Leinwand läuft an diesem Abend die Komödie „21 Jump Street“. Die Vorschau beginnt, sobald die ersten Sterne am Himmel zu sehen sind. Schnell machen es sich alle auf ihren Autositzen bequem. Jetzt ist jeder Herr seiner eigenen Filmvorstellung, zwischen seinen eigenen vier Türen: Ob man sich von den Trailern in der Vorschau die Überraschung nehmen lässt oder lieber den Ton abschaltet, ob man während des Films quatscht, schweigt oder knutscht, ob man sich in Jogginghose unter eine Bettdecke kuschelt – hier genießt man absolute Entscheidungsfreiheit.

Nur bei offenen Fenstern ist aus den anderen Autos leises Lachen zu hören, wenn Jonah Hill und Channing Tatum als Polizeianwärter undercover von einer misslichen Situation in die nächste stolpern. Die kurze Pause zur Halbzeit des Films vertreiben sich die meisten Wartenden mit einem kurzen Hupkonzert, anstatt auszusteigen. Wie als alternativer Beifall erklingt es wieder, als der Film vorüber ist und alle Scheinwerfer angehen. Zehn Minuten später ist der Platz wie leergefegt.

Nur die Besucher Sabrina und Marius Knudsen harren noch aus. Sie warten rauchend auf die nächste Vorstellung, die um halb eins beginnt. „Seit sechs Jahren, fast an jedem Wochenende“ seien sie hier. Und das zu allen Jahreszeiten. „Im Winter eben mit Heizlüfter und dicken Decken“, sagt Sabrina Knudsen. Was sie hier schon erlebt haben? „Einfach alles.“ Von Autos mit rosafarbenen Unterbodenbeleuchtungen über Grillgelage aus dem Wohnmobil heraus bis hin zu Heiratsanträgen per Radioübertragung. „Einmal sind wir im dicksten Schnee liegen geblieben, die Batterie hat nicht mehr mitgespielt. Weil die Starthilfekabel, die es hier eigentlich gibt, zu der Zeit regelmäßig geklaut wurden, mussten wir drei Stunden auf den ADAC warten.“ Seitdem ist bei jedem Kinobesuch eine Sache ganz sicher in ihrem Smart verstaut: ihr eigenes Starterkabel.

Autokino

Das Drive-in-Autokino liegt an der Rudolf-Diesel-Straße 36, Köln-Porz-Eil. In der Woche wird täglich eine Vorstellung um 22 Uhr oder 22.30 Uhr gezeigt, am Wochenende eine zusätzliche Spätvorstellung, deren Anfangszeiten variieren. An den meisten Wochenenden läuft leider zu beiden Uhrzeiten derselbe Film.

Der Besuch einer Vorstellung kostet pro Person 7 Euro (Normallänge), Doppelvorstellungen 12 Euro. Heizlüfter und Radios, falls das eigene Autoradio defekt sein sollte, können gegen Pfand ausgeliehen und an Service-Säulen neben jedem Parkplatz angeschlossen werden.